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Sookee: Sexismus stinkt - ausnahmslos

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Lara Hampe

CreativeFeminismus

Die Rapperin und Quing of Berlin ist Teil der Initiative von Feminist_innen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, die sich nach den Ereignissen in der Silvesternacht in Köln gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus einsetzt. Immer. Überall. #ausnahmslos. Interview

Wer hat sich zu #ausnahmslos zusammengefunden?

Im Wesentlichen haben wir eine Schnittmenge zwischen zwei Programmen: Einerseits Frauen, die vor drei Jahren den #aufschrei initiiert haben [von Anne Wizorek etablierter Hashtag, unter dem Frauen 2013 über Alltagssexismus twitterten; A.d.R.]. Und andererseits Frauen, die #schauhin [Programm gegen Alltagsrassismus] ins Leben gerufen haben. Wir alle haben uns dann in einer großen Runde per Skype zusammengesetzt und unsere Reaktion auf die Silvesterereignisse in Köln formuliert. Wir wollten reagieren und auch intervenieren, keinem Zugzwang folgen.

[Die Anti-Feministin und Autorin des Buches Gender Gaga] Birgit Kelle dreht durch und wirft uns vor, wir würden Täterschutz betreiben, indem wir uns nicht äußern. Wir haben sehr wohl eine Meinung dazu. Wir brüllen halt nur nicht sofort los, wir müssen uns Gedanken dazu machen und dann verhalten wir uns dazu. Es geht bei dieser Debatte ja genau darum, nicht das eine gegen das andere auszuspielen. In der medialen Darstellung ist aber genau das passiert: dieser Reflex, die Täter zu homogenisieren, sie pars pro toto zu setzen. Das hat uns echt gestunken: dass da Leute, die sich zu Sexismus normalerweise nicht äußern, auf einmal meinen, sie hätten dazu etwas zu sagen.

Sookee - "Mensch"/ Msoke "Burn Me"

Soziologin Necla Kelek will Flüchtlinge in Sachen Frauenbild briefen, wenn sie hier ankommen - was hältst du davon?

Alles was vereinfacht wird, ist ein Problem. Es bringt nichts, mit der deutschen Leitkultur zu argumentieren, zu sagen „Bei uns läuft das so“, Geflüchteten „deutsche Werte“ beibringen - das hat wirklich nichts mit Integration zu tun. Im Gegenteil: die Menschen, die hier ankommen, haben alle unfassbar unterschiedliche Biografien, Herkunft, Positionen, Erfahrungen. Diese nun als eine Kultur zusammenzufassen, der man die deutschen Werte beibringt, bedeutet Diskriminierung. Das nennt man neuen Rassismus. Dieser Habitus, so zu tun, als sei hier alles in Butter, ist pure Unverschämtheit. Nicht zuletzt, weil sie die Betroffenen von sexueller Gewalt oder Alltagssexismen verhüllt.

Fallbeispiel: eine junge Frau setzt sich für Geflüchtete ein, gibt vielleicht Deutschunterricht im Asylheim. Irgendwann möchte ein Geflüchteter näheren Kontakt. Sie will das nicht, möchte ihn aber nicht verletzen, ist er doch allein hier und hat schreckliche Dinge erlebt. Dein Rat?

Sensibles Beispiel. Aber auch ein interessanter Reflex, zu denken: da geht es jemandem schlecht und deswegen darf ich an dieser Stelle nicht für meine Grenzen sorgen. Respekt ist auch, sich klar abzugrenzen, zu sagen: nein, danke. Und darüber hinaus: das menschliche Gegenüber nicht darauf zu reduzieren. Und dann kommt es natürlich auf die Forderung dieses Menschen an: will der mit mir Tee trinken gehen oder nimmt der unberechtigterweise seine Hand nicht von meinem Knie? Dafür braucht es natürlich unterschiedliche Reaktionen. Die Kunst liegt aber darin, diese Person nicht auf eine potenzielle Täterschaft zu reduzieren, nur weil das gerade das mediale Bild ist.

Ist die aktuelle Debatte ein Ansporn, dich über deine Musik noch mehr zu engagieren?

Das ist nichts, was mir neu ist. Ich habe darüber schon mehrere Songs geschrieben. Über diese Intersektionalität und die Verzahnung von verschiedenen Ismen. Ich finde es allerdings unglaublich schwer, das textlich zusammenzufassen. Denken und Sprechen ist das Eine, abschließende Sätze zu formulieren, die dann so stehen bleiben und die der technisch vorgegebenen Rasterung von Rap-Lyrik entsprechen - das ist schon schwieriger. Wenn sich da jedoch von der Rezeptionsseite das Bewusstsein ein bisschen öffnen würde, würde ich mich noch mehr trauen.

Das musst du erklären.

Naja, mir wird immer vorgeworfen, meine Texte klängen wie ein Soziologie-Grundstudium: dicht, anstrengend, zu theoretisch. Den Vorwurf peile ich total, aber nicht, dass sich Politik und Unterhaltung immer ausschließen müssen. Ich wünsche mir, dass beides geht: verständlich zu sein und gleichzeitig inhaltlich nichts aufgeben zu müssen. Wenn eine öffentliche Debatte das Bewusstsein für mehr Gleichzeitigkeit erlauben würde, wäre schon ein Schritt getan.

Wie schaut es im Vergleich zu anderen Ländern aus - ist Deutschland da hinterher?

Ich glaube ja. In Deutschland gibt es ein nur paar Rapper, die soziopolitische Themen ansprechen: die Antilopen Gang, KIZ wird teilweise genannt, Zugezogen Maskulin; dann gibt es noch den Zeckenrap, der aus einem autonomen Umfeld kommt. Das Spektrum ist noch lange nicht ausgeschöpft. Man muss nur nach Großbritannien schauen: da gibt es viel mehr Rapperinnen im Vergleich zu Deutschland. Insgesamt haben sie dort viel mehr Spielraum: eigene Radioshows, große Touren, mehr mediale Präsenz. Und in den USA gibt es viel mehr queere Stimmen. Hierzulande gibt es da noch viel zu tun.

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Veranstaltungstipp von Sookee heute Abend: Die Initiative Pinkstinks lädt am 11.2. zum gratis Demokonzert im SO36 Berlin ein

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