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Studenten-App: Schläfst du noch oder jodelst du schon?

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WienLifestyle

Wir haben ein neues Social-Media-Spielzeug bekommen: „Jodel“ nennt sich der neue Zeitvertreib, der dich endlich wissen lässt, was dein Campus gerade denkt.

Ein Klassiker: Der Monolog des Professors ist mal wieder zum Einschlafen und du kramst in der Tasche nach deinem Smartphone, um dich abzulenken. „Wenn das mit den Veganern und Vegetariern so weiter geht, sehe ich mich in Zukunft mit meiner Rostbratwurst schon draußen bei den Rauchern stehen“, jodelt da zum Beispiel ein anonymer Student in die virtuelle Campus-Runde.

Die Jodel-App ist eine Art anonyme WhatsApp-Gruppe mit Menschen in deiner unmittelbaren Umgebung. So kann man beispielsweise mit Unbekannten über die aktuelle Vorlesung lästern oder schlicht und einfach die Seele baumeln lassen und sich über Belanglosigkeiten austauschen. Internetaffine Menschen werden von der App bereits aus den USA gehört haben. Dort ist sie unter dem Namen Yik Yak bekannt. In den deutschen und deutschsprachigen Hörsälen im Ausland wird seit 2014 gejodelt, was das Zeug hält.

Hinter dieser organisierten Zeitverschwendung steckt Alessio Avellan Borgmeyer, Student an der RWTH Aachen. Die Idee kam dem 24-Jährigen während eines Auslandssemesters in Kalifornien. Damals arbeitete er noch an TellM, einer App, mit der Geheimnisse im eigenen Telefonbuch geteilt werden konnten. Von Anfang an legte er den Schwerpunkt auf die Anonymität der Nutzer. Dies gilt auch für Jodel. „Uns ist es wichtig, dass der Inhalt vor dem Nutzer kommt“, erklärt Alexander Linewitsch, PR- und Produktmanager, am Telefon. 

Finanziert wird die App durch Risikokapital. Darunter sind Atlantic Labs, die zum Beispiel soundcloud oder goeuro unterstützen, Global Founders Capital, die Investitionen in facebook, Linkedin, trivago und jimdo tätigten sowie Tenderloin Ventures. All sie machen Jodels‘ Erfolgszug möglich.

Seit neuestem auch an der Uni Wien

Prägnante Unterhaltung, Anonymität, Massenintelligenz - obwohl Jodel eigentlich der Inbegriff des Internets ist, findet das Marketing offline statt. Bunte Flyer in den Hörsälen bewerben den Download der neuen App für Android und iOS, und das mit Erfolg – auch in Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland, Schweiz und Spanien wird eifrig gejodelt. Um die 900.000 Nutzer sind schon Teil des anonymen Community–Erlebnisses geworden. Und europaweit sollen noch mehr gelangweilte Studentenherzen erobern werden.

Früh morgens um 9 Uhr lasse ich mich auf das Ablenkungsmanöver ein und probiere die Jodel-App in der Uni aus. Nachahmung nicht empfohlen, passt lieber in der Vorlesung auf. Innerhalb von wenigen Minuten erscheint ein kleiner orangefarbener Waschbär auf meinem Display und fragt mich, ob ich in eine Gletscherspalte gefallen sei. Misstrauisch aktiviere ich meinen Standort. Nur so kann ich erfahren, ob jemand in meiner Nähe eingeloggt ist und ebenfalls in der Vorlesung einschlummert. 

Zugegeben, Jodel ist schon witzig. Es bietet schnelle, kurze, einigermaßen aktuelle Unterhaltung und Ablenkung vom Uni-Alltag. Es erweitert außerdem das Modewort Prokrastination um ein weiteres Feld, was viele Jodler mit einem weinenden und einem lachenden Auge zugeben würden.

Wie damals in den Alpen

Was die App außerdem interessant macht, ist, dass jeder User anonym bleibt. Die Benutzeroberfläche ist einfach gehalten: weißer Text auf buntem Hintergrund. Es wird über Ideen, Sorgen, Probleme, Liebe und Leben gejodelt und wenn sich ein Jodler mal einsam fühlt, startet er einen Aufruf zum gemeinsamen Biertrinken.

Der User drückt seine Zustimmung oder Ablehnung durch Up- und Downvoting aus. Die beliebtesten werden die „lautesten Jodel“ genannt und haben sozusagen den höchsten Unterhaltungswert.

Genau dieses Voting-System stellt ebenso das Kontrollsystem dar. Im Zuge einer Amokdrohung via „Jodel“ in Schweden taucht die Kehrseite der Namenlosigkeit auf. Inhalte, die von der Masse als anstößig oder beleidigend wahrgenommen werden, verschwinden durch die negative Bewertung aus dem Feed oder können gemeldet werden. Genügt dies nicht, gibt es den technischen Ansatz, Nutzer von der App ganz zu sperren.

Karma statt ECTS

Als Belohnung für fleißiges Voten gibt es Karma zum Sammeln. Wofür diese Sammelaktion gut sein soll, ist nicht ganz klar. Aber während man den Karma-Anstieg mit großem Vergnügen beobachtet, sieht das Phänomen bei den eigenen ECTS leider anders aus. „Tu Gutes und dir wird Gutes widerfahren“, erklärt Linewitsch das Belohnungssystem für die Treue zur App. Man darf also gespannt bleiben.

In unsere Unterhaltungsgesellschaft passt Jodel jedenfalls perfekt, noch ungehemmter als auf facebook und twitter wird jeder Gedankengang festgehalten und jede Alltagsgeschichte mit lustigen Hashtags verfeinert.

Mit Anonymität kommt eben auch eine Art Geborgenheit. Und in Konfrontation mit den ungefilterten Gedanken einer uneinsehbaren Gruppe fühlt man sich dann nicht mehr ganz so allein.

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Ich bin ein Wiener. Dieser Text stammt von unserem Localteam cafébabel Wien.