StEureotypen: Werben mit Klischees
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In der Werbung werden Stereotypen über andere Nationen für die Kommerzialisierung bestimmter Produkte instrumentalisiert. Aber kann es in Europa irgendwann auch einen Euro-Spot geben?
Spätestens seit Angelo, der Werbe-Italiener mit Charme, starrrrrrkem Akzent und Cappuccino eine Blondine besänftigte, um dann schelmisch zuzugeben, er "habe garrrrr kein Auto" und die Französin in schwarzer Spitzenwäsche sich lasziv bei 'Arald auf dem Bett räkelte, sind Stereotypen aus der deutschen Werbung nicht mehr wegzudenken. Immer mehr Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen nutzen Klischees, um ihren Produkten ein länderspezifisches Image zu verpassen. Und das europaweit. IKEA spielt auf den schwedischen Mittsommer an - Ricola beschwört den Schweizer Erfindergeist. Es wimmelt von "frischen Franzosen", der Pole klaut - versteht sich. Und während die paradiesvogelartig gekleideten Spanier in Villarriba schon wieder trinken können (Fiesta!), schrubbt Villabajo noch an der verkrusteten Paella-Pfanne.
In Europa sind diese werbewirksamen Spielereien mit Klischees und Vorurteilen durchaus beliebt. Während der kürzlich ausgetragenen Rugby-Weltmeisterschaften in Frankreich wurden Anspielungen auf vergangene Schlachten des Zweiten Weltkriegs benutzt, um das britische Bier Spitfire Ale zu bewerben: 'One code the Germans will never crack' (Ein Code, den die Deutschen niemals knacken werden) bezieht sich sowohl auf die Regeln des Rugby-Union als auch auf die Manipulation der deutschen Verschlüsselungssysteme im Krieg. In einem Pepsi-TV-Spot, der zur Zeit der Fußball-WM 2006 ausgestrahlt wurde, findet sich eine Hitparade der Klischees über Deutschland: Internationale Fußball-Stars besuchen ein Bierzelt und erleben dabei genau das, was man im Ausland oft mit Deutschland in Verbindung bringt - Schuhplattler, Jodeln und Lederhosen, kurzum: ein bayrisches Potpourri.
Klischee zu verkaufen
Entgegen der weitläufigen Idee, Stereotype seien etwas ausschließlich Negatives, werden sie in der Werbebranche bewusst eingesetzt - einerseits, um bestimmte positive Assoziationen beim Zuschauer zu wecken wie zum Beispiel den guten 'Geschmack' der Italiener und Franzosen, andererseits, um den Zuschauer über oftmals liebenswerte Differenzen zum Schmunzeln zu bringen. Dr. Teresa Pinheiro, Juniorprofessorin für 'Kulturellen und Sozialen Wandel' an der TU Chemnitz, setzt sich intensiv mit dem Phänomen auseinander. "Stereotype bieten Orientierung in einer komplexen und heterogenen Welt. Somit ermöglichen sie uns eine heuristische Annäherung an diese Welt", so die Dozentin. Generell gelte aber: Wenn bestimmte Eigenschaften wie die Nationalität mit spezifischen Erwartungen verknüpft werden, kann dies leicht zu Kommunikationsschwierigkeiten und negativen Vorurteilen führen.
Obwohl für eine Großzahl an Werbefilmen immer noch gern in der Klischee-Kiste gewühlt wird, hat sich in den letzten zehn Jahren eine kleine Revolution auf dem Anzeigenmarkt angekündigt: die europaübergreifende Kampagne. Der Europäer ist mobiler, er verreist häufiger und ist zunehmend auch mit den Kulturspezifika seiner Nachbarländer vertraut. Immer mehr Agenturen berücksichtigen in ihren Kampagnen zumindest die 'Schlüsselländer' Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland. So hat beispielsweise der Interaktive Europäische Werbeverein (EIAA) in seinem 2006 aufgestellten Werbebarometer festgestellt, dass sich mit dem Euro-Spot sowohl Kosten einsparen lassen als auch eine "Kontinuität in der Botschaft" geschaffen wird. Andererseits weist der Organismus aber auf die Schwierigkeit hin, diese "eine, globale Message" zu kreieren und bedauert den Verlust der Kenntnisse über die lokalen Märkte.
Euro-Spot: Zukunftsvision oder Utopie?
Strawberry Frog hat den Trend längst verstanden. Die multinationale Werbeagentur mit Sitz in den Niederlanden arbeitet in 16 verschiedenen Sprachen und hat 350 Freelance-Spezialisten strategisch über den gesamten Globus verteilt. "Woran wir uns halten, sind Interessengruppen mit der gleichen Denkweise, die dieselben Blogs besuchen und ein gemeinsames MySpace teilen", erklärt Kreativchef Mark Chalmers dem englischen Magazin New Media Age. "Nationale Identitäten werden über Grenzen hinaus verbreitet."
Dass ein Werbespot eine breitere Zuschauerschaft erreicht, macht auch der Konflikt um einen deutschen Media Markt-Spot aus dem letzten Jahr deutlich: die multinationale Elektrofach-Kette hatte "polnische Fußballfans als 'clevere Diebe' dargestellt, die das Personal bis auf die Unterhosen ausraubten". Klischee - ick hör dir trapsen: der Spot stieß beim polnischen Nachbarn auf herbe Kritik und wurde umgehend zurückgezogen.
Wie sieht er also aus, der Euro-Spot? Brauchen wir einen StEureotyp, wie Telegraph-Journalist Mark Steyn in einer bissigen Glosse formulierte, einen "widerwärtig nach Knoblauch stinkenden, betrunkenen, homosexuellen Stierkämpfer im Konzentrationslager, der sich im organisierten Verbrechen auskennt?" Oder sollte man mehrere Klischees in einem Spot frontal aufeinander prallen lassen, wie es Renault neuerdings vormacht? Um die Sicherheit seiner Fahrzeuge zu demonstrieren, lässt der Automobilhersteller verschiedene nationale Plattitüden kollidieren. Nur der Aufprall der beiden Franzosen endet in einem 'French Kiss'. Chauvinistisch - sagt der Eine. Klischee - brüllt der Andere. Schade nur, dass der Spot gar nicht aus Frankreich kommt, sondern von der anderen Seite des Rheins, aus der Hamburger Agentur Nordpol.