Staycation auf Balkonien
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Er ist ein echtes Sommerkind: geboren aus der Krise 2008 lungert er nun schon seit zwei Jahren in Europa herum und wartet auf seine Sternstunde. Die ist jetzt da und ein kleiner Neologismus somit total im Trend.
Es scheint so, als gäbe es sie schon ewig, dabei feiert die Weltwirtschaftskrise erst ihren zweiten Geburtstag. Und im Zuge dieser Festlichkeiten wird ein Begriff mit reichlich Aufmerksamkeit beschenkt: staycation setzt sich aus den englischen Wörtern stay (bleiben) und vacation (Urlaub, Ferien) zusammen.
Das ergibt nicht nur einen Neologismus, sondern ein veritables Lifestyle-Phänomen. Dieses ist - der Krise sei Dank - von den Amerikanern zu den Europäern übergeschwappt. Denn finanziell gesehen läuft es gerade bei vielen eben nicht so rund, alles wird teurer, der jährliche Strandurlaub fällt deswegen flach. Die Lösung: Urlaub zu Hause, staycation!
Ferien zu Hause, viele Europäer sind "im Trend"
Franzosen und Engländer, ansonsten groß darin, ihre Unterschiede zu pflegen, haben sich den Begriff zu Eigen gemacht. In einer Studie gaben 2008 ganze 60 Prozent der befragten Franzosen an, dass sie ihren Urlaub vermutlich chez soi ("bei sich" zu Hause) verbringen werden. In England waren 59 Prozent der Befragten dazu bereit. Home, sweet home. In Spanien hat man den Trend ebenfalls erkannt und opfert seinen Auslandsurlaub, um die strauchelnde Tourismusindustrie zu retten.
In Italien kennt man angeblich weder den Begriff, noch das Phänomen staycation. Tatsächlich betreibt man hier eine ganz besondere Art des Heimurlaubs: Jahr für Jahr verstecken sich zahlreiche Italiener während der Ferien in ihren Häusern, weil das Geld für einen richtigen Urlaub fehlt (wenn das nicht die höchste Form von staycation ist, was dann?). Die Pflanzen werden den Nachbarn zur Pflege übergeben, das Auto woanders geparkt, Urlaubssouvenirs per Internet bestellt. Und all das nur, um den Eindruck zu vermitteln, man wäre weggefahren. Psychologen nennen dieses Phänomen vacanze talpa (Maulwurf-Ferien).
In Deutschland gilt seit jeher das Sprichwort: „Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?“. Oder auch: „Ob Norden, Süden, Osten oder Westen, zu Hause ist es doch am Besten“. Den Begriff staycation wird man im deutschsprachigen Raum nicht hören - dafür macht man hier Urlaub auf Balkonien. Das klingt immerhin wie ein exotisches Urlaubsziel.
Wohin wird der staycation-Trend noch führen? Menschen in Bikini und Badehose im Museum, die Naherholung und Strandurlaub miteinander verbinden? Eine noch nie dagewesene Umsatzsteigerung in der Reiseführer-Branche durch den Verkauf von staycation-Guides? Und wie nennt man einen Menschen, der zu Hause Urlaub macht - Staycationer? Balkonier? Darüber kann Maulwurf-Europa diesen Sommer sinnieren - auf Balkonien natürlich!