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Taufe als Karriereleiter: "Herzlich willkommen bei uns und bei Gott!"

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Gesellschaft

In Deutschland spielen kirchliche Einrichtungen wie die evangelische Diakonie oder die katholische Caritas eine wichtige Rolle im Sozialwesen. Diese wählen ihre Mitarbeiter nicht nur nach fachlicher Qualifikation aus – auch deren Konfession ist mitunter entscheidend. Lara R. arbeitete ein Jahr lang als Sozialarbeiterin in der Jugendhilfe des Diakonischen Werks.

Um eine bessere Chance bei der Bewerbung zu bekommen, ließ sich die junge Frau gegen ihre Überzeugungen taufen.

cafebabel.com: Wann ist bei Ihnen der Entschluss gereift, sich taufen zu lassen?

Lara R.: Nach Ende meines Fachhochschulstudiums „Soziale Arbeit“ musste ich erkennen, dass 80 Prozent der Jobs, auf die ich mich bewerben wollte, nur mit Konfessionszugehörigkeit zu haben sind. Teilweise stand diese Voraussetzung direkt in den Stellenausschreibungen. Bei meinem Bewerbungsgespräch in der Diakonie bin ich explizit danach gefragt worden. Da habe ich mich dann entschlossen, auf dem Papier Christin zu werden. 

cafebabel.com: Gab es besondere Präferenzen?

LR: Nein, ausschlaggebend war für mich nur, dass der ganze Vorgang möglichst schnell abläuft. Bei den Katholiken kann es bis zu einem Jahr dauern, man muss einen besonderen Glaubenskurs besuchen. Um evangelisch zu werden, reichen effektiv ein Monat und zwei Gespräche mit einem Geistlichen aus. Im Prinzip bestand meine ganze Vorbereitung aus einem Zeitaufwand von zweieinhalb Stunden.

cafebabel.com: Wie lief der Tag der Taufe selbst ab?

„Herzlich willkommen bei uns und bei Gott!“

LR: Eine Dreiviertelstunde vor der Tauffeier musste ich mir noch schnell das Apostolische Glaubensbekenntnis rein pauken. Meinen Eltern habe ich gar nichts gesagt. Nur einige Freunde haben mich in die Kirche begleitet. Gut fühlt man sich auf jeden Fall nicht dabei, vor der versammelten Kirchengemeinde ein Versprechen abzugeben, das man nicht ernst meint… Eher so, als würde man die Leute verarschen, tut man ja auch! Hinterher kam dann noch ein Mitglied der Gemeinde auf mich zu und begrüßte mich mit den Worten: „Herzlich willkommen bei uns und bei Gott!“

cafebabel.com: Bereuen Sie den Entschluss manchmal?

LR: Gegenüber der evangelischen Kirche als Institution habe ich überhaupt kein schlechtes Gewissen, wohl aber gegenüber den Gemeindemitgliedern und der Pastorin, die mich wahnsinnig herzlich und nett empfangen haben. Im Nachhinein wünsche ich mir, der Pastorin reinen Wein eingeschenkt zu haben. Damals habe ich mich nicht getraut - aus Angst, dass sie ‚Nein‘ sagt und ich arbeitslos werde. Später habe ich von einer Freundin erfahren, die es genau so gemacht hat. Und bei der hat es auch funktioniert.

Um einen Arbeitsplatz bei einem christlichen Träger in Deutschland zu ergattern, scheint manchmal kein Weg an einer Taufe vorbeizuführen

cafebabel.com: Letzten Endes sind Caritas und Diakonie Einrichtungen der christlichen Kirchen. Ist es da nicht verständlich, dass sie bei ihrer Mitarbeitersuche auf die „richtige“ Konfession achten?

LR: Das hängt von der Art des Berufs ab. Wenn jemand Diakon oder Priester werden will, sehe ich schon ein, dass man im Verein sein sollte. Total sinnlos empfinde ich diese Regelung dagegen für Menschen, die in einem christlichen Krankenhaus oder einem Altenpflegeheim arbeiten. Schließlich sind auch dort längst nicht mehr alle Patienten erzkatholisch, sondern vielleicht muslimische Türken oder Atheisten. Wenn schon die Klientel durchmischt ist, würde es viel mehr Sinn machen, auch die Mitarbeiterschicht zu durchmischen. Außerdem läuft nicht jeder, der als Kind getauft wurde, automatisch als Erwachsener mit einem christlichen Weltbild durch die Gegend…

cafebabel.com: Haben Sie von Ihrer Taufe irgendwas mitgenommen?

LR: Einen Job, mehr nicht. Mittlerweile arbeite ich allerdings bei einem privaten Träger und erwäge ernsthaft auszutreten. Die Kirchensteuer ist mir einfach zu teuer. Falls ich mich jemals aufs Neue bei einem konfessionellen Träger bewerbe, kann ich ja recht problemlos wiedereintreten. In manchen evangelischen Landeskirchen reichen dazu schon ein schriftlicher Antrag und ein kurzes Telefonat aus.

Hintergrund: In Deutschland spielen kirchliche Träger wie die evangelische Diakonie oder ihr katholisches Pendant, die Caritas, eine wichtige Rolle im Sozialwesen: sie unterhalten beispielsweise Kindergärten, Suchtberatungen und Krankenhäuser, die für jedermann offen sind. Dafür dass sie Aufgaben übernehmen, für die eigentlich der Staat zuständig ist, erhalten die christlichen Kirchen erhebliche Zuschüsse aus Steuergeldern und genießen besondere Ausnahmeregeln im Arbeitsrecht - selbst dann, wenn diese Regeln die individuelle Religionsfreiheit der Mitarbeiter einschränken.  Je nach Art des Jobs dürfen die Kirchen unterschiedliche Anforderungen an die Religiosität der Bewerber stellen. Leitungsfunktionen sind, vor allem bei den Katholiken, in der Regel Mitgliedern der eigenen Religionsgemeinschaft vorbehalten. Ansonsten gilt als Faustregel: Mitarbeiter einer anderen christlichen oder nichtchristlichen Religion können angestellt werden, solange sie versprechen, ihre Aufgaben im Sinne der Kirche erfüllen. Wer bewusst aus der Kirche ausgetreten oder Atheist ist, hat praktisch keine Chance auf Einstellung.

Fotos: Teaser: (cc)Wet and Messy Fotography/flickr und (cc)Wet and Messy Fotography/flickr; im Text: (cc)Esther Simpson estherase/flickr