The Notwist - eine "hochintellektuelle" Band auf Europatour
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In der letzten Woche der Jenaer Kulturarena spielt The Notwist auf dem Theatervorplatz. Vor dem Konzert treffen wir Markus Acher, Gitarrist und Sänger der Band, im Garten des Café Grünowski. Mitten im Interview fallen zwei riesige Hornissen vom sonnigen Himmel auf unsere Picknickdecke. Markus runzelt kurz die Stirn und spricht dann weiter über seine Schulzeit und das Publikum quer durch Europa.
“The Notwist“ - was bedeutet das denn?
Das bedeutet gar nichts. Es sollte ein total sinnloser Name sein. Vor fast 20 Jahren haben wir an einem Radiowettbewerb für Nachwuchsbands teilgenommen, “Demokassettentest“ hieß das. Da haben wir ein Lied abgegeben, das wir eigentlich selbst ganz schrecklich fanden. Dazu haben wir uns einen ganz schlimmen Bandnamen ausgedacht. Sollte auf jeden Fall was mit “The“ vorneweg sein. Und “No“ kommt bei Jugendlichen immer gut. [grinst]
Was war das für ein Lied?
Das hatte nix mit dem jetzigen Notwist zu tun. Es war so ein schlechtes Punklied [fängt an zu singen]: “Freitag mittag, die Schule ist aus! Wir gehen nach Haus!“ [alle müssen lachen]
Heute seid ihr berühmt, wie wart ihr als Schüler?
Eher Außenseiter. Alle aus der Band. Wir sind auch oft durchgefallen. Für mich war das Abitur schwer, mein Bruder hat gar keinen nennbaren Schulabschluss. Wir waren einfach zu still.
Ihr werdet gern als “hochintellektuelle“ Band angekündigt. Seht ihr das selbst auch so? Habt ihr mal studiert?
Ich habe alles Mögliche auf Magister in München studiert: Amerikanistik, Literaturwissenschaften - alles, was man halt so macht, wenn man eigentlich nicht weiß, was man machen will. Als ich dann mit Kunstgeschichte anfing, brach ich ab. Ich habe schon damals fast nur Musik gemacht. Ehrlich gesagt wollte ich auch zu den Veranstaltungen gehen, aber irgendwie landete ich immer wieder in Plattenläden. Mein Bruder hat Musik studiert, aber auch kein Diplom. Unser neuer Gitarrist Max Punktezahl ist Chemiker. Ich würde uns eher nicht als “intellektuell“ einschätzen. Andere Bands sind wesentlich diskurslastiger.
Jetzt liest man, The Notwist sei “Deutschlands bedeutendste Indieband“. Was verstehst Du unter “Indie“?
Diese Kritiken finde ich total schlimm. “Indie“ bedeutet uns immer noch viel, denn es steht für “independent“. Wir versuchen so unabhängig wie möglich von Plattenfirmen und Geldgebern zu sein. Die alte Hardcore-Bewegung und ihre ganzen Ideen haben uns sehr beeindruckt. Außerdem ist “Indie“ etwas Musikalisches, also Gitarrengeschrubbe, und damit identifiziere ich mich gerne. Mit dem Label “bedeutendste Indieband“ kann ich hingegen wenig anfangen.
Seit Jahren wird behauptet, zwischen dem The Notwist-Sound und eurer ländlichen Heimat bestehe ein Zusammenhang. Richten sich nicht aber gerade eure Texte eher an eine urbane Generation?
Ich denke schon, dass man merkt, dass da, wo wir aufgewachsen sind, einfach nichts los ist. Das hat uns nichts gegeben - vor allem nicht kulturell. Deswegen ist unsere Musik schon von einer provinziellen Sehnsucht geprägt. Ich wohne schon länger in München. Gut, das ist keine Großstadt, aber Musik, die wir mögen und die uns beeinflusst, ist von Großstädten geprägt.
Was hört ihr für Musik? Ladet ihr auch aus dem Internet herunter?
Das eher weniger! Auf dem Weg hierher habe ich mir eine Platte mit experimenteller Elektronik von Ekkehard Ehlers gekauft. Wir hören uns viele elektronische Sachen an, aber auch Popmusik, alte Musik, Jazz …
Werdet ihr nur bewundert oder manchmal auch verstanden?
[grinst verlegen] In Deutschland spielen wir schon sehr lange. Es sind aber oft gerade die Leute in Frankreich oder Amerika, die von dem ganzen Diskurs nichts mitbekommen haben. Sie kennen uns nicht aus dem Feuilleton, sondern fühlen einfach die Musik. Außerdem freut uns wahrscheinlich am meisten, wenn unsere Songs jemanden in einer bestimmten Phase seines Lebens begleiten.
Turin, Oslo, Saint-Malo, Jena… Wie unterscheiden sich die Publikumsreaktionen in Europa?
Außerhalb Deutschlands gehen die Leute unverklemmter auf die Musiker zu. Sehr schön war das “La Route du Rock“-Festival in Saint-Malo. Und Ferrara in Italien! Auch das Konzert in Zagreb war toll. Die Fröhlichkeit der Menschen hat uns einfach mitgerissen, es war ein sehr intensives Konzert. Ich hoffe, dass wir mit The Notwist noch mal nach Polen kommen. Das wäre mir sehr wichtig, denn wir haben mal mit “Lali Puna“, einer unserer anderen Bands, in Warschau gespielt. Die Leute waren so aufmerksam.
Wie werden eure komplexen Songstrukturen bühnentauglich?
Wir versuchen die Stücke so umzuarrangieren, dass wir alles spielen können. Orchestersachen zum Beispiel kommen nur einmal vor, wofür wir eine spezielle Dubplate benutzen. Live ist unsere Musik minimaler. Aber sie hat manchmal mehr Energie. Einige Stücke hört man aber besser zu Hause über Kopfhörer.
Dein Bruder Micha wippt beim Bass-Spielen immer autistisch mit dem Oberkörper vor und zurück. Hat das einen Grund?
Nein, das ist einfach seine Art der Konzentration. Als Kind hat er das noch nicht gemacht. Und er macht es auch nur am Bass. Mit der Trompete geht das nicht.
Obwohl ihr sechs Jahre an eurem neuen Album gearbeitet habt, wurde in der Woche vor der Veröffentlichung der Titel geändert. Wieso?
Der Arbeitstitel war “On Planet Off“, doch das fanden wir plötzlich nicht mehr gut. So gerne ich das Bild mag, aber “Planet“ wird inflationär gebraucht – so heißt doch inzwischen jeder zweite Sportladen.
Wie passt der neue Drummer, Andi Haberl, zur Band und warum hat euch Mecki Messerschmidt verlassen?
Mit Mecki haben wir ewig zusammengespielt. Dann gab es Differenzen, nicht aggressiv, aber wir haben uns musikalisch auseinander gelebt. Es gab den Punkt, an dem es günstig war uns zu trennen, bevor es richtig kracht. Andi kannten wir von ein paar gemeinsamen Jazzsachen. Er passt menschlich sehr gut in die Band und trifft mit seinem Instrument immer das, was wir wollen. Er ist ein bisschen offener, beweglicher. Aber es ist nicht so, dass Mecki jetzt der Punkrocker und wir die Elektroniktypen wären. Möchte aber jetzt nicht weiter ins Detail gehen...
“The Wire“ fragte euch mal “Is Weilheim the new Seattle?“ - Wen habt ihr beeinflusst und wer hat euch zuletzt inspiriert?
Viel hat sich zeitgleich entwickelt, würde ich sagen. Wir und die anderen haben einfach Pop und Elektronik gemischt. Das lag in der Luft - wir haben da keinesfalls eine Vorreiterrolle gespielt.
Und warum endet eigentlich jede Party in der Küche?
Na, weil da der Weg zu den Getränken am kürzesten ist [lacht].
The Notwist auf Europatour:
Genf (CH) - 25. Sept. - Alhambra; Lyon (FR) - 26. Sept. - Epicerie Moderne; Marseille (FR) - 27. Sept. - Marsatac; Ravenna (IT) - 28. Sept. - Bronson; Florenz (IT) - 29. Sept. - Viper; Rom (IT) - 30. Sept. - Circolo degli artisti; Mailand (IT) - 1. Okt. - Musicdrome; Straßburg (FR) - 15. Okt. - La laiterie; Lille (FR) - 16. Okt. - Le grand Mix; Bristol (UK) - 17. Okt. - Thekla; Manchester (UK) - 18. Okt. - Club Academy; Glasgow (UK) - 19. Okt. - King Tuts; Birmingham (UK) - 20. Okt. - Barfly; London (UK) - 21. Okt. - ULU; Esch/Alzette (LU) - 22. Okt. - Kulturgabrik; Ffm (D) - 23. Okt. - Mousonturm; Leipzig (D) - Nikolaus - Conne Island; Berlin (D) - 7. Dez. - Postbahnhof; Bremen (D) - 8. Dez. - Schlachthof; Köln (D) - 9. Dez. - Live Music Hall; Paris (FR) - 10. Dez - Trabendo; Brüssel (B) - 11. Dez. - AB Club; Mannheim (D) - 12. Dez. - Alte Feuerwache.