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Sechs gute Gründe für den EU-Beitritt der Türkei

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Endlich wird entschieden: Nach 40 Jahren Warteschleife bequemt sich die EU, gegenüber Ankara Position zu beziehen. Gute Gründe sprechen für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen.

1. Versprochen ist versprochen

Im Jahr 1964 hat die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft der Türkei eine Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. Während in der Zwischenzeit 19 andere Länder der Union beigetreten sind, hat die Beitrittsperspektive die Türkei zu gigantischen Reformbemühungen veranlasst. Wenn die Europäer ihr Versprechen jetzt nicht einlösen und Verhandlungen eröffnen, senden sie ein verheerendes Signal an die Türken und alle Moslems, innerhalb und außerhalb der EU: Wie sehr ihr euch auch bemüht, wir werden euch nie akzeptieren.

2. Die Türkei gehört zu Europa

Das Osmanische Reichwar stets ein Teil des europäischen Kulturraums. Durch islamische Gelehrte wurden dem mittelalterlichen Europa die antike Philosophie vermittelt, die Grundlagen der modernen Medizin und Wissenschaft gelangten genauso über den Bosporus nach Westen wie der Kaffee. Die Türkei ist seit 1949 im Europarat, seit 1952 in der Nato und seit 1963 mit der EU assoziiert. Sie ist Mitglied in Europäischen Fußballverband UEFA und hat, zur Freude der 3,3, Millionen Türken in der EU, 2003 den Sieg im Eurovision Song Context nach Hause getragen.

3. Die Türkei ist jung

.. und die EU ist alt: Mehr und mehr Rentner stehen immer weniger Jungen gegenüber. Die Türkei mit ihren heute 68 Millionen Einwohnern zeichnet sich dagegen durch eine dynamische und ehrgeizige junge Generation aus – frisches Blut, das dem „altem Europa“ nur gut tun kann.

4. Die Türkei ist moslemisch

... und laizistisch. Als 1492 die Juden aus Spanien vertrieben wurden, fanden sie in der Türkei Zuflucht. Toleranz und Humanismus ist dem Islam genauso eigen wie dem Judaismus oder dem Christentum, mit denen er sich mit dem alten Testament dieselbe religionshistorische Grundlage teilt. 15 Millionen Moslems in der EU warten auf das wichtige Signal, dass Europa kein „Christenclub“ ist – und die islamische Welt auf Europas Antwort der Vernunft im „Kampf der Kulturen“.

5. Die Türkei wird die EU modernisieren

Die Strukturen der EU seien der Aufnahme der Türkei nicht gewachsen, sagen Gegner des Beitritts. Das stimmt – deshalb muss sich die Europäische Union endlich tief greifend reformieren. Nahezu die Hälfte des EU-Budgets – 48 Mrd. Euro – fließen 2004 in ein absurdes landwirtschaftliches Subventionssystem, das nicht nur bergeweise Überschüsse provoziert, sondern weltweit Millionen Bauern ruiniert hat, die mit den europäischen Dumpingpreisen nicht konkurrieren können. Der Türkeibeitritt wird die Gemeinschaft zwingen, ihre unzeitgemäße Funktionsweise – nicht nur im Agrarbereich – gründlich umzukrempeln und fit zu werden für das 21. Jahrhundert.

6. Es gibt keinen „dritten Weg“

Die Gegner des Türkeibeitritts fordern eine „privilegierte Partnerschaft“ als Alternative zwischen Ablehnung und Aufnahme. Blödsinn – denn privilegierte Partner sind die EU und die Türkei schon seit über 40 Jahren. Was dieser „dritte Weg“ jenseits des Assoziierungsabkommen, der Zollunion (seit 1995) und der europäischen Nachbarschaftspolitik beinhalten soll, wird nicht präzisiert. Die Alternative zum Beitritt ist ein klares Nein - das die Gegner nicht auszusprechen wagen.

Mit der Eröffnung von Betrittsverhandlungen stellt sich die EU ihrer Verantwortung, die über das Schneckenhaus der Gemeinschaft hinausgeht. Das Friedensmodell der EU kann so neue Strahlkraft entwickeln und die EU zu einem positiven Beispiel dynamischer Integration machen, das einem militärischen Neokolonialismus Bushs oder Putins gegenläufig ist. Diese Chance sollten wir nutzen.

Foto: ©brokodil/flickr