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Schwedischer Regisseur Malik Bendjelloul: 'Searching for Sugar Man'

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Kultur

Wenn man mit Malik Bendjelloul spricht, kann man gar nicht anders, als mitgerissen zu werden von seiner gut gelaunten und begeisternden Art. Ohne diese Begeisterung hätte der schwedische Filmemacher seine Doku Searching for Sugarman über den amerikanischen Folk-Musiker Rodriguez wahrscheinlich nie beendet.

Auf dem Filmfest Hamburg spricht der Regisseur über die Faszination, die das Projekt stets vorangetragen hat.

Fünf Jahre hat Malik Bendjelloul an dem Film gearbeitet, die meiste Zeit davon ohne jegliche Finanzierung von außen. Herausgekommen ist die bewegende Erzählung der so ziemlich unglaublichsten und berührendsten Geschichte, die die Musikwelt zu bieten hat. Sixto Rodriguez, der aus einer mexikanischen Arbeiterfamilie stammt, veröffentlicht Anfang der siebziger Jahre ein ziemlich erfolgloses Album in den Staaten - dann geht auch noch sein Label pleite. Manche glaubten den Musiker sogar tot. Erst Jahre später (1974) werden sein Album Cold Fact und besonders Rodriguez' engagierte Texte Kult in Südafrika, Neuseeland und Australien. Bendjellouls Musik-Roadmovie erzählt davon, wie sich zwei südafrikanische Fans auf die Suche nach ihrem tot geglaubten Idol machten und wie Rodriguez 1998 in ausverkauften Konzerthallen in Südafrika empfangen wurde. Egal, ob man die Musik von Sixto Rodriguez schon gehört hat oder das besser schnell nachholen sollte - wer Bendjellouls Film über verpasste Chancen, Musiklegenden und späten Ruhm nicht mag, der kann irgendwie kein Herz haben.

Du hast vor sechs Jahren angefangen, an dem Film zu arbeiten. Glaubst du, dass du die „Akte Sugarman“ jemals schließen kannst?

Ich dachte, jetzt sei die Zeit, zu der ich damit abschließen kann. Aber irgendwie geht es immer weiter. Das Leben wird so kurz dadurch. Ich habe ausgerechnet, dass ich nur noch zehn Filme machen kann, bevor ich sterbe, wenn jeder so viel Zeit in Anspruch nimmt. Ich habe wirklich angefangen, über den Tod nachzudenken. Man kriegt Angst davor, was man als nächstes tut, weil es einer von den nur zehn Filmen ist, die man noch machen wird.

Verstehst du dich gut mit Rodriguez?

Er hatte einfach Schiss!

Ich glaube schon. Als ich ihn das erste Mal getroffen habe und auch noch beim zweiten Mal und eigentlich auch beim dritten und vierten Mal, war er noch nicht so begeistert von der Sache. Aber als ich ihn das letzte Mal getroffen habe, bevor der Film fertig war, war das schon anders. Und jetzt, nach dem Film, ist es vollkommen anders. Er ist jetzt entspannt. Er hatte einfach Schiss – du hättest auch Angst, wenn jemand einen Film über dich machen würde. Und er schützt seine Privatsphäre mehr als jeder andere. Für ihn war das rein psychisch sehr schwer, jemanden einen Film über sich machen zu lassen.

Gab es einen Punkt, an dem er gesagt hat, dass er den Film nicht will?

Er hat nie gesagt, dass er nicht will, dass seine Geschichte erzählt wird. Aber er wollte den Film unbedingt sehen, als er fertig war. Und er hat gefragt, ob er nicht rausgeschnitten werden kann, weil er seine Aussagen nicht wichtig fand. Er meinte: „Du hast doch schon die ganzen anderen Leute in dem Film, du brauchst mich nicht.“ Aber jetzt ist er sehr zufrieden. Er hat mir gesagt, dass er den Film schon 35 Mal gesehen hat. Ihm scheint es also zumindest nichts mehr auszumachen.

Was ist das Besondere an Rodriguez?

Ich glaube, er ist wirklich grundlegend anders. Psychologisch betrachtet sind wir nicht frei, weil wir konsumieren. Wir haben einen Lebensstil, an den wir uns gewöhnt haben und wir arbeiten daran, diesen Lebensstil aufrecht zu erhalten. An diesem Punkt ist er nie angekommen. Er hat nie angefangen, zu konsumieren. Deshalb kann ihm niemand sagen „Du musst diesen langweiligen Job jetzt machen“. Er kann immer nein sagen, weil er einfach kein Geld braucht. Das ist eigentlich sehr beneidenswert. Denn er ist frei auf eine Art und Weise, wie wir es nie werden können.

Von der Musik zur Politik

Und lebt er jetzt immer noch so?

Ja! Und jeder glaubt, das sei verrückt. Aber ich finde das ziemlich schlau. Eines seiner Lieblingszitate ist: „Du solltest immer unter deinen Bedürfnissen leben.“ Er ist wirklich frei, das habe ich so selten gesehen.

Warum habt ihr nicht weiter verfolgt, wo die Anteile geblieben sind, die Rodriguez eigentlich für seine Plattenverkäufe in Südafrika bekommen hätte?

Die Antwort ist einfach: Weil Rodriguez das Geld nicht will. Und wenn ich danach suchen würde, wäre ich auf einmal der, der hinter dem Geld her ist. Das wäre auch nicht richtig. Das Geld muss aber trotzdem erwähnt werden, denn das ist der Grund, warum die Geschichte überhaupt so passiert ist. Hätte Rodriguez das Geld für die verkauften Alben in Südafrika bekommen, hätte er gewusst, dass er dort berühmt ist.

Aber könnte er überhaupt noch Ansprüche geltend machen?

Ich habe mit einem Typen von einer Plattenfirma in England gesprochen, von dem ich glaube, dass er Geld bekommen hat. Aber er meinte, er könne nicht mit mir sprechen, weil ich an dem Deal nicht beteiligt sei. Das einzige, was ich tun könnte, sei den Vertrag von Rodriguez von 1970 mitzubringen. Und als ich mit Rodriguez darüber gesprochen habe, meinte er: „Ich war auf dem Dachboden, ich habe den Vertrag noch.“

Aber wenn er nicht an dem Geld interessiert ist, was ist mit seinen Töchtern?

Die haben alle gute Jobs und bräuchten das Geld nicht. Aber es geht um Gerechtigkeit. Das Geld steht ihm zu. Er hat eine halbe Million Alben verkauft, weil die Musik so gut ist. Und normalerweise bekommt man etwas dafür, wenn man gute Arbeit leistet. Sie wären vielleicht nicht glücklicher, wenn ihr Vater das Geld bekäme, aber es wäre fair.

Wenn nicht um des Geldes Willen, warum tourt Rodriguez wieder?

Das ist es, was ihn ausmacht. Die ganzen Jahre, in denen er keine Konzerte gegeben hat, ist er immer mit einer Gitarre auf dem Rücken durch Detroit gelaufen. Er hat nie für andere gespielt, weil ihn niemand danach gefragt hat. Niemand wusste, wer er war. Und jetzt singt er bei David Letterman. Normalerweise verliert man seine Stimme, wenn man lange nicht singt. Er hat seine Stimme nicht verloren, weil er nie aufgehört hat zu singen. Zu Hause hat er 40 Jahre lang jeden Tag gesungen. Jemand hat ihn mal gefragt, wie es ist, ein Dachdecker zu sein. Und er hat geantwortet: „Ich war nie Dachdecker. Ich habe nur als einer gearbeitet“. Er war immer ein Sänger, und das wusste er – auch wenn es niemand anderes wusste.

Könnte die gleiche Geschichte heute passieren?

Nein. Zum einen hat das Internet alles verändert, selbst in dieser Geschichte. Und zum anderen war Südafrika ein wirklich isoliertes Land, das kann man sich gar nicht mehr vorstellen. Bis 1976 gab es nicht einmal Fernsehen, weil es als kommunistisch galt. Auf der anderen Seite war da dieser Mann, der ebenso isoliert lebte. Er hatte nicht einmal ein Telefon. All diese Dinge fügten sich zusammen und machten die Geschichte möglich. Das kann so sicherlich nie wieder passieren. Und das ist irgendwie traurig. Wir sehnen uns nach der Zeit, als es noch solche Mysterien gab.

Was hat dich dazu gebracht, nicht aufzugeben?

Ich habe tatsächlich einmal aufgegeben. Das war im Januar 2011, also noch gar nicht so lange her. Da hatte ich schon mehr als drei Jahre an dem Film gearbeitet. Ich hatte kein Geld mehr und brauchte wirklich was zu Essen und ein paar neue Klamotten. Eigentlich hatte ich keine Angst, weil mir das schwedische Filminstitut Subventionen versprochen hatte. 120.000 Euro, was genug gewesen wäre, um den Film fertig zu stellen. Aber von einem auf den anderen Tag meinten sie, sie würden meinen Film nicht mehr mögen, er sei nicht gut. Und da habe ich festgestellt, ich kann den Film nicht fertig machen.

Was hast du getan?

Ich habe mich daran gesetzt, alles selbst zu machen. Die Animationen und Illustrationen, die Musik. Es waren nur Entwürfe, weil ich sicher war, dass wir sie eines Tages durch professionelle Arbeit ersetzen. Und dann wurde der Film für das Sundance Filmfestival zugelassen und wir haben Panik bekommen, weil wir nur noch zwei Monate bis zur Premiere hatten. Wir haben wirklich überlegt, den Film wieder aus dem Wettbewerb zu nehmen und auf Sundance 2013 zu warten. Und dann haben wir die Nachricht bekommen, dass er am Premierenabend gezeigt werden soll und wir konnten nicht mehr zurück.

Und am Ende warst du zufrieden?

Ich hätte noch viele Ideen gehabt, hätte vieles gerne noch ausprobiert. Aber dafür war einfach nicht das Geld da. Ich glaube aber, das ist immer so. Ein Kunstwerk ist nie vollendet, es wird nur aufgegeben. Ich hätte auch noch zehn Jahre daran weiterarbeiten können, um es immer besser zu machen.

Searching for Sugar Man - in deutschen Kinos ab dem 27.12.2012.

Illustrationen: Malik Bendjelloul ©imdb; Rodriguez ©sugarman.org; Trailer (cc)StudioCanal/YouTube; Rodriguez (cc)lexpress/YouTube