Sommeruniversität in Debrecen: Migräne statt Strandurlaub
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Romy StraßenburgIch könnte so schön am Sandstrand vor mich hin träumen, eine Frauenzeitschrift zu meinen Füßen und auf den Schultern zeichnen sich die ersten Spuren von Sonnenbrand ab. Aber irgendwo versteckt sich mein ungarisches Grammatik-Buch in dem Zimmer, das ich mit zwei anderen Studentinnen teile. Denn alle drei haben wir entschieden, den ganzen Juli unser Ungarisch aufzupolieren.
Aber warum, warum nur, habe ich mich für eine Sommeruniversität in Debrecen im Zeichen der magyarischen Sprache entschieden?
Jetzt schlage ich schon die vierte Mücke unter der Dusche tot, trinke die zweite Flasche « termeszetes asvanyviz » („Mineralwasser“), die in weniger als drei Stunden absorbiert sein wird... Es ist der vierte Tag auf dem Campus von Debrecen, der zweitgrößten Stadt Ungarns. In diesem Jahr habe ich dem Strand eine Absage erteilt, um Vokabellisten zu pauken und mir an einem sonnigen Plätzchen die Konjugation ungarischer Verben einzuhämmern - bis dann am Nachmittag der rituelle Kopfschmerz einsetzt.
Das Schlimmste an der ganzen Geschichte ist jedoch, dass ich nicht alleine bin. Wir sind um die 150 Studenten aus fünfzig verschiedenen Ländern, die zwei bis vier Wochen ihrer kostbaren Ferien für die exotischen Laute der ungarischen Sprache opfern.
Wer sind diese Verrückten, die im Sommer die Schulbank drücken?
Zwei Drittel der tapferen Sommerstudenten profitieren von einem Stipendium, das die Kosten vor Ort deckt (der Unterricht ist enthalten). Ein ungarisches "All inclusive-Abenteuer"! Wohnen dürfen wir im Uni-Wohnheim auf dem Campus von Debrecen, zu dritt in einem Zimmer. Dazu gibt es Essen in der Mensa, der ultimative Ort des Gemeinschaftsgefühls und die kulinarische Variante unserer sprachlichen Schwimmversuche. Meine beiden Mitstreiterinnen bei diesem Abenteuer, Anna und Judit, sind ein solch köstlicher Genuss. Zu meiner Rechten die 23-jährige Italienerin Anna, die fließend englisch und deutsch spricht. Ungarisch hat sie bei einem Schulaustausch nach Budapest für sich entdeckt und anschließend einen Kurs an der Universität von Padua belegt, um die Sprache zu erlernen. Zu meiner Linken sitzt Judit, die Kanadierin ist und in Vancouver aufwuchs, aber eigentlich in Serbien als Kind ungarischer Eltern geboren wurde. Es ist das zweite Mal, dass sie bei der "debreceni nyari egyetem" (Debrecen-Sommeruniversität) mitmacht, um die Sprache aufzufrischen, weil sie kaum Gelegenheit hat, sie anderswo anzuwenden. Solche Geschichten findet man bei den meisten hier im studentischen Spaß-Bataillon.
Ungarisch bring (fast) nichts....
Aber so ganz umsonst verkriecht man sich man sich nicht im tiefsten Ungarn. Kaum jemand beginnt mit Ungarisch - dieser äußerst komplexen nicht indo-europäischen Sprache - aus beruflichen Gründen an. Der nötige Aufwand würde sich kaum lohnen. Besonders jetzt, wo das Land in einer fiesen Wirtschaftskrise steckt. Thibault, der Jurastudent aus Oxford, ist sich dennoch sicher, dass es ihm in der Zukunft nützlich sein wird. Er möchte eines Tages in einer großen europäischen Anwaltskanzlei arbeiten. Mein englischer Klassenkamerad beherrscht ebenso gut ungarische Suffixe wie das von der Grammatik vorgeschriebene Angleichen französischer Wörter: In den Klassenzimmern dieser Sommeruniversität häufen sich die kleinen Sprachgenies. Hier schockt mein Fall wirklich niemanden. Als mehrsprachige Journalistin bin ich keine Anfängerin in Sachen Sommeruni, die eine wunderbare Möglichkeit darstellt, eine neue Sprache kennenzulernen. Zur Sprache Esterházys bin ich eher per Zufall gekommen, als ich anfing, Reiseführer über Budapest und Ungarn für einen französischen Verlag zu schreiben. Seitdem verfolgt sie mich sogar soweit, dass ich im September nach Budapest ziehen werde. Die ungarischen Behörden haben mir dankenswerterweise ein symbolisches Stipendium gegeben, damit ich ein Jahr lang die Sprache und Kultur des Landes erleben kann.
Trotz des vielen Lobs von Seiten der Ungarn für meine Fortschritte und meine weit schweifenden Kenntnisse in Sachen Palinka (starker traditioneller Alkohol), bin ich noch weit davon entfernt zweisprachig zu sein. Die tschechische Studentin Markéta bestätigt, dass es "schwer ist, ungarisch im beruflichen Werdegang zu nutzen, wenn man nicht alle Feinheiten der Sprache beherrscht". Ihr Interesse an der Sprache ist vor allem sentimentaler Natur, denn ihr Freund ist Ungar.
… aus gutem Grund!
Und da sind wir schon bei dem Beweggrund Nummer Eins, um diese Sprache mit Fetisch für Endungen zu lernen: Liebesgeschichten. Zumindest dachte ich das. Entgegen aller Erwartungen sind die Sprachversessenen den "Lernenden aus Liebe" zahlenmäßig überlegen. Vincent ist um die 40 und unterrichtet Mathematik in Québec. Er hat sich entschieden, in die terra incognita Ungarisch einzutauchen: "Ich habe Ungarisch ganz allein gelernt und beherrsche die Schriftsprache ganz gut, aber ich habe nur wenig Gelegenheit, zu sprechen. Daher hab ich mich eingeschrieben. Ungarisch besitzt für mich eine unbestreitbare Logik." Andere Studenten aus Europa haben in ihren jeweiligen Universitäten eher nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, "weil eine Sprache immer nützlich ist", weil es in Ungarn diverse finanzielle Unterstützungen gibt... Und schließlich, warum auch nicht, so sagten sich die zahlreichen polnischen Teilnehmer in Bezug auf eine alte Weisheit, weil "Polen und Ungarn Schwert- und Saufbrüder sind".
Mehr lernen, mehr feiern
Wer hätte das gedacht, Sommeruni steht ganz und gar nicht für vergeudete Ferien. In Debrecen tut man alles, damit wir die Anstrengungen des morgendlichen Unterrichts vergessen, der zweifelsohne supereffizient ist (vier Stunden jeden Tag - außer am Wochenende).
Das Programm reicht von Folklore-Tanz, und Gulaschpartys über Ratespiele und Ausflüge an den Wochenenden, bis hin zu vielen anderen landestypische Amüsements. Das Resümee einer meiner Landsleute lautet: "Du besuchst eine Sommeruni auch, um tolle Leute zu treffen und zu feiern." Stimmt. Keiner lässt es sich entgehen, jeden Abend Party bis in die frühen Morgenstunden zu machen. Das Aufstehen wird dadurch allerdings nicht gerade einfacher.
Andere Orte, um die ungarische Sprache in Ungarn zu lernen: Institut Balassi, Universität Pecs, Universität Szeged.
Fotos : Artikellogo ©gávin/flickr; Alle Fotos des Artikels ©Hélène Bienvenu
Translated from Université d'été à Debrecen : migraine contre sable fin