Spanische EU-Ratspräsidentschaft: Politisches Kamasutra
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Barbara CantonDie Numantier brannten ihre eigene Stadt nieder, als sie der 13 Jahre währenden römischen Belagerung nicht mehr Stand halten konnten. Es gibt Parallelen zu Jose Luis Rodriguez Zapateros widerspenstiger Haltung während der spanischen EU-Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli zu Ende gegangen ist.
Die Ratsperiode verlief schleppend und war, obwohl Brüssel kräftig die Werbetrommel rührte, eher kümmerlich als ruhmreich.
Es wird gemunkelt, dass Nostradamus in seinem vierten Quartett über Spanien die Geschehnisse des 21. Jahrhunderts vorhergesehen habe:
"Vom Landtier benannt wird jener kommen, der die Iberer regiert, schwarze Könige anbetet und seltsame Religionen vertritt. Er wird seinen Palast füllen mit Narren und Schmeichlern und selbst eine Narrenmaske tragen, und mitbringen wird er Hunger, Armut und Verzweiflung."
Die Spanier sind darin geübt, über alles Witze zu reißen. Es fällt schwer der Versuchung zu widerstehen, in José Luis Rodríguez Zapatero die Hauptperson dieses jüngsten Scherzes zu sehen. Schließlich wurde er in der Provinz León im Nordwesten Spaniens geboren. Man musste nicht an Prophezeiungen glauben, um die katastrophalen Entwicklungen in Spanien seit 2009 kommen zu sehen. Während der spanische Premier nicht müde wird zu erklären, dass die verheerende Krise in Spanien nicht vorhersehbar gewesen sei, deutet ein vom Kreditinstitut La Caixa veröffentlichter Monatsbericht an, dass die spanische Wirtschaft sich seit der zweiten Hälfte des Jahres 2007 auf den Abgrund zubewegt hat. Versteht Zapatero Englisch? Vielleicht hatte keiner seiner zahlreichen Berater Zugang zu diesen Informationen. Jedenfalls ist nicht daran zu rütteln, dass irgendjemand hier nicht die Wahrheit sagt.
Deswegen ist die Lage gerade nicht besonders gut. Genaugenommen bestätigen die Zahlen der Regierung, dass die Lage ziemlich schlecht ist. Die sechsmonatige, spanische EU-Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli für das kommende halbe Jahr an Belgien geht, verlief schleppend und war, obwohl Brüssel kräftig die Werbetrommel rührte, eher kümmerlich als ruhmreich. Die 2005 von Spanien und der Türkei gemeinsam lauthals initiierte und unter UN-Schutzherrschaft stehende Allianz der Zivilisationen gibt es faktisch noch nicht - und mit einer baldigen Umsetzung ist wohl auch nicht zu rechnen. Spaniens Schuldenberg wächst in die Höhe, und die Arbeitslosenzahlen sind schwindelerregend.
In seiner Verzweiflung angesichts dieser Zahlen hat sich der ehemalige Meister des Optimismus und der Utopie in einen klassischen Neoliberalen verwandelt, der Gehälter um jeden Preis kürzt, das Rentenniveau einfriert und stärkere Einschnitte beim spanischen Wohlfahrtsstaat macht wie noch nie zuvor. Die bisherigen Höhepunkte der Abbitte Zapateros sind ein gemeinsamer Fototermin mit seinem ehemaligen Feind und italienischen Amtskollegen Silvio Berlusconi und unterwürfige Kniebeugen vor Papst Benedikt XVI. Zapatero ist ein radikaler Konvertit.
Bedenkt man, dass Zapatero einst darauf bestand, “den Sicherheitsgurt anzubehalten”, scheint es halb Spanien nun so, als habe er das Handbuch des politischen Kamasutras verinnerlicht, um alle Positionen einnehmen zu können, die ihn an der Macht halten. Noch vor kurzem legalisierte Spanien gegen den europäischen Trend viele seiner illegalen Immigranten. Zumindest in einem Punkt waren wir eigenständig. Es ist noch nicht lange her, dass Spaniens Regierung sich mit den Vereinigten Staaten unter George Bush in einem kalten Krieg befand. Der sogenannte „soziale Fortschritt“ ging so weit, dass der Premierminister sich vor den Wahlen 2008 nicht zu schade war, jedem spanischen Arbeitnehmer, der vorhatte, an den Wahlurnen „eine Atmosphäre des Erfolgs“ zu schaffen, 400 Euro zu geben. Früher hätte man so etwas als Stimmenkauf bezeichnet.
Aber Zapatero ist mit staatlichen Programmen streng konservativ geworden, ja, so extrem, dass er große Teile der Gesellschaft ärmer macht, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber er verschont die Banken und hört auf den Rat (Befehl) des Ecofin oder seines heimlichen Vorsitzenden, Barack Obama. Der Abbau des Sozialstaates ist so gravierend, dass niemand weiß, wann Spanien sich von den jüngsten sozialen Einschnitten erholt haben wird, falls dies überhaupt je gelingen wird.
Link zum Weiterlesen: Wirtschaftskrise - Schlechte Karten für faule Spanier
Die offizielle Begründung lautet natürlich, dass Zapatero das Land vor der internationalen Wirtschaftskrise schützen muss, die - wie üblich - aus den Vereinigten Staaten stammt (selbstverständlich aus der Bush-Ära, nicht etwa Obamas Regierungszeit). Und damit die Bürger sehen, dass nur getan wird, was getan werden muss, wird auf Deutschland und Frankreich verwiesen, wo ebenfalls Sozialleistungen und -Ansprüche gekürzt wurden. Wen kümmert es schon, dass hier konservative Regierungen am Steuer sitzen, die anders als ihre spanischen Kollegen auch vorher nicht nach links orientiert waren.
Auch Zapateros Ziel ist ein anderes. Hinter dieser „Alles ist möglich-Strategie“ verbirgt sich nichts als das Streben nach und den Erhalt von Macht. Einige Journalisten hörten zufällig mit, als er zu dem Präsidenten von Kantabrien am 8. Juni sagte, er wolle unbedingt seine Amtszeit zu Ende bringen. Es wäre naiv zu glauben, dass er nicht noch ein Ass im Ärmel hat. Es wird ihm nicht gelingen, die Wirtschaftskrise in den Griff zu bekommen. 2012 wird die Situation noch viel komplizierter sein als heute. Aber er wird nach wie vor als potentieller Kandidat in Frage kommen. Armes Spanien, und letztendlich auch armes Nordeuropa, denn hier betrachtet man das Geschehen im Süden entweder mit einem süffisanten Lächeln oder einem Gefühl der Selbstgefälligkeit. Nun sieht es so aus als würde sich das Misstrauen bestätigen, dass die Mitgliedschaft der südlichen Länder ein Risiko sei. Der numantische Widerstand wird noch viel erbitterter sein, denn Spanien kämpft nicht nur mit einer hohen Staatsverschuldung; das akuteste Problem ist der zunehmende Mangel an Liquidität. Spaniens fortschreitende Zahlungsunfähigkeit spiegelt sich in seinen leeren Kassen wider.
Der Autor ist Professor der Gegenwartsgeschichte an der Fakultät für Geschichte und Geographie der Universität in Sevilla.
Foto: ©Lee Cofa/flickr
Translated from Opinión: Numancia y la presidencia española de la Unión Europea