Slowenien: Waffenhandel-Trilogie mit Sodbrennen
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Barbara CantonIn Slowenien hat eine zwischen Sommer 2011 und Frühling 2012 veröffentlichte Trilogie den geheimen Waffenhandel während des Balkankriegs und die Rolle, die Politiker der Länder dabei gespielt haben, enthüllt. Das hat den Mächtigen, Reichen und Einflussreichen, die das Buch anschwärzt, gar nicht gefallen.
Co-Autor Blaz Zgaga, 38 Jahre, hält sich zwar versteckt, aber zum Schweigen bringen lässt er sich nicht.
Die beiden Reporter hinter In The Name Of The State ('Im Namen des Staates'), einer Trilogie über Waffenhändler in Slowenien, deren letzter Teil Cover-Up ('Vertuschung') in diesem Frühjahr veröffentlicht wird, haben alle Hände voll zu tun. Gibt es ein Publikum, das mehr über die Rolle ihres Landes während des Jugoslawienkriegs von 1991-1995 wissen möchte? „Der Waffenschmuggel“, sagt Co-Autor Blaz Zgaga, „ist der Inbegriff des Skandals. Wir haben harte Fakten zusammengetragen, um die Verstöße gegen das UN-Embargo zu zeigen. Der Jugoslawienkrieg wurde nicht von einer kleinen Gruppe ausgetragen, sondern durch europäische Länder gesteuert.“ Blaz Zgaga passt auf seine Tochter auf, während wir über Skype telefonieren. Während man sie im Hintergrund lallen hört, macht er sich an eine enthusiastische, leidenschaftliche und bodenständige Analyse einer Geschichte, die ihn in den letzten vier Jahren völlig eingenommen hat.
Haben Sie den über den kroatischen Offizier schon gehört?
Zgaga gesteht ein, dass der Ruf Sloweniens blütenweiß ist. „Slowenien war eine Erfolgsgeschichte, ein Vorbild von einem kleinen Land im Wandel, das die USA und die EU brauchte. Es ist außerdem ein kleines, langweiliges Land, in dem es wirklich schwer ist, die Aufmerksamkeit der internationalen Presse zu erlangen, wenn etwas schief geht. Wir haben den richtigen Zeitpunkt gewählt, als wir 2007, kurz vor der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft eine Unterschriftensammlung gegen Zensur und politischen Druck auf Journalisten eingeleitet haben.“ Blaz brach in einen scheinbar 'unmöglichen' Kreuzzug auf, an seiner Seite einer der 571 Unterzeichnenden der Unterschriftenliste, Matej Surc, ein ehemaliger Radiokorrespondent in Belgrad und Washington, der „live vom bosnischen Schlachtfeld“ berichtet hatte.
2009 feierten sie einen großen Erfolg, nachdem ihnen ein Antrag auf Informationsfreiheit ermöglichte, vier Datenbanken auf Grundlage von 6 000 freigegebenen Dokumenten des Innen- und Verteidigungsministeriums aufzubauen, die Antworten auf viele Fragen lieferten, beispielsweise „Wie kann ein kroatischer Offizier mit 3 Millionen D-Mark die Grenze passieren und militärische Waffen bezahlen?“. Zgaga und Surc arbeiteten heimlich mit einer Kombination aus verschlüsselten E-Mails und vielen Autofahrten in der Hauptstadt. Das erste Buch Sell ('Verkauf'), das im Juni 2011 veröffentlicht wurde, hat seinen Schwerpunkt auf dem Export von Waffenlieferungen der ehemaligen jugoslawischen Armee, die während des Zweiten Weltkriegs in Slowenien konfisziert worden waren, zwischen dem 27. Juni und dem 7. Juli 1991. Dies war der erste Konflikt, mit dem das Land seit dem Zweiten Weltkrieg in Berührung kam.
Das einige Monate später veröffentlichte zweite Buch Resell ('Weiterverkauf') betrachtete das Thema aus einer internationalen Perspektive, in dem es waffenexportierende Länder wie Bulgarien, Rumänien und Russland in den Mittelpunkt stellte. Es liest sich wie ein actiongeladener Spionageroman. Wien diente als Zentrale, während in Budapest mit in Panama registrierten Unternehmen Geschäfte abgeschlossen und mehrere Millionen Dollar (über die Mafia in Odessa) an Waffenexporteure aus Polen und der Ukraine weitergeleitet wurden.
„Rote Dreckskerle“
Blaz erzählt, dass er manchmal die Motivation verlor. „Es ist ein gewaltiges Projekt, das uns viele schlaflose Nächte bereitet hat. Aber meine Kollegen haben mich angetrieben“, fasst er zusammen. Für jemanden, der am 19. November tausende von anonymen Morddrohungen über das Internet erhielt, klingt er erstaunlich aufgeräumt. „Es wurde öffentlich dazu aufgerufen, uns auszuschalten und uns in unserem eigenen Blut zu ertränken“, berichtet er weiter, bevor er darauf hinweist, dass es seine eigene Branche war, die als erste zum Angriff überging. „Es wurde in einem Propagandamedium einer Partei veröffentlicht. Sogar der Chefredakteur höchstpersönlich scherzte, dass wir uns als 'rote Dreckskerle' wiedererkannten, daneben ein Bild von uns. Das sind keine Journalisten, die das Interesse der Allgemeinheit verfolgen. Sieh dir doch an, wem diese Zeitungen gehören.“
Mitte der Nullerjahre wurden seine Kollegen ausgetauscht oder zensiert, weil sie eine andere politische Meinung hatten. „80% der Herausgeber wurden ausgetauscht. Ich hatte Probleme, meine Artikel zu veröffentlichen. Ich hatte den Ruf eines unbequemen Journalisten, weil ich immer alles hinterfrage“, kommentiert er die Durchsuchung seines Hauses während des Sava-Skandals im Jahr 2000, nachdem eine Operation des US-Geheimdienstes auf dem Balkan enthüllt w0rden war. Zgagas Nachname bedeutet 'Sodbrennen' – „also Unruhestifter“, ergänzt Blaz.
Zgagas kurze Karriere als Unruhestifter begann als 20-jähriger Soziologiestudent, der sich der linksliberalen Zeitung Delo anschloss, bevor er sich hocharbeitete. „Es war nicht meine Entscheidung, ein investigativer Journalist zu werden: Immer wenn ich tief genug grub, stieß ich auf dieselben Namen. Keiner will zugeben, dass wir es getan haben. Die Aktivitäten dieser korrupten Eliten, die aus diesem Waffenhandel hervorgegangen sind, bleiben weiterhin im Verborgenen. Das ist eines der größten Hindernisse für die Region. Schweigen ist das beste Beispiel für Geringschätzung.“ Bei seiner Mission hofft er darauf, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und die Gesellschaft eine Chance bekommt, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. „Am Kings College in London wird Kriegswissenschaft an der Fakultät für Geisteswissenschaften und Künste angeboten!“ vergleicht er. „Wenn man in einen beliebigen Buchladen in London oder anderswo geht, findet man Bücher über Kriege und Revolutionen in der Abteilung Geschichte.
In Slowenien war es der Verlag Sanje ('Träume'), der den Mut hatte, ein solches Buch zu veröffentlichen. Kann die Trilogie also ein Land, in dem sich die Machtverhältnisse gerade ändern, oder dessen Jugend beeinflussen? „Die Slowenen haben noch immer gesunden Menschenverstand“, verweist Zgaga auf die Wahlen am 4. Dezember, bei denen Janez Jansa, einer der Architekten des Waffenhandels, durch eine überraschende Niederlage der rechten Parteien aus dem Amt gewählt wurde. „In der Regel interessieren sich junge Menschen nicht für Politik“, fügt er hinzu. „Sie sind zu sehr damit beschäftigt, ums Überleben zu kämpfen. Aber am glücklichsten bin ich, wenn mich Leser anrufen oder ich sie treffe, und sie sagen mir, dass sie verstanden haben.“ Das ist wichtig, bedenkt man, dass Zgagas Slowenien jetzt „wieder langweilig“ ist.
Illustrationen mit freundlicher Genehmigung von ©Blaz Zgaga und Sanje Verlag
Translated from Slovenian journalist: death threats after arms trade trilogy