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Tesco contra Tante Emma

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Anna Karla

Gesellschaft

Einkaufszentren schießen wie Pilze aus dem Boden. Immer mehr Geschäfte in der Innenstadt stehen leer, die Kritik nimmt zu. Doch wo verläuft für Budapest der Weg zwischen Tradition und Moderne?

Jubelnd hüpft eine Horde Kleinkinder auf bunten Turnmatten. Mütter und Väter malen mit ihren Sprösslingen auf Kreidetafeln, im Hintergrund rieselt Musik, plätschert ein Springbrunnen und quakt ein eigens für diesen Zweck beorderter Clown seine Unterhaltungsshow durch ein Mikrofon. Es ist Samstagvormittag in Budapests größtem Einkaufszentrum Arena Plaza, und IKEA organisiert ein Kinderfest.

Nur einige Fußminuten vom Ostbahnhof entfernt thront Budapests neuester Konsumtempel an einer trostlosen Ausfallstraße am Rande der Innenstadt. Im November 2007 wurde das Einkaufsparadies auf dem Gelände einer ehemaligen Pferderennbahn eröffnet. Mit insgesamt 66 000 Quadratmetern Verkaufsfläche ist Arena Plaza die bisher größte von den 19 Shopping-Malls, die sich seit den 1990er Jahren in der Stadt angesiedelt haben. Das Einkaufzentrum ist im Besitz der britischen Investorengruppe Active Asset Investment Management (AAIM) und beherbergt neben einem Hypermarkt der Warengruppe Tesco Marken wie Peek&Cloppenburg, Tschibo, Häagen-Dazs und Zara.

Schöne neue Welt?

Westend: ein Einkaufszentrum„Das ist ein Problem der Globalisierung. Alles wird irgendwann gleich aussehen.“ Als Denkmalschützer und Mitglied der City protection society of Budapest ist Mihály Ráday ein bekennender Gegner der Invasion seiner Stadt durch die Einkaufszentren. „Ich glaube, die Welt ist einfach nicht sehr aufregend, wenn alles gleich aussieht.“ Ráday, der auch für den Fernsehsender Magyar Televízó arbeitet, ist einer der umtriebigsten Bewahrer der alten Donaumetropole. Er kämpft für den Erhalt von Grünflächen und Baudenkmälern in der Stadt. Das moderne Budapest müsse lernen, seine Tradition zu bewahren, erklärt er. So habe sich seine Organisation bei den Betreibern von Arena Plaza erfolgreich für den Erhalt einer der Tribünen der ehemaligen Pferderennbahn eingesetzt, die noch aus dem frühen 20. Jahrhundert stammt.

Mit dem Bau von immer mehr Einkaufszentren in der Innenstadt hat auch die Kritik zugenommen. Im zweiten Bezirk, wo nach „Mammut I“ im Jahr 1998 nur drei Jahr später auch noch ein „Mammut II“ seine Pforten öffnete, klagt die Bezirksverwaltung über zunehmende Verkehrsprobleme und Staus. Lokale NGOs wie die Association of Conscious Consumers analysieren die neuen Einkaufsgewohnheiten der Ungarn und stellen im Internet Informationen darüber bereit, wie man umwelt- und wirtschaftsfreundlich einkaufen kann. Denn die neue Warenwelt verlangt nicht nur oft eine Anreise mit dem Auto. Immer mehr kleine Produzenten und Läden haben mit der Konkurrenz internationaler Marken zu kämpfen. Eine Statistik der Association of Conscious Consumers zeigt den Zusammenhang zwischen dem Aufschwung von Shopping-Malls in Ungarn und dem Niedergang vieler Klein- und Einzelhändler.

Ausverkauf der Innenstadt

„Budapest ähnelt seit der Wende einem Kuchen mit Rosinen“, empört sich Erszébet Beliszay von der Organisation Clean Air Action Group. „Die Investoren sind wie dreijährige Kinder mit schmutzigen Händen, die sich die Rosinen rauspicken. Der Rest des Kuchens trocknet aus.“ Die 1988 gegründete non-profit Organisation ist inzwischen eine der größten in ganz Ungarn, sie bietet Rechtshilfe, führt Studien zur Luftqualität durch und behandelt Themen wie Verkehr, Grünflächen, Baugesetzgebung und Energie. Die Shopping-Malls stehen seit 1991 auf der Agenda der Clean Air Action Group. „Im Jahr 2000 gab es in Ungarn schon so viele Quadratmeter Verkaufsfläche pro Einwohner wie in Deutschland. Und seither sind noch mehr Zentren dazugekommen“, erklärt Beliszay. „Das größte Problem“, fügt sie hinzu, „ist wohl der Wildwuchs unserer Demokratie. Es gibt eine formale Demokratie, aber eigentlich wird nichts nach öffentlichem Interesse geregelt. Ein Riesenkonzern wie Auchan wird vom Staat genauso behandelt wie ein kleiner Ladenbesitzer.“

Die Schwierigkeiten, mit denen die kleinen Läden zu kämpfen haben, sind auf dem Körút, Budapests Ringstraße, besonders deutlich zu spüren. Die einstmals prächtigste Einkaufsmeile der Stadt hat ihr Gesicht in den letzten Jahren verändert. Viele Schaufenster sind mit Pappe oder Plastik verklebt, alte Ladenschilder erinnern an bessere Zeiten. Verkauft werden fast nur noch Gyros, Handyzubehör oder Secondhand-Kleidung. Dass dieser Eindruck nicht trügt, kann Miklós Marton von Studio Metropolitana bestätigen. Sein Büro hat 2007 eine bisher unveröffentlichte Studie über den Ringboulevard durchgeführt. Das Ergebnis: Ein Viertel der Geschäfte stehen leer, abgesehen von einigen frisch renovierten Nobelhotels dominieren „Junk-Shops“. „Um einen Mantel zu kaufen, ging man früher auf die Ringstraße“, erklärt Marton dieses Phänomen. „Heute geht man ins WestEnd Citycenter oder ins Arena Plaza.“

„Die Stadt ist kein Museum“

Doch der junge Urbanist wehrt sich gegen die Resignation vieler seiner Landsleute. Sein Credo lautet: Die Einkaufsstraßen in der Innenstadt müssen sich verändern, um konkurrenzfähig zu werden. „Wir brauchen ein bisschen Selbstkritik. Wir müssen uns fragen, was die Leute an den Shopping-Malls mögen und was die Probleme der kleinen Läden sind.“ Die Hauptprobleme hat Marton schnell aufgezählt: Die Öffnungszeiten - die Geschäfte am Ring schließen um 18 Uhr -, die Treppen zu den Läden, die oft weder Rollstühle noch Kinderwagen überwinden können, und die viel zu kleinen Verkaufsflächen und Schaufensterscheiben. „Das alles stammt noch aus dem 19. Jahrhundert. Aber die Stadt ist doch kein Museum. Sie muss auf die Herausforderung durch die Einkaufszentren reagieren.“

Studio Metropolitana unterstützt Initiativen von Ladenbesitzern, die in der Innenstadt die Idee der Einkaufsstraße wieder aufleben lassen wollen – mit gemeinsamen Projekten, Angeboten für Kinder und Straßenfesten. „Ich gehe doch auch mit meinen Kindern in die Shopping- Malls“, gesteht Marton. „Aber wenn Innenstadt attraktiver wird, werde ich natürlich hier einkaufen gehen.“ Er ist überzeugt: „Wir sind am Tiefpunkt der Stadtentwicklung angelangt, jetzt geht es wieder aufwärts. Budapest ist eine Stadt der Möglichkeiten!“

Mit Dank an Csilla Major

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