Shitstorm im Anflug
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Was haben der Elefanten jagende spanische König und das israelkritische Gedicht eines deutschen Nobelpreisträgers gemeinsam? Beide waren im Netz einem so genannten „Shitstorm“ ausgesetzt. Ja, einem Sturm der Scheiße, wie die krude Übersetzung des amerikanischen Terms lautet, mit dem seit längerem so ungefähr jeder internetaffine Deutsche um sich wirft.
Als Shitstorm wird in Deutschland ein unkontrollierter Hagel an unzähligen, ziemlich fiesen und nicht besonders konstruktiven Kommentaren in Mails, Internetforen oder Social Networks bezeichnet. Diese online-Schmutzkampagne richtet sich meistens gegen Personen in der Öffentlichkeit, aber auch gegen Firmen oder Parteien. Das Wort stammt ursprünglich aus den Vereinigten Staaten, wird aber dort nicht ausschließlich auf das World Wide Web, sondern auf jegliche Situationen, in denen die ‚Kacke am Dampfen‘ ist, bezogen.
Der Brite versteht jedenfalls nur Bahnhof, wenn die deutschen Kollegen mit ihrem geliebten Terminus technicus um sich werfen, der es bis zum ‚Anglizismus des Jahres 2011‘ gebracht hat. Denn auf der Insel würde man mit der Wendung when the shit hits the fan (wenn die Kacke den Fan trifft) auf die brenzlige Lage aufmerksam machen. Allerdings nicht nur im Internet!
Als kürzlich herauskam, dass König Juan Carlos auf illegale Elefanten-Jagd ging, brach im Netz ein Shitstorm gegen das spanische Staatsoberhaupt los; trotzdem hat der Spanier kein konkretes Wort für die Empörungswelle im Netz parat. Hier schüttet man sprichwörtlich die Kacke über jemandem aus: tirar mierda encima de alguien. Der Franzose hilft sich beim Anflug einer geballten Netzaggression mit dem etwas temperierteren tempête médiatique – dem Mediensturm - aus.
Kontinentales D(Englisch)-Bashing
Sind wir Deutschen folglich die gewieftesten Shitstürmer? Im europäischen Ausland hat sich das Wort zumindest nicht durchgesetzt. Stattdessen werden polnische Politiker gern öffentlich durch den Kakao (im Polnischen: Schlamm) gezogen - mieszać (zmieszać) kogoś z błotem; Italiener haben gegen die Schlammmaschine (la macchina del fango) zu kämpfen. Und auch der Engländer ist bei der europäischen Schlammschlacht wieder mit einem mud sling (Schlammschleuder) von der Partie.
In München hat das Phänomen Shitstorm sogar eine neue Geschäftsidee hervorgebracht – die Hotline gegen Shitstorms, die Opfern der Webmeute aus dem Kommentar-Schlamassel helfen will. Angerufen werden kann zwischen 8 und 20 Uhr. Die Erstberatung kostet allerdings 500 Euro. Weitaus günstiger ist dann wahrscheinlich die Methode des Grünen-Politikers Volker Beck. Er schickt einfach folgenden Video-Link als Antwort an die Netz-Pöbler zurück:
Titelbild: ©Henning Studte, Videos: Sascha Lobo auf der republica 2010 (cc)republica 2010/YouTube; Lily Allen "Fuck you" (cc)parlophone/YouTube