Schweizer Rechtspopulist Christoph Blocher überholt
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Barbara BraunDer schweizer Dokumentarfilmer Jean-Stéphane Bron, ist durch das Prozessdrama Cleveland gegen Wall Street bekannt geworden. Nun macht er sich daran, das politische Leben in seinem eigenen Land zu durchleuchten: L'Expérience Blocher ist ein intimes Portrait jenes Mannes, der die Hassliebe zwischen der Schweiz und der EU schürt.
Schon 1992 hat man ihn mit dem Franzosen Jean-Marie le Pen und dem Österreicher Jörg Haider verglichen. Aber Christoph Blocher ist mehr als nur ein Vertreter der rechtsextremen Populisten Europas. Innerhalb weniger Jahre ist er mit mehr oder weniger schrillen medialen Auftritten zum Erfolgsmodell geworden.
"Wenn ich in Ihr Gesicht sehe, habe ich das Gefühl mein Land unter einem Blickwinkel zu sehen, den ich noch nicht kenne", hört man Regisseur Brons Stimme aus dem Off sagen. Blochers Kampf gegen die Europäische Union zeigt ein anderes Gesicht Europas: Blochers Europa. Der Film ist wie ein Weg zurück in eine beunruhigende Gegenwart. Ein Weg, der an die dunklen Stunden der 1930er Jahre in Europa erinnert. Der Vergleich ist gewagt und umstritten, aber er drängt sich uns auf. Wir hoffen, dass er uns rettet.
"Er spielt eine zentrale Rolle in unserem Kollektiven unterbewusstsein"
Jean-Stéphane Bron startet seine Doku mit einer Refelxion über Mythen. Blocher sei "ein wichtiger Darsteller unseres kollektiven Unterbewusstseins". Die Stunde seiner politischen Geburt ist das Referendum von 1992, bei dem die Schweizer über ihren Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum abstimmten. Blocher hat damals mehr als 200 Reden gehalten und bei tausenden Schweizern die Angst um den Verlust der Souveränität geschürt. Als das Votum ein überraschendes "Nein" ergab, wurde er endgültig zum Star. In ganz unglaublichen Szenen bei verschiedenen Meetings vergleicht er sich selbst mit einem König des Mittelalters, mit Mozart, und sogar... mit Gott! Aber seine Extravaganz lässt man ihm durchgehen.
Jean-Stéphane Bron versucht sich an einer doppelten Psychoanalyse: Er erzählt von der Verführungskunst dieses Mannes, der aus dem Nichts gekommen ist, und versucht gleichzeitig seine Psyche zu knacken. Blocher ist Sohn eines Pastors und macht eine landwirtschaftliche Lehre. Aber er besitzt kein Land und muss daher diesen Traum aufgeben. Genau diese primitive Angst um Land, das es zu verteidigen gilt, sei der Ursprung und tiefere Grund der politischen Position Blochers und gleichzeitig die Erklärung der Faszination, die er auf die Menge ausübt.
Ein Finanzhai
Ein Blick auf den Werdegang der Person führt uns in seine Vergangenheit als Finanzhai. Als der Industrieboss und enthemmte Kapitalist Blocher, kaufte er Ems-Chemie im Jahr 1983 und ist 1999 bereits 2 Milliarden Dollar schwer. Er gehört zu jener Lobby, die ohne Skrupel und mit zynischem Opportunismus ihre Geschäfte mit dem Apartheidsregime Südafrikas der 1980er Jahre führte. Einer anderer Handelspartner war damals das kommunistische China.
L'expérience Blocher - Trailer
Sein ständiger Spagat zwischen den höchsten Finanzsphären und dem einfachen Volk ist das Geheimnis seines Erfolgs an der Spitze der Schweizer Volkspartei. Widersprüchlichkeiten sind dabei für ihn kein Problem: Er verteidigt die schweizer Arbeitnehmer gegen die Konkurrenz durch "Arbeitsmigranten". Gleichzeitig ist er als knochenharter Firmensanierer bekannt, der vor nicht Kündigungen zurückschreckt. Es hat etwas Faszinierendes ihm dabei zuzuhören, wie er sich mit unglaublicher Demagogie immer wieder aus handfesten Anschuldigungen herausredet.
"ein Alt-achtundsechziger der anderen art"
Er beherrscht das Spiel mit den Medien perfekt. 1999 hat er damit die Schweizer Volkspartei an die Spitze gebracht, 2003 ist er in die Regierung eingezogen. Er setzt sich gerne dem medialen Zirkus aus, der seiner Meinung nach dazu dient "das Provakationslevel eines Themas zu erhöhen, um eine öffentliche Debatte loszutreten." Das beste Instrument dafür ist die Nennung von Sündenböcken.
Eine fremdenfeindliche Plakatkampagne jagt die andere. Kriminelle Zuwanderer werden dabei als die "schwarzen Schafe" des Landes bezeichnet. Die Mehrzahl der Migranten in der Schweiz ist aus Frankreich, Deutschland und anderen europäischen Ländern. Blocher bezeichnet sich selbst gerne als ein "Alt-Achtundsechziger der anderen Art". Er schürte die Spannungen in der schweizer Gesellschafts derartig, dass er 2007 aus der Regierung geschmissen wurde. Ein historisch einmaliges Ereignis.
Seine persönliche Revanche bei den Parlamentswahlen im Jahr 2011 war missglückt. Aber Jean-Stéphane Bron meint dazu, dass man seinen viel tiefer gehenden Sieg auf einem anderen Terrain nicht unterschätzen sollte: Seine Ideen, die in der schweizer Gesellschaft salonfähig geworden sind. Diesen Sieg bezeugt auch die "Volksinitiative gegen Masseneinwanderung" vom 9. Februar dieses Jahre, die Blocher am Ende des Dokumentarfilms bereits vorausgesagt hatte.
Der film ist seit 19. Februar 2014 im Kino zu sehen.
Translated from Christoph Blocher, suissesse story