Stabilität statt Populismus
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Nele YangNach dem spektakulären Aufstieg Pim Fortuyns im Jahr 2002 hoffen die rechtspopulistischen Parteien in den Niederlanden bei den Parlamentswahlen auf Zulauf. Doch die Wähler zieht es nach links.
Es gab Zeiten, in denen war die niederländische Politik langweilig, aber verlässlich. Diese Zeiten gehören schon lange der Vergangenheit an. Die Blitzwahlen dieses Monats sind das Ergebnis des zweiten Versagens einer Regierung in vier Jahren politischer Misere. Bittere Resignation, Intrigen, Morddrohungen und sogar Mord haben den Ruf der vorbildlichen holländischen Politik beschmutzt. Dennoch scheinen ersten Meinungsumfragen zufolge die Wähler bereit zu sein, ihre verloren gegangene Stabilität wieder herzustellen. Sie kehren den zerstrittenen Rechtspopulisten den Rücken.
Gegen das rechte Establishment
Alles begann mit dem spektakulären Aufstieg Pim Fortuyns im Endspurt der Parlamentswahlen im Jahr 2002. Als extravaganter Populist stellte Fortuyn den Multikulturalismus offen in Frage. Er kritisierte den Islam und nahm damit einen Standpunkt ein, den viele Politiker mieden, weil sie Angst hatten, als Rassisten abgestempelt zu werden. Die Ermordung Fortuyns durch einen Tierschutzaktivisten eine Woche vor dem Wahltermin verhalf seiner Politik zum Erfolg: Fortuyns Parteikollegen, größtenteils Amateur-Politiker, wurden mit 26 Sitzen die zweitstärkste Kraft im Parlament.
Ohne ihren charismatischen Chef begann die List Pim Fortuyn (LPF) jedoch auseinander zu fallen. Darauf folgte weniger als ein halbes Jahr später die Regierungsauflösung. Die LPF existiert zwar immer noch. Sie hat allerdings stark an Glaubwürdigkeit verloren und verfällt seither. Laut der jüngsten Umfragen würde sie keinen einzigen Sitz im Parlament bekommen.
Die Kampagne gegen Einwanderung lebt
Viele neu entstandene Splitterfraktionen konkurrieren untereinander, um die so genannte „rechte Lücke“ zu füllen. Unter ihnen sind die „Freiheitspartei“ unter dem Ex-Liberalen Geert Wilders, die One NL, die gemeinsam vom ehemaligen LPF-Abgeordneten Joost Erdmans und Marco Pastors von Liveable Rotterdam geführt wird, und die „Partei für die Niederlande“ des ehemaligen LPF-Ministers Hilbrand Nawijn. Um die Stimmen, die einstmals allein der Fortuyn-Partei gehörten, streiten sich noch Gruppen wie die „Neue Rechte“, „Unsere Niederlande“ und „Forza! Niederlande“.
Fortuyns Vermächtnis ist nicht nur, die niederländische Einwanderungspolitik erstmals in Frage gestellt zu haben. Er verstand es auch, eine lange etablierte, selbstgefällige politische Elite durcheinander zu rütteln. Die Leichtigkeit, mit der Fortuyn auf die Bühne der Politik sprang, erinnerte die Niederlande an ihr demokratisches Grundwesen und inspirierte viele Unzufriedene, es Fortuyn gleichzutun. Anfang September erklärte die niederländische Wahlkommission, man habe für die Wahlen nicht weniger als 74 Anmeldungen von Parteien erhalten. Ein klarer Zuwachs im Vergleich zu den 45 Parteien, die in den zwei vorangegangenen Wahlen registriert gewesen waren. 24 Parteien erfüllten letztlich die Bedingungen für die Teilnahme an der Wahl. Illustre Bespiele aus dem Parteienspektrum sind die „Partei für Tiere“, die „Raucherpartei“, die „Partei der Jugend“ und die „Partei gegen Überbevölkerung“. Weitere Kuriositäten: „Alle Sind Eins“, „Wählt nicht“, „XyZyX4U2“ und die „PNVD“, auch bekannt unter dem Namen “Pädophilen-Partei”, deren Legalisierung zu Beginn dieses Jahres im In- und Ausland für Verärgerung sorgte.
Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass sich das Kunststück Fortuyns wiederholen wird. Ein so charismatischer Politiker ist nicht wieder aufgetaucht. Auch hat noch niemand erfolgreich die vielen zerstrittenen Ein-Mann-Parteien von einer Zusammenarbeit überzeugt. Außerdem scheint es, dass die bereits etablierten Parteien ihre Lektion von Fortuyn gelernt haben. Sie alle sind in der Einwanderungspolitik härter geworden und haben somit das vormals populistische Monopol eingestampft. In der Tat sind die Wähler des Themas Einwanderung langsam müde. Im Gegensatz zu den vergangenen zwei Wahlen wurde der Wahlkampf dieses Jahr von Wirtschaftsfragen dominiert.
Holländischer Linksruck
Vor allem jedoch scheinen die niederländischen Wähler genug von der Amateur-Politik à la LPF zu haben. Dies bestätigen auch die Meinungsumfragen. Trotz der zuversichtlichen Aussagen vieler Neo-Fortuyns werden nur einige wenige der Parlamentssitze auf ihre Parteien entfallen. Die meisten von ihnen sollten sich jedoch nicht zu große Hoffnung auf einen eigenen Sitz machen. Nicht nur die LPF und ihre Imitatoren werden von den Wählern gemaßregelt. Auch der Liberalen Partei stehen unterdurchschnittliche Wahlergebnisse in Aussicht, zum Teil aufgrund interner Führungsstreitigkeiten. Außerdem wird praktisch niemand für die Sozialliberalen stimmen. Sie werden von vielen für das neueste Scheitern der Regierung verantwortlich gemacht.
Anstatt also ihre Stimme dem rechten Parteispektrum zu geben, tendieren die Wähler nach links. Von dort soll die erhoffte wirtschaftliche und politische Stabilität kommen. Die Lokalwahlen vom März 2006 könnten eine Vorschau der Parlamentswahlen gewesen sein: Die Arbeiterpartei fuhr einen haushohen Gewinn ein und ließ die Christdemokraten und die Liberalen weit hinter sich zurück. Jedoch haben die Christdemokraten laut der Umfragen immer noch gute Chancen. Wenn man diesen Umfragen Glauben schenken darf, dann profitiert die Sozialistische Partei am meisten vom Chaos in der politischen Rechten. Diese traditionelle Oppositionpartei sieht sich zum ersten Mal als Anwärter auf die Regierung.
Translated from Who is Right?