Sevilla: Desperate Housemen
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Barbara BraunWas wäre, wenn die Krise in Andalusien ein altes Familienmodell über den Haufen werfen würde? In Sevilla führen die Frauen Haushalt und Familie, egal ob sie arbeiten oder nicht. Die steigende Arbeitslosigkeit, zwingt nun mehr und mehr Männer dazu, zu Hause zu bleiben. Kommt so etwa Bewegung in veraltete Strukturen?
Ahmed, 40, Marokkaner, hat seit seiner Ankunft in Spanien im Jahr 2003 alle möglichen Jobs gemacht: Elektriker, Gärtner, Gemüseverkäufer, Maurer und Lagerarbeiter: er hat jeden Job gerne gemacht, bis die Krise kam. Wie viele andere Männer, sitzt er ohne Aussichten auf neue Arbeit zu Hause. Er kümmert sich um seine beiden Töchter, die vier und sechs Jahre alt sind, aber er fühlt sich „wie ein Löwe im Käfig". Die Situation belastet ihn: „Ich weiß, dass die Leute über mich reden. Ich mag dieses Bild nicht, das sie von mir haben." Es kommt für ihn nicht in Frage, den Haushalt zu übernehmen, den seine Frau führt, obwohl sie bis vor kurzem im Gastgewerbe gearbeitet hat.
Für die Sozialarbeiterinnen Rocio und Teresa ist diese Situation Alltag. Männer wie Ahmed treffen sie jeden Tag in den Räumen des CEPAIM, einem Verein am Stadtrand. „Als die Krise den Bausektor getroffen hat, wurden viele Männer, die bisher sehr gut verdienten, plötzlich arbeitslos. Psychologisch ist das für sie sehr schwierig, denn sie haben den Eindruck, ihren Platz in der Gesellschaft verloren zu haben." Ahmed fühlt diesen Verlust an Selbstachtung: „Wenn ich jetzt in mein Heimatland reise, besuche ich die Familie meiner Frau nicht mehr, weil ich weiß, was sie von mir denken werden."
Frauen "Brauchbarer"
Warum akzeptiert „Mann" nicht einfach den neuen Status Hausmann? Teresa meint dazu: „Durch die Krise finden Frauen leichter Jobs als Männer, denn die Branchen, die eher Frauen beschäftigen, sind weniger getroffen worden." Aber trotz der Heftigkeit der Krise ist es für viele Männer immer noch sehr schwierig, sich mit einem Tausch der Rollen anzufreunden. "Für mich ist es schon schwer, einfach nur darüber zu reden", betont Ahmed.
Essadia, eine junge Frau mit sanfter Stimme und Stammgast im CEPAIM, kann ein Lied davon singen: „Mein Bruder ist 47 Jahre alt. Es hat sechs Jahre gedauert, bis er akzeptiert hat, dass seine Frau arbeitet während er arbeitslos ist. Für ihn war das unnatürlich. Hier ändert sich die Mentalität erst, wenn die Situation unerträglich wird, wenn es ums Überleben geht."
Manche Paare halten nicht so lange durch. Die Zahl der Trennungen steigt rasant, „aber nicht die Zahl der Scheidungen, das können sich die Leute nicht mehr leisten!" bedauert Teresa. Das Ergebnis sind groteske Situationen: manche Paare leben getrennt unter einem Dach, andere kehren gezwungener Maßen zu ihren Eltern zurück und liegen ihnen auf der Tasche. Wenn man Rocio, Teresa, Essadia und Ahmed so zuhört, scheint das traditionelle Familienmodell noch nicht zu schwanken, auch wenn die andalusische Gesellschaft dafür einen sehr hohen Preis zahlt.
Diese Reportage wurde im Rahmen des Projeks «EUtopia – Time to Vote» geschrieben. Unsere Partner für dieses Projekt sind die Stiftung Hippocrène, die Europäischen Kommission, das französische Außenministerium und die Stiftung EVENS. Bald findet ihr alle Artikel aus Sevilla auf der ersten Seite unseres Magazins.
Die Gespräche führte Chloé Stevenson in Sevilla.
Translated from Séville : desperate housemen