Steffen Möller, der „nette Nachbar“
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In Deutschland ist er ein Niemand, in Polen ist er ein Star. Vor zehn Jahren ging Steffen Möller von Wuppertal nach Warschau, um Deutsch zu unterrichten. Heute kennt ihn jeder in Polen, als den lustigen Deutschen aus dem Fernsehen.
„Das hier ist meine Lieblingsrestaurant“, sagt Steffen Möller, und stößt die Türe zu einem schicken italienischen Restaurant auf. „Hier gehe ich besonders gern hin, da hinten ist mein Tisch." Mit diesen Worten dirigiert mich Steffen Möller an einen gemütlichen Ecktisch.
Draußen, an der Kreuzung Johannes Paul II./Ecke Solidarnosc-Straße liegt die neblig-trübe Wintersuppe wie eine belegte Zunge über dem ewig grauen Ostblockcharme der polnischen Hauptstadt. Drinnen wartet ein West-Paradies: Schöne Frauen und smart gekleidete Herren sitzen auf unverschämt gemütlichen Lederbänken unter himmelhohen Stuckdecken. An schwarzen Holztischen wird in der Mittagspause gefachsimpelt, mal auf Polnisch mal auf Englisch. Dazu trinkt man schwarzen Tee aus Kännchen und bestellt Pizza Ruccola und Spaghetti „Frutti di mare“. Herzlich willkommen im neuen Polen.
„Ich wollte immer in Italien leben“
Mittendrin sitzt Steffen Möller, ein eher unauffälliger Typ mit akkuratem Kurzhaarschnitt, in Jeans und Pulli, die „Gazeta Wyborcza“ unter dem Arm – seine Lieblingszeitung, wie ich später erfahre. Der Mittdreißiger fühlt sich sichtlich wohl und genießt die Blicke der Bedienung, die aufmerksam jede seiner Bewegungen zu deuten versucht. „Ich wollte eigentlich immer in Italien leben, in Florenz,“ meint der ehemalige Theologiestudent. „Aber da hat es mir nun gar nicht gefallen.“
Ein zweiwöchiger Sprachkurs in Krakau hat ihn während seines Studiums von seinem Italien-Komplex befreit, wie der Exil-Deutsche sein Faible nennt. „Ich hab einfach gespürt, dass mir die Mentalität der Polen liegt.“ Mit 25 hat Steffen Möller dann tatsächlich rüber gemacht – einziges Gepäck ein Abschluss in Theologie und Philosophie. Und rudimentäre Polnischkenntnisse.
Der nette deutsche Nachbar
Zunächst verdiente er sein Geld als Deutschlehrer an einem polnischen Gymnasium, später gab er Konversationskurse an der Uni in Warschau. Doch nach sechs Jahren hatte er genug von lärmenden Schülern und sprachfaulen Studenten. “Ich hatte damals eine Art Umbruchkrise und bin nach Krakau gezogen.“ Mit glänzenden Augen erinnert er sich an seine ersten Gehversuche als Kabarettist in Krakau und seinen ersten Radioauftritt in der Sendung von Artur Andrus, dem Harald Schmidt von Polen. Ein zweiter Platz bei einem Kabarettwettbewerb verhalf ihm schließlich zu einer Rolle in Polens beliebtester TV-Serie „M jak Milosc“ („L wie Liebe“) und damit zum Durchbruch.
„Die Serie ist das gesellschaftliche Ereignis in Polen, der absolute Straßenfeger.“ Die Worte sprudeln selbstsicher aus ihm heraus. „Die wird von 10 Millionen Menschen gekuckt und läuft zur Primetime.“ Steffen Möller ist in Polen der Vorzeige-Deutsche. Der "nette Nachbar“, der als Bauer Frittierkartoffeln anbaute, mittlerweile ein Pub betreibt und das Pech in der Liebe gepachtet hat. „Für viele Polen auf dem Land bin ich der einzige Deutsche, den sie je kennen gelernt haben,“ kommentiert Möller seine Rolle. „Es gibt zwar immer mehr Polen in Deutschland, aber das ist eher die Ausnahme.“ Damit wird er zur Leitfigur, die das Bild der Deutschen in Polen maßgeblich beeinflusst. Alles was Steffen Möller in der Fernsehserie sagt oder tut ist gleich „typisch deutsch“.
Europa kann man mögen
Ausnutzen würde der bekennende Politikmuffel seine Position jedoch niemals, sagt er. „Für mich ist es angenehm, dass ich mich aus solchen politischen Sachen raushalten kann,“ meint der Wahlpole. „Wenn ich mir überlege, wie viel Zeit ich verloren hätte, im Vorfeld der Bundestagswahlen in Deutschland, wenn ich immer mit Freunden hätte diskutieren müssen.“
Die eingesparte Zeit hat Steffen Möller aber längst mit anderen Dingen vertan. Vor drei Jahren startete er seine eigene Fernsehshow „Europa da sie lubic“ ("Europa kann man mögen"), eine Art Talkshow in der er mit europäischen „polnophilen“ Gästen seiner Lieblingsbeschäftigung nachgeht – der Ergründung der europäischen Mentalitätsunterschiede. Dabei gilt: Vaterländische Subjektivität erwünscht. Außerdem moderierte er die erste Staffel des polnischen „Wetten dass...?“ und hat begonnen, ein Buch über das polnische Gemüt zu verfassen. „Mein Buch ist ganz unwichtig, wichtig ist nur die polnische Mentalität,“ betont er.
Das Bundestverdienstkreuz am Revers
Bewusst klammert der erfolgreiche Kabarettist kritische Themen aus seiner Show aus. Polenwitze sind zwar drin, aber bitte ohne politische Spitzen und ganz bestimmt papstfrei. Denn wenn Steffen Möller etwas gelernt hat, dann ist es die polnische Mentalität zu respektieren und sich in Zurückhaltung zu üben. „Die deutsche Direktheit, die kommt hier gar nicht an,“ berichtet er. “Man sagt hier Kritik nicht direkt ins Gesicht. Man sagt gar nichts, nur in Extremfällen ein paar ganz harmlose Worte.“
Aber auch ohne politischen Anspruch – oder gerade deswegen – sammelt der Medienstar Preise wie andere Leute Briefmarken. Neben dem begehrten polnischen Fernsehpreis „Telekamera“ wurde ihm sogar schon das deutsche Bundesverdienstkreuz ans Revers geheftet.
Ganz unter uns, Herr Möller, denken Sie mal an die Zeit zurück, bevor Sie ein Star waren. Warum sind Sie denn nun wirklich in Polen geblieben? „Weil mir die Mentalität gut gefallen hat, die Sprache und die Menschen – und natürlich die Frauen.“ Genau, die Frauen. Eine fürs Leben hat er noch nicht gefunden, dafür aber die Liebe seines Lebens: „eine Liebe von eins zu 40 Millionen.“