Speed Artist Franck Bouroullec: Der Schnellstmaler
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TextwolffFranck Bouroullec ist kein Maler. Er ist „Perfomer“. Er arbeitet nicht, sondern „ hat irren Spaß:“ Innerhalb von vier Minuten zaubert dieser Extremkünstler Live-Porträts - und das kopfüber! Letztens hat er im schweizerischen Vevey zwei Hochhäuser mit Sozialwohnungen mit dem wichtigsten Kulturerbe der Stadt verhübscht: Charlie Chaplin. Und das in nur 46 Minuten und 37 Sekunden. Hut ab!
Unter der Herbstsonne hinke ich zum Zebra Café, um mich mit Franck Bouroullec zu unterhalten. Nein, nein, nicht mit den Brüdern Bouroullec, dem berühmten französischen Designer-Duo, sondern mit Franck Bouroullec. Wenige Schritte vom Pariser Maison de la Radio entfernt hat sich der Künstler in einem protzigen Kaffee mit mir verabredet. Ja, weil er France Info ein Interview gibt. Ja, weil Franck nicht einfach irgendjemand ist. Erst hat Franck Bouroullec den französischen Komiker Jamel Debbouze auf dessen Tournee begleitet, dann hat er Expressporträts von Beyoncé, George Clooney, dem Prinzen von Katar und ... dem Sohn von Roman Abramowitsch angefertigt. Dieser war damals gerade anderthalb…
Kurz und gut, als ich auftauche, unterhält Franck sich schon. Mit Leidenschaft, fast reißt es ihn vom Sitz, erzählt er seinen Pressesprechern eine der Anekdoten, die unser Interview aufmöbeln werden. Ich unterbreche ihn lieber nicht. Als er innehält, sieht er mich an und gibt mir mit einem Nicken das Startzeichen. Erste Frage: „Franck, worin besteht deine Arbeit?“ Pause. Antwort: „Ich habe irren Spaß. Das Wort Arbeit gibt es für mich nicht.“ Gut. „Weltweit sind wir nur drei Leute, die das machen. Und einer davon ist gestorben. Da gibt es keine Drängelei, denn zum Live-Malen hat kaum einer die Traute.“ Na gut, das muss man wohl näher erklären: Franck malt das Porträt einer Person, meist eines Stars, live und in Rekordzeit. Und das kopfüber auf einer Leinwand. „Ich funktioniere über Homothetie. Mit einem Zug kann ich freihändig einen perfekten Kreis zeichnen.“
Gipfelsturm zum höchsten Fresko Europas
Und um vor einem Publikum zu malen, das häufig Tausende zählt, braucht es: Talent, Training, einen gewissen Hang zum Risiko und keine Patzer. Franck stimmt zu: „Was mich anmacht, ist die Spannung, die diese ganze Performancesache hervorruft. Mittendrin hast du so ein Gefühl der Allgegenwärtigkeit. Als würde man auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen.“ Neben dem Adrenalin, ist auch die Performance der Sinn seiner Berufung: „Ich habe alles gedanklich vorbereitet. Was würde ich als Kunstmaler tun? Ich hasse es, wenn ich ständig einen intellektuellen Diskurs führen soll. Für mich besteht Kunst einfach nur darin, eine Idee als Erster zu haben. Gut, umgedrehtes Malen hatte ich noch nie gesehen.“
Natürlich hat Franck einige Vorbilder, die von Leonardo da Vinci bis Jackson Pollock reichen. Und dann ist alles ein Haufen optischer Standards mit betonter Vorliebe für Personen aus dem „kollektiven Gedächtnis“. Gestern war dies Che Guevara, den er vor den Castros gemalt hat, heute ist es Charlie. Tatsächlich wurde der Künstler von seiner Schweizer Gemeinde Vevey gebeten, zwei vom Zahn der Zeit angenagte Gebäude ästhetisch aufzupolieren. Franck hat beschlossen, hierfür Charlie Chaplin zu verwenden. Diesen kulturellen Leuchtturm der Stadt will er damit direkt in das Projekt einer Neugestaltung des öffentlichen Raums einbeziehen. So hat er dann bis zur Stunde mit zwei weiteren Wandmalern den Pinsel geschwungen und das größte grafische Werk Europas erstellt und zwar mit einer Fläche von 860 m2, 500 Kilo Farbe, 25 Pinseln, 40 Rollen Klebeband ... und einer Realisationszeit von 8 Wochen! Auch wenn es nicht im Rahmen einer Vorführung geschah, erklärt Franck: „Da haben wir trotzdem eine Performance draus gemacht!“
Obama auf dem größten Tiramisu der Welt
Doch trotz alledem antwortet Franck mir ohne Umschweife, dass das keine Lebensaufgabe sei: „Ich habe schon andere völlig durchgeknallte Sachen gemacht. Mit Kakaopulver habe ich ein Porträt von Obama auf das größte Tiramisu der Welt gestäubt: 2,4 Tonnen, 50 m2.“ Ein Rekord. Aber wo steckt dabei die künstlerische Aussage? „Die ist mir egal. Es bleibt eine Performance. Ich habe auch unter dem Gipfel des Montblanc gemalt, in mehr als 3000 Metern Höhe. Da waren es minus 15 Grad!“ Also, was bleibt ihm noch zu tun? „Ruhiger werden. Ich verbringe jede Woche Hunderte von Stunden im Flugzeug. Bei jeder Performance nehme ich 300 Gramm ab. Ich bin 43 Jahre alt ... “
Wenn er so viel reist, dann, weil man Franck überall dabei haben möchte. Als Künstler mit internationalem Ansehen flirtet er ganz gerne mit der internationalen Schickeria. „Ich bekenne mich dazu, ein populärer Künstler zu sein. Ich gefalle den meisten. Und ich kungele mit den Eliten - Eva Longoria, Fidel Castro. Später igele ich mich dann geradezu ein. Ich werde zu so vielen Partys eingeladen, aber ich gehe nie hin.“ Franck ist ein wenig explosiv. Doch sein Talent, die Ausdruckskraft und die Persönlichkeit verblüffen. Seine Mitarbeiterinnen drängeln und der Künstler verabschiedet sich, um zum Radio zu gehen. Und als er aufsteht, merke ich, dass er über 1,90 m groß ist. Das charakterisiert Franck Bouroullec vielleicht: Was auch immer man sich vorstellt, er übertrifft es noch.
Fotos und Video: mit freundlicher Genehmigung durch Olivia Goldman Communication; Video Jamel Debbouze, alexisnfs/YouTube
Translated from Franck Bouroullec, le peintre de l’express