Stéphane Guillon und Didier Porte: Schluss mit lustig!
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Wenn einigen der Mund zugeklebt wird, ergreifen andere das Wort - am 1. Juli war dies der Fall. Vor dem Gebäude von Radio France in Paris, wo aufgebrachte Hörer und Mitarbeiter des Senders France Inter gegen die Entlassung der beiden Humoristen Stéphane Guillon und Didier Porte demonstrierten.
Ausnahmsweise gaben sich die zwei Satiriker an diesem Tag wortkarg, als hielte das imaginäre Klebeband ihre Münder verschlossen; dafür sprachen andere für sie, für die Redefreiheit und für ein Radio, unabhängig von Einflüssen der mächtigen Staatsmänner.
Die Stimmung war erhitzt, am 1. Juli um 18 Uhr vor dem kolossalen Gebäude von Radio France in Paris - und dies lag nicht nur an den 36 Grad Celsius. Unter tosendem Applaus und Bravo-Rufen kämpften sich Stéphane Guillon und Didier Porte durch die Masse auf die kleine Bühne vor einem bereitgestellten Radiowagen. Gefeiert wie Popstars - oder gepriesen wie Märtyrer. Mit der Begründung „des übersteigerten Humors, der in einer Morgensendung deplatziert sei“ waren die Verträge von Guillon und Porte beim staatlichen Radiosender nicht verlängert worden. Was ist passiert?
"Augen wie ein Steinmarder" - das geht zu weit!
Bis vor kurzem gab Stéphane Guillon den Franzosen zu deren ersten Kaffee um 7.55 Uhr mit seiner Kolumne auf France Inter etwas Zynismus mit in den Tag. Fünf Minuten lang nahm der 46-jährige Humorist französische Politiker und nicht selten auch seine Vorgesetzten, den Präsidenten von Radio France, Jean-Luc Hees und Philippe Val, den Präsidenten von France Inter und guter Freund von Carla Bruni-Sarkozy, aufs Korn. Im vergangenen März brachte Guillon das Fass dann anscheinend zum Überlaufen. Er betitelte den französischen Minister für Einwanderung, Integration und nationale Identität, Eric Besson, als "Mata Hari der Politik Frankreichs" und machte den ehemaligen Sozialisten als Verräter derer indirekt für die guten Wahlergebnisse der Front National verantwortlich (früher war Besson in der Parti socialiste, heute ist er stellvertretender Generalsekretär der konservativen UMP (Union pour un mouvement populaire"). Angekreidet wurden Guillon jedoch vor allem die Beschreibungen von Eric Bessons Erscheinungsbild: Dass Guillon Bessons Augen mit denen eines Steinmarders verglich und sein Kinn als „ausweichend“ betitelte, soll einfach zu viel gewesen sein. Noch am selben Tag erschien Eric Besson im Studio von France Inter und kurz darauf entschuldigte sich Jean-Luc Hees öffentlich bei Eric Besson. Die reuige Aktion des Radio France-Präsidenten schockte wiederum diejenigen, die für ein vom Staat unabhängiges Radio einstehen.
Val hilft Carlita ihr neues Album zu schreiben
Zur Demonstration am 1. Juli um 18 Uhr ergriff als erstes Marie-Hélène Elbaz im Namen der Gewerkschaften von Radio France das Wort: „Dieses Jahr wurde das absolute Limit erreicht. Nun sagen wir „Nein“. Stéphane Guillon und Didier Porte sind aus politischen Gründen entlassen worden“. Elbaz spricht von „politischer Zensur. Radio France steht im Dienste der Bürger und wir wollen kein Radio des Staates“, fügt sie weiter an. „Non, non, non!“ schreit die Masse und Elbaz scheint den Versammelten aus dem Herzen zu sprechen. Endlich wird Stéphane Guillon das Mikrofon überreicht. Dieser spricht aber kaum in seinem Namen, sondern imitiert Präsident Nicolas Sarkozy: „Hees ist ein Freund. Val hilft Carlita (Carla Bruni) ihr neues Album zu schreiben…“ Damit nimmt der Satiriker das vetternhafte Verhältnis des Radio France-Präsidenten und des Präsidenten der Republik auf die Schippe. Im Mai 2009 wurde Hees von Sarkozy zum Präsidenten von Radio France ernannt.
Daraufhin ergreift Guillons Kollege Didier Porte das Wort, um seinen ehemaligen Vorgesetzten Jean-Luc Hees in drei Wortgruppen zusammenzu fassen: "Geringschätzung seiner Hörer, Zynismus vis-à-vis der Medien und Brutalität gegenüber seinen Mitarbeitern." Zudem bringt der Humorist ein weiteres Thema zur Sprache: Die Art und Weise der 'Entlassung'. „Es ist angenehm, von seiner eigenen 'Entlassung' in der Zeitung zu lesen“, sagt Porte, womit er sich auf das Interview mit Jean-Luc Hees in der Tageszeitung Le Monde vom 23. Juni bezieht.
Stéphane Guillon: Symbol der Redefreiheit oder zensierter Märtyrer?
Brigitte Baly ist eine der über 2000 Demonstranten. Sie demonstriert zum ersten Mal in ihrem Leben, weil sie sich als Bürgerin nicht mehr respektiert fühlt. „Für mich sind Guillon und Porte zwei Symbole“, sagt Baly. Stéphane Guillon, heute zwar allbekannt, musste lange auf seinen Erfolg warten. Seine Karriere erlebte Konjunktur, als Guillon sich als Kolumnist über die Herren Politiker ausließ und deren empörte Reaktionen als Mittel zum Erfolg nutzte. Die auf Guillon selbst bezogene Aussage von Präsident Nicolas Sarkozy „Er ist beleidigend, er ist vulgär, er ist bösartig“ verwendete der Humorist als Slogan auf seinen Plakaten für die eigene Show.
England Sinn für Humor - Italien weniger
Ein ähnlicher Fall wie jüngst in Frankreich ereignete sich 2002 in Italien. Der Komiker Daniele Luttazzi wurde gefeuert - beziehungsweise ähnlich wie im Fall Guillon/Porte wurde sein Vertrag nicht verlängert - nachdem er in seiner Late-Night-Show auf der RAI den Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi kritisiert hatte. Dieser betitelte Luttazzis Aktion als „kriminellen Missbrauch“ an einem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender und proklamierte, dass es die Aufgabe der RAI-Chefdirektion sei, dafür zu sorgen, dass dies nicht wieder vorkomme… einige Monate später arbeite Luttazzi nicht mehr für die RAI.
Gänzlich anders sieht es für Humoristen in England aus. In einer tief verankerten Kultur von Satirik und schwarzem Humor strahlte in Großbritannien vor den Präsidentschaftswahlen der Channel4 rund um die Uhr Sendungen mit Humoristen aus, die sich über die zu wählenden Politiker lustig machten, ohne dass irgendwelche Sanktionen folgten.
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Ob Stéphane Guillon und Didier Porte nun zu weit gegangen sind oder ob sie von ihrer Entlassung als Märtyrer des Systems gar profitieren, ist subjektiv. Was die zahlreichen versammelten Demonstranten aber klar zeigten, ist, dass ein öffentlich-rechtliches Radio gefordert ist, damit es weiterhin unabhängig vom Staat und dessen Einflüssen senden kann. Aus diesem Grund wurde von Hörern und Angestellten des Senders bereits eine Petition lanciert, die Unterschriften für ein unabhängiges öffentliches Radio sammelt. Vor der Demo hatten bereits über 50.000 Menschen die Petition unterzeichnet. Und der emotionalen Stimmung nach werden es mittlerwerile wohl noch eine ganze Menge mehr sein.
Fotos: Stéphane Guillon: ©Siren-Com/Wikipedia; Zugeklebter Mund: ©Galerie de photos de [JO]² - Immortal Lens -( Youssef Hanna) /flickr