Stuck Magazine: eine neue Plattform für Kunst und Subkultur
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Jakob L. FrankEs war kein leichtes Jahr : in ganz Europa kämpfen Zeitschriften angesichts sinkender Werbebudgets und vieler weiterer Herausforderungen in der Coronakrise um ihr Überleben. Doch all das konnte die zwei jungen Kreativen Marius Thielmann und Jacopo Borrini nicht davon abhalten, ein eigenes, neues Projekt zu gründen. Das "Stuck Magazine", dessen erste Ausgabe noch im Frühjahr erscheint, will "neue Methoden des Überlebens und des Erfolges” durch künstlerisches Ausdrucksvermögen ergründen.
Ein Photograph erzählt von seiner letzten Arbeit im Iran. Eine deutsch-kurdische Modedesignerin enthüllt, wie ihr tägliches Leben ihr Handwerk beeinflusst. Ein Künstler berichtet offen über den zerstörerischen Einfluss, den die Digitalisierung auf den Markt für zeitgenössische Kunst hat. Tänzer, Tätowierer, Musiker, Maler: sie alle geben persönliche Einblicke in ihr künstlerisches Schaffen. Dies sind nur einige der Inhalte, mit denen das Stuck Magazine versucht, seine Leser anzuregen, sich mit Subkulturen auseinanderzusetzen.
Das erst vor zwei Monaten gestartete brandneue Printmagazin und Webportal beschäftigt sich mit den Zweifeln, Ängsten und systemischen Problemen, denen junge Kunstschaffende die Stirn bieten müssen. "In den Medien spricht kaum ein Künstler die sozialen Missstände an", erzählt Herausgeber Marius Thielmann. "Doch gerade die Kunst bietet ideale Alternativen, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Wir beschäftigen uns auch mit der Pandemie und der Frage, wie Künstler mit ihr umgehen. Diese Zeiten sind für uns eine Fahrt in der Achterbahn der Gefühle."
Marius und sein Freund Jacopo Borrini sind die kreativen Köpfe hinter dem Projekt. Die beiden 29-jährigen haben sich ursprünglich in Berlin kennengelernt, doch durch die Coronakrise mussten sie ihre Arbeit in Telcos und Zoom-Meetings verlagern. Jacopo ist erstmal nach Italien zurückgekehrt, während Marius in Deutschland geblieben ist.
Von Anfang an waren sich die zwei Freunde einig, dass das Stuck Magazine auf Englisch erscheinen soll, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Ihre eigene unabhängige Zeitung zu gründen - das war, wie beide es beschreiben, ein "Herzensprojekt".
"Die Idee kam von Jacopo", erzählt Marius. "Während seiner Zeit als Photograph in Australien war er viel mit Künstlern in Kontakt. Ihm fiel auf, wie viele Geschichten sie zu erzählen haben. Wir finden, dass auch Künstler - und nicht nur ihre Werke - Geschichten und Botschaften auf sehr authentische Art und Weise vermitteln können."
Unter den letzten Künstlern, die Jacopo und Marius für ihr Projekt interviewt haben, ist Rafaella Braga. Die gebürtige Brasilianerin lebt in Berlin und benutzt ihre Pinsel und Leinwände, um ihre eigenen Lebenserfahrungen zu verarbeiten: "In meinen Augen sind alle unsere Ängste damit verbunden, dass wir über die Vergangenheit die Zukunft nachdenken. Diese Ängste in Liebe umzuwandeln ist das Gleiche, wie im Hier und Jetzt zu sein. Dem widmen sich meine Gemälde."
Die Druckfassung: großer Aufwand für Nichts?
Schnell waren Marius und Jacopo sich einig, dass sie ein klassisches Printmagazin wollen. Denn selbst in unserer digitalisierten Welt hat das Gedruckte Vorteile. "Im Gegensatz zu Onlineartikeln bieten gedruckte Medien ein geschlossenes System. Ohne ständig von Werbung abgelenkt zu werden, kann man viel tiefer in Themen eindringen", erklären sie. Beide freuen sich auf den anstehenden Druck der ersten Ausgabe: "Wir brennen vor Ungeduld, das Magazin in unseren Händen zu halten, es zu riechen."
Um unabhängig zu bleiben, finanziert sich das Stuck Magazine vollständig selbst. Die beiden hoffen dabei auf Unterstützung über eine Fundraising-Kampagne, die gerade gestartet wurde. "Es ist jetzt wichtig, dass wir genug Geld zusammenbekommen, um die gedruckte Fassung realisieren zu können", erklärt Marius optimistisch. Die litauische Druckerei KOPA gibt der Zeitung gerade noch den letzten Schliff. Von hier aus wird sie dann im Frühling nach ganz Europa verschickt.
Die beiden Freunde haben sich die Arbeit aufgeteilt: Jacopo, der einen Abschluss in Grafik-Design hat, erstellt das Layout der Zeitung. Marius kümmert sich um den Inhalt. Der Deutsche schreibt gerade an seiner Masterarbeit über "The Management of Creative Industries" (Management in der Kulturbranche, Anm. d. Üb.), die sich in großen Teilen auf das Projekt der beiden bezieht: "Ich beschäftige mich mit dem Einfluss von Printmagazinen, die in der Welt der unabhängigen Medien eine zentrale Rolle einnehmen. Sie schaffen Vertrauen und ein Zusammengehörigkeitsgefühl"
Marius und Jacopo sind sich darüber im Klaren, dass der Markt hart umkämpft ist. Zitty, Berlins älteste urbane Zeitschrift, die schon seit fünf Jahrzehnten regelmäßig erscheint, musste wegen der Pandemie ihren Newsroom schließen. Kulturelle Publikationen sind von den Lockdowns in vielen europäischen Staaten besonders betroffen. Doch es gibt auch Positives zu berichten, wie z.B. Nieschenzeitungen, die online erfolgreich sind. Marius ist überzeugt, dass ihr digitales Angebot neben der gedruckten Version gut laufen wird: "Unser Produkt ist recht exklusiv. Das allein ist ein Grund dafür, dass wir am Anfang nicht so viele Zeitungen drucken werden. Mit unserer Online-Ausgabe konnten wir schon sehr viele Menschen erreichen. Viele von ihnen haben uns bereits ihre Unterstützung zugesagt"
Das kleine Redaktionsteam von Stuck Magazine hat es dank des weitreichenden Netzwerkes seiner Mitglieder geschafft, für die Erstauflage eine große Bandbreite von Interviews zusammenzustellen. Künstler aus der ganzen Welt haben auf ihre Anfragen geantwortet. Miriam Partington und Rebecca Took, zwei Autorinnen aus Großbritannien, haben dabei eine wichtige Rolle gespielt, indem sie ihnen sowohl konzeptuelle Hilfe als auch sprachliche Unterstützung angeboten haben.
Bis die Erstausgabe erscheint sind Marius und Jacopo nun damit beschäftigt, Inhalte für ihre Website und für ihre Social-Media-Kanäle zu produzieren: "Wir haben begonnen kleine Künstlerportraits, Artikel und Interviews hochzuladen. Die, die interessiert sind, können sich bereits jetzt durch einige der Geschichten klicken."
Auch Augmented reality und QR-codes soll es im Stuck Magazine geben, um Druck- und Onlineausgabe besser miteinander zu verbinden. So sollen die Codes den Lesern online Zugang zu Bonusmaterial verschaffen. "Auf diesem Weg ist es möglich, die Schwierigkeiten, mit denen die von uns vorgestellten Künstler kämpfen, hautnah zu erfahren.", verspricht Marius.
Doch bei aller Begeisterung, die das junge und ambitionierte Duo versprüht : es besteht kein Zweifel, dass mit den nächsten Monaten auch auf sie viele weitere schwere Herausforderungen warten.
Cover picture: Rafaella Braga All rights reserved. © Leonor von Salisch
Translated from Introducing Stuck Magazine: a new platform for art and subculture