Slapstick im Grandhotel: Der silberne Bär 2014
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Ein zu stark parfümierter Concierge, ein Lobby-Boy mit aufgemaltem Schnäuzer und der mysteriöser Tod einer uralten schrulligen Gräfin bedeuten Erfolg. Denn der silberne Bär der 64. Internationalen Filmfestspiele Berlin geht an The Grand Budapest Hotel von Wes Anderson. Zu Recht? Eine Filmkritik.
Ein winziger, knallroter Fahrstuhl. Darin ein der Concierge und der junge Bewerber für den Posten des Lobby-Boys. „Warum möchtest du ein Lobby-Boy sein?“ fragt der Concierge, Monsieur Gustave H (Ralph Fiennes), den jungen Zero Moustafa (Toni Revolori). „Möchte das nicht jeder?“, antwortet dieser. So beginnt eine große Freundschaft und der Auftakt einer turbulenten Geschichte von Wes Anderson. The Grand Budapest Hotel heißt der neue Film, mit dem auch die Berlinale eröffnet wurde.
Schauplatz ist ein prächtiges Hotel in dem Kurort Nebelsbad, in der fiktiven osteuropäischen Republik Zubrowka. Zu Beginn der 1930er Jahre pflegt Concierge Monsieur Gustav ein inniges Verhältnis zu seinen Gästen. Liebschaften mit älteren Damen sind für ihn eine Selbstverständlichkeit. Eine davon ist die 84-jährige Madame Céline Villeneuve Desgoffe und Taxis, kurz Madame D (Tilda Swinton). Die schrullige Gräfin vermacht ihm ein wertvolles Renaissance-Gemälde. Das jedoch gefällt der Familie gar nicht. Kurzerhand türmen der Concierge und der Lobby-Boy Zero mit dem Bild im Gepäck. Was folgt sind Verfolgungsjagden um das Vermögen der verstorbenen Gräfin zu sichern. Außerdem wird der Versuch unternommen, den mysteriösen Tod von Madame D aufzuklären.
Offizieller Trailer zu The Grandbudapest Hotel von Regisseur Wes Anderson (2013)
The Grand Budapest Hotel ist eine fulminante Kriminalkomödie mit bittersüßem Unterton. Es ist ein Film über Loyalität und Freundschaft vor dem Hintergrund eines Europas, das sich dramatisch verändert. Der Film zeigt den Übergang vom goldenen Zeitalter zur faschistischen Machtübernahme. Zuletzt bekommen wir auch den Aufstieg des kommunistischen Regimes zu Gesicht. Wes Anderson hat für seinen Film ein ganz eigenes Universum geschaffen. Inspiriert von den Geschichten des österreichischen Schriftsstellers Stefan Zweig, reißt er die komplette Geschichte des 20. Jahrhunderts in Europa ab. Anderson unterstreicht das, durch eine sich immer wieder ändernde visuelle Ästhetik. So ist das Grand Budapest zu Beginn ein prachtvolles und luxuriöses Hotel mit vielen Schnörkeln und wunderbaren Details, das mit einer Zahnradbahn erreicht wird. Zum Schluss ist es lediglich ein funktionales Hotel ohne jeden Luxus. Das Schloss der Familie der Madame D hingegen trägt erste Kennzeichen einer faschistischen Machtübernahme. Alles in ihm ist dunkel und wirkt brutal.
Jeden Tag den Schnäuzer neu gemalt
Doch die heraufziehende Katastrophe macht sich auch in den Charakteren sichtbar. Wunderbar überzogene Charaktere hat Anderson da herausgearbeitet. So auch der Sohn der Madame D, Dimitri (Adam Brody): Sein Haar, seine Kleidung, seine Gedanken und Einstellungen – alles an ihm ist dunkel. Monsieur Gustav ist dagegen sehr elegant, immer auf sein Äußeres bedacht und auch ein wenig zu stark parfümiert. Er ist aber vor allem eines: loyal. Loyal gegenüber dem Hotel, seinen Gästen und seinen Freunden. Gleiches gilt für Zero Moustafa, der von ihm protegiert wird und genauso sehr auf sein Äußeres bedacht ist. So malt er sich jeden Tag einen Schnäuzer.
Und so verrückt wie die Charaktere sind auch ihre Handlungen. Es wird immer turbulent und sie erinnern mit ihren slapstickhaften, choreografierten Momenten an die Zeit der Stummfilme. Die wohl lustigste Szene ist dann die Rettungsaktion durch die „Gesellschaft der gekreuzten Schlüssel“. Der Geheimbund, eine komplexe Bruderschaft der besten Concierges (u.a. Bill Murray), eilt Monsieur Gustave zur Hilfe: Im Sekundentakt wird ein Concierge angerufen, der den Lobby-Boy informiert und daraufhin wieder einen Concierge anruft, der seinen Lobby-Boy informiert.
The Grand Budapest Hotel ist grell, ironisch und irritierend, genau wie Wes Andersons frühere Filme Die Royal Tenenbaums (2001) oder Darjeeling Limited (2007). Wes Anderson gelingt eine wunderbar kritische Komödie über eine dunkle Zeit in der Geschichte Europas.
Cafébabel Berlin bei der 64. Berlinale
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