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Sextoys: Die zweite sexuelle Revolution

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kfluegge

Lifestyle

Sexspiele sind kein Tabu mehr – ganz im Gegenteil. Was gibt es Banaleres als eine Vibrations-Quietsche-Ente mit in die Badewanne zu nehmen, erotische Dessous im Kleiderschrank zu haben oder Lustkugeln im Schritt zu tragen? Hinter dieser immer größer werdenden Vielfalt von Sexspielzeugen verstecken sich ein lukrativer Markt und eine wachsende Zahl von Frauen, die von der Lust anderer leben.

Warum sollte man denn Sexspielzeuge heute noch für etwas Schlimmes oder Perverses halten? Die privaten Lustobjekte, deren Ursprünge sich bis zu den alten Ägyptern zurückverfolgen lassen - es gibt Hieroglyphen, die Frauen dabei zeigen, wie sie Penis-Figuren zu Ehren von Osiris aufstellen - sollen sich am Ende des 19. Jahrhunderts aus der Suche nach einem Heilmittel gegen weibliche Hysterie entwickelt haben. Diese „Krankheit“ behandelten die Ärzte damals nämlich mit...Vibratoren!

Sextoys-Abende sind die neuen Tupper-Parties

„Schön für sie!“ würden darauf heute tausende Frauen entgegnen, egal ob Single oder in einer festen Beziehung, die sich nicht nur mit dem natürlichen, sondern auch mit dem Plastik-Sex auskennen. Ohne Angst – und fast auch ohne Reue: „Das Bild von Sexspielzeug hat sich entwickelt, aber ich würde nicht so weit gehen und sagen, dass es sich grundlegend geändert hat“, sagt Sylvie, Lust-Botschafterin von SoftParis, dem Marktführer für den Heimverkauf von Sexspielzeug in Frankreich. „Vor dem heutigen Sexspielzeug gab es nur Dildos und Gummipuppen - Dinge, die nicht sehr gefragt waren. Heute gibt es Massageöle, Spielzeug für Paare, ...“. Sylvie weiß, wovon sie spricht. Seit drei Jahren veranstaltet sie in ganz Frankreich „sexy“ Verkaufsabende auf Wunsch von Frauen, die begierig sind, die Welt der Sextoys auf diskrete und gleichzeitig spielerische Weise kennenzulernen. Als Mann muss ich zugeben, dass mir das alles ein bisschen unwirklich vorkommt. Da ich weder eine einzige Folge Sex and the City gesehen noch an den Tupper-Partys meiner Tante teilgenommen habe, fehlen mir zwei unverzichtbare Erfahrungen, um den rasanten Aufstieg des Sexspielzeugs in den vergangenen Jahren zu verstehen.

Ein Trend aus den USA...

"Rabbit" ist der letzte (erotische) SchreiDa gibt es beispielsweise den Rabbit-Vibrator. Ich werde an dieser Stelle nicht näher auf seine Besonderheit eingehen, die übrigens in den rotierenden Ohren besteht, sondern auf die Gründe seines Erfolgs: In Episode Nr. 9 der ersten Staffel der amerikanischen TV-Serie Sex and the City entdeckt Charlotte das achte Weltwunder, den Rabbit. Anne Lolotte, die Designerin von SoftParis, erklärt in ihrem Blog, dass es in England „innerhalb eines Tages keinen einzigen Rabbit mehr bei Ann Summers zu kaufen gab. Immerhin gibt es von der Kette Ann Summers in Großbritannien ganze 125 Filialen!“ Sylvie bestätigt: „Für die Frauen, die meine Dienste in Anspruch nehmen, ist es die Gelegenheit, sich mit ihren Freundinnen wie bei Sex and the City zu treffen. Frauen treffen sich immer häufiger untereinander, organisieren Filmabende oder Ähnliches. Der Verkauf von Sextoys in privaten Haushalten passt gut zu diesem Trend: Es ist umsonst, alle sind aufgeregt und man redet über ein Thema, das alle interessiert.“ Nein Jungs, kein Fußball. Eine andere Form des Vergnügens.

…und aus Nordeuropa

All dies bestätigt jedenfalls, was ich eines Tages von einer jungen Frau zu hören bekam: „Wenn du die Frauen von heute verstehen willst, schau dir Sex and the City an.“ Aber liegt der Hype um die Sextoys ausschließlich an einer einzelnen TV-Serie? Laut der Lust-Botschafterin, die vom Verlust eines langweiligen Jobs profitierte und sich dann ins Abenteuer stürzte - und behauptet, nichts zu bereuen - hängt der Erfolg des privaten Verkaufs ganz einfach mit dem wachsenden Bedürfnis nach menschlicher Nähe zusammen. Der Großteil der Gastgeberinnen der Verkaufsabende macht es zum „ersten Mal“. Viele würden nicht unbedingt in einen Laden gehen, um solche Einkäufe zu tätigen. „Diese Kundinnen möchten die Produkte anfassen, die Cremes und Öle testen, die Reizwäsche anprobieren, persönliche Ratschläge bekommen.“ Ist das also die Rückkehr zu den legendären Tupper-Partys, durch die die Produkte der Firma Tupperware berühmt wurden? Ach ja, das Phänomen des Heimverkaufs, das in den 1960er Jahren seine Blütezeit hatte, brachte den Frauen ein Stückchen Freiheit... Wenn nicht sogar ein bisschen sexuelle Freiheit... Dieses Verdienst dürfen sich auch die Schwedinnen Caroline Weinberg und Sophie Hafior-Haimerson, die zwei Pionierinnen des Heimverkaufs von Sexspielzeug in Frankreich mit ihrer Firma Yoba, auf die Fahnen schreiben. Für die beiden Marketing-Expertinnen war es die Lizenz zum Gelddrucken.

Sexuelle Befreiung und materieller Erfolg

... hergestellt werden die meisten Spielzeuge in ChinaDer Boom der Sexspielzeuge lässt sich nur aus der Kombination aus sexuellem Genuss und materiellem Erfolg erklären. Auf der einen Seite steht das sexuelle Vergnügen, na klar, das übrigens mit therapeutischen Effekten verbunden sein soll - und das sei keine faule Ausrede, um etwas Perversem einen schönen Anstrich zu geben, so die Meinung von Sex-Therapeuten. Auf der anderen Seite verbirgt sich hinter dem Verkauf von Sextoys ein lukrativer Markt: „2007 verdiente ich 300 Euro im Monat. Heute beträgt mein Gehalt als Team-Leiterin 1800 Euro“. Da überrascht es nicht, dass SoftParis 150 neue Lust-Botschafterinnen pro Monat anstellt. „Die Krise hat uns in die Hände gespielt“, erklärt Sylvie, „denn die Tätigkeit als Lust-Botschafterin ist der ideale Zusatzverdienst. Es gibt keine Mindestarbeitszeit und keinen Mindestabsatz.“ Studentinnen, Hausfrauen, Rentnerinnen - die Botschafterinnen lassen sich nicht so einfach kategorisieren. Ebenso wenig wie ihre Kundinnen: „Ich sage immer ‚der erste Eindruck ist trügerisch‘“, erläutert die erfahrene Verkäuferin. „Die Überschwänglichste der Gruppe kauft nie etwas, während die Schüchternste am Ende des Abends die ganze Produktpalette haben möchte!“ Und möglicherweise die nächste im Kreise der 170.000 aktuellen Verkäuferinnen in Frankreich wird... Dennoch bleibt das Internet die beliebteste Alternative, um Sexspielzeug zu kaufen. Laut einer Umfrage des Marktforschers netetudes in 2009 bevorzugen 61 % der Franzosen diese Einkaufsmethode, weil sie diskreter ist. Kein Wunder, dass DreamNex, der Betreiber der Webseite SexyAvenue, die Sexspielzeug verkauft und Pornofilme VOD (Video On Demand) vertreibt, in Frankreich seit 2007 an der Börse notiert ist.

Welches Fazit lässt sich nun aus dieser Entwicklung ziehen? Kritisieren nicht die Feministinnen der ersten Stunde immer wieder, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter heute mehr und mehr in den Hintergrund gerät? Ich sehe nur eine, und zwar radikale Lösung. Frauen aller Länder vereinigt euch: Verkauft und verwendet Sextoys. Die Männer - wie immer - werden euch folgen: 85 % der von netetudes Befragten benutzen ihr Spielzeug zu zweit.

Fotos: Logo ©lanylane/flickr; AnneLolotte ©SoftParis; Kaninchen ©Banksy/thevillagepetstoreandcharcoalgrillmarkhillary/flickr; Sextoy-Herstellung in China ©2 dogs/flickr

Translated from Sextoys : la deuxième révolution sexuelle