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Sevilla: Tanzunterricht in der Zeitbank

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Im Viertel Triana in Sevilla ist angeblich die Wiege des Flamenco. Hier nehmen die Leute jetzt Tanzunterricht in einer Bank. In der Zeitbank werde Dienstleistungen gegen andere getauscht. Ich habe die Bank in Sevilla besucht und mir angeschaut, ob das klappt. Geld brachte ich dafür nicht.

Jeden Don­ners­tag­abend fin­det im Cen­tro Cívico in Tria­na ein Tref­fen der 'Banco del Tiem­po' statt. Der Treff­punkt im Cen­tro Ci­vi­co ist neu und even­tu­ell bleibt es bei un­se­rem In­ter­view auch des­we­gen die­ses Mal eher ruhig und leer, zu­min­dest im Ver­samm­lungs­raum. Im Ne­ben­saal hört man Musik ge­paart mit Stamp­fen und Klat­schen - hier fin­det eine Se­vil­la­nas-Klas­se für Se­nio­ren statt.

Die An­fän­ge in der Pro­test­be­we­gung

Eva Ma­ri­no, eine der In­itia­to­rin­nen der 'Banco del Tiem­po' er­zählt von den An­fän­gen und der Ent­ste­hung. Zu­sam­men­ge­fun­den hatte man sich im Zuge des Mov­imi­en­to 15M, der spa­ni­schen Pro­test­be­we­gung des 15. Mai 2011. Nach der ers­ten Welle haben sich zu­nächst ver­ein­zelt Kom­mis­sio­nen ge­trof­fen. Es wurde über öko­no­mi­sche Al­ter­na­ti­ven nach­ge­dacht und dis­ku­tiert; dar­aus ent­stand schluss­end­lich die Idee, eine Zeit­bank zu grün­den. Man woll­te etwas Kon­kre­tes um­set­zen, etwas auf­bau­en, das wirk­lich wei­ter­hilft.

Das Prin­zip ist sim­pel: eine Stun­de Dienst­leis­tung im Aus­tausch gegen eine Stun­de einer an­de­ren Dienst­leis­tung - eine glat­te Rech­nung. Hier­bei geht es vor allem um So­li­da­ri­tät un­ter­ein­an­der, nicht um einen rein öko­no­mi­schen Nut­zen - es geht darum, sich in Zei­ten der Krise ge­gen­sei­tig zu un­ter­stüt­zen. Nicht jeder hat Geld, aber jeder hat ir­gend­ei­ne Fä­hig­keit, ir­gend­et­was an­zu­bie­ten und ge­nau­so ir­gend­et­was, das im Ge­gen­zug ge­braucht wird. Es gilt das Prin­zip der ge­gen­sei­ti­gen Hilfe. Fort­bil­dun­gen, Work­shops, Klas­sen; ins­be­son­de­re der Sprach­aus­tausch ist ge­fragt, aber auch Hilfe im Haus­halt, Be­gleit­ser­vice für Hilfs­be­dürf­ti­ge, Über­set­zungs­ar­bei­ten, Näh­ar­bei­ten, Fri­seur­ar­beit und mehr.

Es gibt eine Home­page - dort kann man sich in­for­mie­ren und per­sön­lich re­gis­trie­ren. Zur­zeit sind um die 160 Per­so­nen bei der 'Banco del Tiem­po' an­ge­mel­det; an­fangs waren es um die 70. Das Prin­zip ist ge­fragt und neben dem Ge­winn an Leis­tung und Ge­gen­leis­tung ist ein sol­cher Aus­tausch auch Hoff­nungs­trä­ger und viel­leicht sogar The­ra­pie. Man macht die Er­fah­rung, dass an­de­re für einen da sind, das einem ge­hol­fen wird und man auch selbst hel­fen kann. Das stei­gert das Selbst­wert­ge­fühl.

Seit ei­ni­ger Zeit fin­det der Tausch auch zwi­schen Grup­pen statt. Eine Gi­tar­ren­klas­se mit 6 Schü­lern spielt dort jede Woche für eine Stun­de. Jeder Schü­ler zahlt mit einer Stun­de sei­ner in­di­vi­du­el­len Ge­gen­leis­tung.

Ob ein al­ter­na­ti­ves Sys­tem ohne Geld auf brei­te­rer Basis in­ner­halb eines ka­pi­ta­lis­ti­schen Sys­tems Be­stand haben kann, zwei­felt selbst die In­itia­to­rin an. Auf klei­ner Ebene funk­tio­niert es gut, aber auf gro­ßer Ebene wird das Ganze deut­lich kom­pli­zier­ter.

HIER WURDE AUCH DER FLA­MEN­CO GE­BO­REN

Eine Ko­ope­ra­ti­on mit an­de­ren Zeit­ban­ken gibt es bis­her, bis auf eine Aus­nah­me, noch nicht. Man kann es sich hier gut vor­stel­len, das Ganze aus­zu­bau­en. Für den Mo­ment kon­zen­triert man sich aber erst ein­mal auf Se­vil­la. Hier ist an­ge­dacht, eben­falls mit Ein­rich­tun­gen im so­zia­len Be­reich nach dem be­schrie­be­nen Prin­zip zu­sam­men­zu­ar­bei­ten: so ist z.B. die Be­treu­ung äl­te­rer Leute sehr ge­fragt, eben­so die Hilfe an Schu­len und Ein­rich­tun­gen für Kin­der. Un­ter­stüt­zung von der Stadt gibt es bis­her für die In­itia­ti­ven der 'Banco del Tiem­po’ al­ler­dings noch keine. Eva Ma­ri­no emp­fin­det Tria­na als Heim­stät­te für die Zeit­bank als einen sehr pas­sen­den Ort - hier wurde nicht nur der Fla­men­co ge­bo­ren, hier fin­den sich eben genau die Leute ein, die In­ter­es­se haben an Al­ter­na­ti­ven, an Aus­tausch, an Mit­ein­an­der.                        

Ich selbst lebe als deut­scher Expat in Bar­ce­lo­na und weiß um die ge­rin­ge Zahl von Jobs und ent­spre­chen­de Be­zah­lung und ge­hö­re auch zu denen, die ver­su­chen einen Weg zu fin­den, mit und in die­ser Si­tua­ti­on zu leben und ir­gend­wie das Beste dar­aus zu ma­chen. Ich wuss­te von vie­len al­ter­na­ti­ven Be­we­gun­gen, bis­her noch nicht kon­kret von einer Zeit­bank. Das Mo­dell der 'Banco del Tiem­po' ist auch in Bar­ce­lo­na zu fin­den .

In Spa­ni­en ste­hen die Zei­chen der Zeit also gut für die Bank der Zeit.

Diese Re­por­ta­ge wurde im Rah­men des Pro­jeks «EU­to­pia – Time to Vote» ge­schrie­ben. Un­se­re Part­ner für die­ses Pro­jekt sind die Stif­tung Hip­po­crène, die Eu­ro­päi­schen Kom­mis­si­on, das fran­zö­si­sche Au­ßen­mi­nis­te­ri­um und die Stif­tung EVENS. Bald fin­det ihr alle Ar­ti­kel aus Se­vil­la auf der ers­ten Seite un­se­res Ma­ga­zins.