Steuerflucht: Depardieu wird Russe
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Der französische Schauspieler Gérard Depardieu besitzt seit dem Wochenende einen russischen Pass. Er hatte gegen die hohen Steuern in Frankreich protestiert und daraufhin von Wladimir Putin die russische Staatsbürgerschaft angeboten bekommen. Einige Kommentatoren werfen Depardieu vor, sich von Russlands Präsidenten instrumentalisieren zu lassen.
Andere äußern Verständnis dafür, dass der Filmstar versucht, dem aufgeblähten Sozialstaat zu entkommen.
Protagon: Verständnis für Depardieu und die Rolling Stones; Griechenland
In Frankreich hat Gérard Depardieu für die Verlagerung seines Wohnsitzes nach Belgien im Dezember und die Annahme der russischen Staatsbürgerschaft heftige Kritik geerntet. Nikos Orfanos äußert auf dem Webportal Protagon.gr hingegen Verständnis: "Was bedeutet denn die EU? Offene Grenzen und freien Kapitalverkehr, richtig? […] Das Problem beginnt, wenn sich der Patriotismus in den Kapitalverkehr einmischt. Wie ist es möglich, dass eine Regierung fordert, Kapital an einem Ort zu belassen, um es durch Steuern abzutragen? Heutzutage ist Geld Luft. Es wandert hin und her, und wer versucht, es einzusperren, ist bestenfalls naiv. [...] Gewinn ist schon seit Ewigkeiten die treibende Kraft für persönlichen Erfolg. Genauso wie der Erwerb materieller Güter. Dies wird sich niemals ändern. Dort wo dieses Prinzip gewaltsam ausgehöhlt wurde, sind die Gesellschaften verwelkt. [...] Ich habe Verständnis für Depardieu. Und auch für die Rolling Stones, die ein Leben lang aus wirtschaftlichen Gründen staatenlos waren." (08.01.2013)
ABC: Grenzen zwischen Solidarität und Populismus verschwimmen; Spanien
Die Steuerflucht des französischen Schauspielers Gérard Depardieu trifft bei seinen Landsleuten nicht nur auf Kritik, sondern zunehmend auch auf Verständnis, beobachtet die konservative Tageszeitung ABC: "Das liegt vielleicht daran, dass immer mehr Leute verstehen, dass sich der Sozialstaat nicht endlos ausdehnen lässt. Dass der unersättliche Drang der Sozialisten, den Sozialstaat - der ihnen politisch so viel Erfolg gebracht hat - immer weiter zu vergrößern, nicht finanzierbar ist. Dass nicht nur die Wohlhabenden, sondern auch die Angehörigen der Mittelschicht müde geworden sind, einen Mammut-Staat zu bezahlen, in dem die Grenzen zwischen Solidarität und Populismus zunehmend verschwimmen. In Frankreich, Depardieus Heimat, zahlten die reichsten zehn Prozent 1975 noch 62 Prozent Einkommenssteuer. 2011 waren es bereits 74 Prozent. Und ginge es nach Politikern wie Hollande, würden die Steuern unendlich steigen, so wie die öffentlichen Ausgaben in den USA. So weit wie eben nötig ist, um nicht auf die populäre und populistische Sozialpolitik zu verzichten, die die Wiederwahl garantiert." (08.01.2013)
Polityka Online: 'Nützliche Idioten' - die alte Lenin-Weisheit bleibt bestehen; Polen
Nach Gérard Depardieu liebäugelt auch Filmstar und Tierschützerin Brigitte Bardot mit einer russischen Staatsbürgerschaft. Sie gab am Freitag bekannt, diese zu beantragen, sollte ein Zoo in Frankreich zwei kranke Elefanten einschläfern. Wie westliche Intellektuelle zu Sowjetzeiten werden beide Promis doch nur von den russischen Machthabern instrumentalisiert, glaubt das linksliberale Nachrichtenportal Polityka Online: "In einem Brief, der im ersten russischen Fernsehen vorgelesen wurde, freut sich Depardieu, dass Putin ihn mag. Er habe zudem den französischen Präsidenten Hollande überzeugt, dass das Russland unter der Führung von Putin 'eine bedeutende Demokratie' sei. [...] Russland wurde in der Geschichte schon immer gepriesen. Einer, der sich darüber gewundert hat, war Lenin. 'Nützliche Idioten' nannte der Diktator westliche Intellektuelle, die unkritisch den Bolschewismus unterstützten und sich über die Kritik am Vaterland des Welt-Proletariats empörten. Zeiten und Regierungen ändern sich. Doch die alte Lenin-Weisheit bleibt bestehen." (08.01.2013)
Adevărul: Verdreht - Asyl für alle, die mit dem Kapitalismus nicht mehr klarkommen; Rumänien
Schauspielerin Brigitte Bardot eifert ihrem Kollegen Gérard Depardieu nach und kündigte an, aus Protest gegen den mangelhaften Tierschutz in Frankreich nach Russland abwandern zu wollen. Die Tageszeitung Adevarul findet das völlig verdreht: "Hätten wir je gedacht, dass Russland für Leute wie Bardot und Depardieu eine Oase der Freiheit wird, ein Land, das weder Mensch noch Tier diskriminiert? Russland ist bereit, all denen politisches Asyl zu währen, die mit dem Kapitalismus nicht mehr klarkommen. Und es werden noch weitere Anfragen kommen. Wenn Sie es nicht glauben, schauen Sie sich auf YouTube einen Film an, wo Putin auf einem Benefizkonzert singt. Sharon Stone, Kevin Costner, Kurt Russell und auch Depardieu erheben sich, emotional überwältigt und völlig begeistert, die Stimme eines so großen Mannes zu hören." (08.01.2013)
Illustrationen: Teaserbild Raspoutine (cc)raspoutine-lefilm.com; Im Text (cc)Movilh Chile/flickr; Video (cc)SpiegelTV/YouTube