Südosteuropa: Vergessen in der Flut
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Während die iberische Halbinsel unter einer enormen Dürre leidet, wird Bulgarien und Rumänien von einer Flutkatastrophe heimgesucht. Opfer sind vor allem die armen Bevölkerungsschichten. Doch die Politik reagiert nicht, und der Rest der Welt schaut weg.
Während Portugiesen und Spanier unter einer tropischen Hitzewelle leiden und sich nach Regen sehnen, steht Südosteuropa seit Ende Mai unter Wasser. Doch die europäische Öffentlichkeit nimmt kaum Notiz von der Tragödie in Rumänien und Bulgarien. Fernsehen und Presseagenturen im Westen widmeten dem Thema nur knappe Meldungen.
Seit Ende Mai haben heftiger Regen, Blitz und Hagel den Tod von mehreren Dutzend Menschen und tausenden von Nutztieren in Bulgarien und Rumänien verursacht. Die bulgarische Presse berichtete über einen alten, kranken Mann, der einsam in seinem Häuschen im Flutwasser ertrank. Im Westen hörten nur wenige von den rund 10.000 zerstörten Häusern in Bulgarien und Rumänien. Da es sich größtenteils um Gebäude handelt, die ohne amtliche Genehmigung errichtet wurden, werden die Bewohner keine Entschädigungen durch Staat oder Versicherungen erhalten. Die Betroffenen denken derweil mit großer Sorge an den kommenden Winter, der in der Region oftmals Temperaturen von bis zu Minus 20 Grad erreicht. Rund ein Fünftel der Weizenfelder in Bulgarien standen unter Wasser, ein großer Teil der Ernte wurde vernichtet. Straßen, Brücken, Eisenbahnlinien und Wasserleitungen in beiden Balkanländern wurden zerstört, viele Regionen blieben ohne Strom und Gas. Indessen steigen die Lebensmittelpreise. In Bulgarien, wo der durchschnittliche Monatslohn um die 130 Euro liegt, bedeuten die Preiserhöhungen für viele Menschen Nahrungsmangel in den kommenden Monaten.
Ignoranz der Politik
Doch statt sich um die leidende Bevölkerung zu kümmern, zeigte sich die politische Klasse konfus und brachte lieber ihre eigenen Schäfchen ins Trockene. Während der rumänische Premierminister Tariceanu seit Anfang Juli schwankt, ob er nun zurücktreten soll oder nicht, feilschten die Parteien nach den Wahlen in Bulgarien um Ministerien und Macht wie auf einem orientalischen Bazar. Die Wahlverlierer versuchten kurz vor der Abdankung wertvolle Grundstücke in der Hauptstadt oder an der Schwarzmeerküste zu selbst bestimmten Dumpingpreisen zu ergattern. Den kleinen Mann ohne Dach und ohne jede Lebensgrundlage vergaßen alle Politiker von links bis rechts. Alles, was der scheidende Finanzminister Milen Velchev angesichts der Katastrophe vollbrachte, war ein Bittbrief an die Europäische Kommission: In Bulgarien fehle ein großer Teil des Geldes für die Deckung des Flutschadens von rund 125 Millionen Euro. Doch nicht nur die Kommission ist aufgefordert, den Blick auf die Misere der Bevölkerung der Kandidatenländer zu richten: Die sich häufenden klimatisch bedingten Katastrophen gehen uns alle an, vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer.