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Sprache und Integration: "Das Wichtigste ist die menschliche Seite"

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Gesellschaft

Sarrazin in Deutschland, Sarkozy in Frankreich - die aktuellen Integrationsdebatten in Europa begnügen sich auf politischer Ebene in der Regel damit, den schwarzen Peter weiterzuschieben. Zum Europäischen Tag der Sprachen 2010 stellt cafebabel.com ein Projekt vor, bei dem Sprachen lernen und Integration Hand in Hand gehen.

Ein Gespräch mit Romain Galati, dem Gründer von Language Exchange International (LEI).

Anfang 2010 hat Romain Galati den Verein Language Exchange International (LEI) im französischen Valence gegründet. Ziel des Vereins ist es, Ausländern die Integration in der neuen Stadt zu erleichtern, indem sie mit Einheimischen ins Gespräch kommen. Dabei lernen sie die Sprache ihrer neuen Heimat und bringen den Einheimischen ihre eigene Sprache und Kultur näher. Inzwischen gibt es 22 LEI-Gruppen u.a. in Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien.

Romain, warum hast du LEI gegründet?

Romain GalatiRomain Galati: Weil es schwierig ist, sich als Ausländer in einem fremden Land zu integrieren, wenn man eine andere Kultur und eine andere Sprache hat. Außerdem ist es schwierig, im eigenen Land regelmäßig andere Sprachen zu sprechen oder Menschen aus anderen Ländern zu treffen, wenn man arbeitet oder studiert. Wir haben Language Exchange International gegründet, um so einen sprachlichen und interkulturellen Austausch zu ermöglichen. Zum einen geht es darum, Ausländern bei der Integration zu helfen und ihnen die Kultur des Landes näher zu bringen, in dem sie jetzt leben. Das zweite Ziel ist, Sprachen und Kulturen international, regional und lokal zu fördern. Wir wollen die Menschen zusammenbringen.

Wie funktioniert Euer Netzwerk genau?

Romain Galati: Am Anfang gab es acht Gruppen in Frankreich, Deutschland, Italien und der Ukraine, die jeweils eigene interkulturelle Veranstaltungen organisiert haben. Jede Woche gibt es zudem ein Sprachcafé, wo sich Menschen aus allen möglichen Ländern treffen. Engländer, Deutsche, Franzosen, Polen, Schweden, Italiener... Die Teilnehmer diskutieren in lockerer Atmosphäre und in vielen verschiedenen Sprachen. Eine gute Möglichkeit, die eigenen Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern und Menschen aus allen Ecken der Welt zu treffen. Inzwischen wächst das LEI-Netzwerk und es kommen immer neue Gruppen dazu, um die jeweiligen Städte in Orte internationaler Begegnungen zu verwandeln.

Stell Dir vor, Du gehst durch Valence und hörst jemanden in einer fremden Sprache reden. Sprichst Du ihn an und erzählst ihm von Language Exchange International?

Romain Galati: Jede Gruppe agiert auf lokaler Ebene und entscheidet eigenständig, wie sie die Veranstaltungen bekannt macht. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Leute zu erreichen: Zunächst einmal die Mund-zu-Mund-Propaganda, die sehr gut funktioniert. Wenn die Teilnehmer die Treffen mögen, dann erzählen sie ihren Freunden davon, die wiederum ihren Freunden davon erzählen. Wir haben unsere Internetseite, auf der alle wichtigen Informationen zu finden sind. Außerdem gibt es soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und Couchsurfing, die wir nutzen.

Wie läuft so ein Sprachcafé ab? Muss man die Landessprache sprechen - Französisch in Frankreich, Deutsch in Deutschland?

Romain Galati: Das Konzept ist ganz einfach: Die Leute kommen und diskutieren in der Sprache ihrer Wahl. Es gibt keine Verpflichtung für eine bestimmte Sprache und man muss auch die Landessprache nicht sprechen können. Alle Sprachen sind willkommen, allerdings werden oft verbreitete Sprachen wie Englisch, Spanisch, Französisch, Deutsch, Chinesisch gesprochen. Das Wichtigste ist, dass der Abend angenehm ist und die Leute sich kennenlernen. Die Sprache ist ein Werkzeug für die interkulturelle Begegnung, weil die Leute nicht nur kommen, um eine Sprache zu lernen, sondern um eine Kultur zu entdecken, eine andere Art des Denkens oder eine andere Art, die Welt zu sehen. Je mehr Sprachen vertreten sind, umso mehr Dinge gibt es auch zu entdecken.

LEI hat das Ziel, Ausländer bei der Integration zu unterstützen. Sind die Integrationsbeauftragten der Länder nicht in der Lage, diese Aufgabe zu erfüllen?

Romain Galati: Ich glaube, das Wichtigste ist die menschliche Seite, die bei LEI und ähnlichen Organisationen im Vordergrund steht und die ein Land auf administrativer Ebene niemals ersetzen kann.

Gibt es besondere Veranstaltungen zum Europäischen Sprachentag?

Romain Galati: Jede Gruppe veranstaltet ein besonderes Treffen an diesem Tag. Die Termine haben wir in der Datenbank zum Europäischen Sprachentag eingetragen. In Valence gibt es zum Beispiel einen mehrsprachigen Karaoke-Abend!

LEI in zehn Jahren - was hast du für Ziele für den Verein?

Romain Galati: In zehn Jahren hat LEI Gruppen auf der ganzen Welt. Die einzelnen Gruppen organisieren regelmäßig Austauschtreffen und Projekte untereinander. Zum Beispiel Exkursionen, Konzerte, Filme, etc. Die Städte werden internationaler und offener in Bezug auf die Mehrsprachigkeit und die Vielfalt der Kulturen. Die Menschen werden mehr Sprachen sprechen und eine natürliche Neugierde haben, andere Kulturen zu entdecken. Das wird die Freundschaft und das Verständnis zwischen den Völkern verbessern.

Fotos: (cc)pfv./flickr; ©LEI