Schwule Fussballer: Schiri, die Seife ist runtergefallen
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Neulich hat der ehemalige Fußballprofi Thomas Hitzlsperger als schwul geoutet. Gefolgt ist ihm bisher kein anderer Fußballer. Warum sind schwule Fußballer eigentlich so schwer zu finden? Ich begebe mich auf die Suche nach ihnen.
Thomas Hitzlsperger hatte immer hart gepasst und Hammertore geschossen, wunderte sich der frühere deutsche Nationaltorwart Jens Lehmann neulich im Fernsehen. Dass passte für ihn nicht so recht mit Hitzlspergers Homosexualität zusammen. Hätte Lehmann gewusst, dass Hitzlsperger schwul ist, wäre er nicht gerne mit ihm duschen gegangen. Die Vorurteile über Schwule im Fußball, dass hat Lehmann damit bestätigt, gibt es nach wie vor.
Der "Spielermann" muss noch erfunden werden
Fußballer zeigen sich allerorts stolz mit blonden Schönheiten. Immer rechtzeitig zu großen Turnieren gibt es die obligatorischen Bilderstrecken aller Spielerfrauen. Liebstes Ratespiel der Zeitungsredaktionen ist dann, welche Frau wohl zu welchem Kicker gehört. Das gehört dazu. Der „Spielermann“, dieser Begriff müsste er noch erfunden werden.
Schwule Fußballer gibt es in den Top-Ligen Europa offiziell nicht. Outings sind so selten, dass man sie an einer Hand abzählen kann. Robbie Rogers (25) war Mittelfeld-Spieler von Leeds United in England, bis er sich im letzten Jahr geoutet hat. Seinen Vertrag hatte er einen Tag vor seinem Coming-Out vorsichtshalber schon aufgelöst und hat nicht mehr für den Verein gespielt. Rogers macht die „homophobe Kultur“ in der Fußball-Industrie dafür verantwortlich. Er hätte einfach „Angst“ wieder mit seinen Mitspielern zu trainieren und in Fußballstadien in Großbritannien aufzulaufen. Rogers sagt, er kenne „keinen“ schwulen Fußballer, obwohl er davon ausgeht, dass es in Wahrheit eine Menge gibt. Rogers macht auf das erschreckende Phänomen aufmerksam, dass schwule Fußballer sich offenbar vor einem Coming-Out fürchten müssen. Müssen sich Amateur-Fußballer ebenso fürchten? Ich erkundige mich dafür bei einem italienischen, einem deutschen und einem spanischen Amateur-Fußballer.
Schwul im Amateurbereich
A.S.D. Calcio Spinea ist ein Fußball-Verein in Italien, wie viele andere. Die Mannschaft spielt ihre Heimspiele in Venedig, die Spieler bekommen hier sogar ein bisschen Geld für ihre Bemühungen. Giuseppe Belgioioso (23) spielt schon 17 Jahre Fußball. Einen schwulen Fußballer hat er noch nicht kennengelernt. Wenn über Homosexuelle gesprochen wird, dann wird es bösartig. Er schämt sich ein bisschen dafür und möchte nicht sagen, was genau über Homosexualität gesagt wird. Ich frage weiter.
Mein Bruder Tim (20) spielt für die Spielvereinigung Niedersachsen Döhren im Süden Hannovers. Derzeit belegt die Mannschaft einen Platz im Mittelfeld. Mit dem Aufstieg wird es diese Saison nichts mehr. Bei Heimspielen stehen hier einige Bockwurst kauende Männer mit Bart und kommentieren das Spiel recht gelassen. In dieser Mannschaft sind viele Spieler untereinander befreundet. Tim spielt immerhin schon drei Jahre im Herrenbereich, er hat noch keinen schwulen Fußballer kennengelernt. Er hat auch noch von keinem schwulen Fußballer gehört. Dabei ist Sexualität ein Dauerthema: Frauengeschichten von Spielern sind Alltag. Über einen schwulen in der Mannschaft, würden „100 Sprüche fallen“, glaubt er.
13 Jahre kein Schwuler
Er will sich bei seinen Mitspielern umhören, weil ihn die Sache interessiert. Nach dem nächsten Training erzählt er mir, dass auch der Dienstälteste Spieler der Mannschaft, Sven Rösler, in 13 Jahren Herrenfußball noch nichts von einem schwulen Fußballer gehört hat. Geoutete Fußballer, wo seid ihr?
Fran Juan Sahuquillo (25) ist Mittelfeldspieler beim Paterna F.C. aus dem Westen von Valencia. Das Wappen des Vereins aus der Tercera Division erinnert an den großen Bruder Valencia F.C. Aus dieser Spielklasse schaffen es regelmäßig Spieler in höheren Ligen einen Vertrag zu bekommen. Auf Frans Twitter-Kanal ist Fran im Strafraum zu sehen, wie er gerade einen Torwart hinter sich lässt. Er sagt, dass Schwulsein im Fußball kein Taboo sein sollte, aber er wundert sich, dass er keinen schwulen Fußballer kennt.
Überall höre ich dasselbe. Robbie Rogers hat wahrscheinlich vor seinem Coming-Out die Ängste gehabt, wie die Amateure, die noch nicht rausgekommen sind. Da unterscheidet sich Profisport nicht von den Freizeit-Kickern.
Am Ende stoße ich auf den Beweis, dass es auch geoutete Schwule im Amateurbereich gibt. Es ist die Geschichte des jungen Fußballers Tony Quindt von der S.I.G. Elmenhorst, der sich vor seiner Mannschaft nach fünf Jahren geoutet hat. Er hatte auf einer Mannschaftsfeier spontan entschieden, seinen Freund vorzustellen. Tony hat nach eigener Aussage gute Erfahrungen gemacht. Seine Mannschaft hätte ihn weiterhin fair behandelt und zeige sich solidarisch, sagt Tony. Das versichern auch zwei Mannschaftskollegen ein bisschen verschämt in die Kamera.
Rings um den Platz scheint auch einiges durch Herrn Hitzlsperger in Bewegung geraten zu sein. Vielleicht braucht es einfach Vorbilder. Neulich ist ein Journalist mit einem Hitzlsberger-Trikot bei einem Schalke-Heimspiel ins Stadion gegangen. Viele haben ihm im Stadion auf die Schulter geklopft. „Find‘ ich super“ und „Respekt“, hätten sie gesagt. Der Journalist konnte von der Tribüne aus kaum Schwulenfeindlichkeit verspüren.
Dort wo ich nachgefragt habe, konnte mir keiner von einem schwulen Fußballer erzählen. Es gibt aber Hoffnung, dass im Amateurbereich offen mit Homosexualität umgegangen werden kann. Guiseppe aus Venedig erzählt mir vom ersten Gebot seiner Mannschaft: „Wir verteidigen uns alle gegenseitig“.