Schwangerschaftsabbruch in der EU: Hin zu einem Europa Pro-Life?
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Mandy MummertWährend das polnische Parlament neue Maßnahmen gegen Schwangerschaftsabbrüche einführt, ist auf dem Alten Kontinent das Recht auf Abtreibung bedroht.
Eine beunruhigende Feststellung
Am 25. Mai dieses Jahres stimmten die die Mehrheit im Parlament stellenden konservativen Abgeordneten der PIS (Partei Recht und Gerechtigkeit) in Polen für einen Gesetzesentwurf, nach dem die Pille danach von jetzt ab nur noch auf Rezept erhältlich sein soll. In dem streng katholischen und stark konservativen Land ist die Einführung einer Maßnahme, die darauf abzielt, die Anwendung von Notfallkontrazeptive drastisch einzuschränken, ein weiterer Schritt in Richtung eines möglichen Verbots von Schwangerschaftsabbrüchen.
Tatsächlich befürwortete die polnische Regierung bereits am 22. September 2016 die Annahme eines Gesetzesentwurfs, der ein totales Verbot der seit 1993 gestatteten Schwangerschaftsabbrüche vorsah. Aus Protest schrien angesichts einer solchen Ungerechtigkeit mehr als 100.000 Frauen ihre Wut in zwei Demonstrationen heraus, darunter jene vom 24. Oktober 2016, besser bekannt als Schwarzer Montag. Eine Schwangerschaft kann in Polen zur Zeit nur in drei Fällen unterbrochen werden: wenn der Fötus schwere Fehlbildungen aufweist, wenn eine Gefahr für die Gesundheit der Mutter besteht oder wenn das Kind durch Inzest oder Vergewaltigung gezeugt wurde. Der Kampf scheint also lange noch nicht gewonnen.
Leider ist Polen nicht das einzige Land, in dem das Recht auf Abtreibung bedroht ist. Dies ist ebenso der Fall in Ungarn, in Kroation und sogar in Spanien, wo Minderjährige seit dem 9. November 2015 für eine Abtreibung die Zustimmung ihrer Eltern benötigen. Viele Beispiele, die daran erinnern, wie zerbrechlich dieses Recht ist, selbst innerhalb der Europäischen Union.
Zweifelsohne ein Schritt zurück
In einem zunehmend konservativen, für extremistische Tendenzen empfänglichen Europa, in dem das Erbe der Kirche – insbesondere in den östlichen Staaten – noch einen großen Einfluss zu haben scheint, ist eines sicher: Abzutreiben ist keine Selbstverständlichkeit.
Tatsächlich unterstützen Pro-Life-Anhänger aus ganz Europa seit Mai 2012 die Bürgerinitiative One of Us (Einer von uns), ein Zusammenschluss von Verbänden, der sich als vereint für das Leben und die Würde des Menschen erklärt. Diese Initiative ist Begründer einer Petition, welche die Einstellung der EU-Gelder für NGOs fordert, die Abtreibungen praktizieren. Die Petition hat mehr als zwei Millionen Unterschriften gesammelt. Allerdings wurde sie von der Europäischen Kommission zurückgewiesen, die EU besitzt aktuell keine Gesetzgebungskompetenzen in Fragen der Abtreibung.
So werden die Abtreibungsgegener in Europa immer zahlreicher. Abzutreiben scheint zunehmend einer unmoralischen, wenn nicht gar kriminellen Handlung gleichzukommen. Als ein dies belegendes Beispiel sei Italien angeführt, wo 80 % der Ärzte es ablehnen, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Sie berufen sich hierbei auf die Gewissensklausel, also auf das Recht, einen legalen medizinischen Eingriff abzulehnen, wenn dieser den ethischen Überzeugungen des Arztes widerspricht. Die Ära der Frauenbefreiung und der großen feministischen Proteste scheint wahrlich vorbei zu sein ... Vielmehr scheint Europa in die Zeit der Engelmacherinnen und illegalen Abtreibungen zurückzukehren, wie es in Irland der Fall ist, wo die Mehrheit der Frauen gezwungen ist, für eine Abtreibung ins Ausland zu gehen, andernfalls müssen sie zwischen 600 und 2000 Euro zahlen.
Und laut Euronews steht im zu 98 % katholischen Malta auf Abtreibung weiterhin eine Gefängnisstrafe von 18 Monaten bis 3 Jahren, selbst im Falle einer Vergewaltigung oder gesundheitlicher Risiken. Jedoch ist die Pille danach vor drei Monaten legalisiert worden. „Für mich und die Mehrheit der Bevölkerung in Malta, die denken, dass das Leben mit der Empfängnis beginnt, ist es undenkbar, dass man einen Menschen tötet, weil er unerwünscht ist“, erklärt Paul Vincenti, eine Galionsfigur der maltesischen Pro-Leben-Bewegung Gift of Life. Die Botschaft ist unmissverständlich. Einzig Frankreich scheint eine Ausnahme von der Regel zu machen. Seit dem „Loi Veil“ von 1975 [Gesetz zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, nach der damaligen Gesundheitsministerin Simone Veil, Anm. d. Übers.] ist das Land auf dem Gebiet der Abtreibungspolitik eines der liberalsten. Aber weshalb ein solcher Rückschritt?
Ein Tabuthema?
Vicky Claeys, Direktorin des Internationalen Verbands für Familienplanung, beklagt die Stigmatisierung von Frauen, die eine unerwünschte Schwangerschaft unterbrechen möchten, sowie den sozialen Druck, dem einige von ihnen ausgesetzt sind: „Die Abtreibung bleibt ein Stigma und somit ein Tabuthema und ein Politikum. Es ist nötig, dass sowohl die Medien als auch die Frauen und das medizinische Fachpersonal dieses Thema ganz normal angehen. Denn das Schweigen der Gesellschaft macht zunehmend den Weg für die Konservativen frei“, erklärt sie.
Werden Frauen, die abgetrieben haben, in Europa also immer noch als lauter Schlampen wahrgenommen, so wie im April 1971 im Nouvel Observateur erschienenen, von 343 französischen Schlampen unterzeichneten Manifest? Damals bekundeten berühmte Persönlichkeiten wie Simone de Beauvoir, Catherine Deneuve, Gisèle Halimi oder auch Françoise Sagan mit lauter Stimme, unter gefährlichen Umständen abgetrieben zu haben: „Jedes Jahr lassen eine Million Frauen in Frankreich einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen [...] Es herrscht Schweigen über diese eine Million Frauen. Ich erkläre, eine von ihnen zu sein. Ich erkläre, abgetrieben zu haben“. Vier Jahre später führten ihre Forderungen nach einem freien Zugang zu Verhütungsmitteln und dem uneingeschränkten Recht auf Abtreibung zu einem bedeutenden Fortschritt für die Rechte der Frauen: der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs.
Ich als Frau denke, es wäre sinnvoll, die konservativen Regierungen Europas an die Worte zu erinnern, die Simone Veil am 26. November 1974 so treffend an die französische Nationalversammlung richtete: „Keine Frau nimmt heiteren Herzens eine Abtreibung vor. Es ist immer eine Tragödie. Es wird immer einer Tragödie bleiben.“
Artikel von Juliette Le Maguer. Erstveröffentlichung auf der offiziellen Website der Organisation Eyes on Europe.
Eyes On Europe, 2004 von einer Gruppe von Studenten gegründet, ist eine Organisation, die sich mit europäischen Themen befasst. Über ihre Zeitschrift und ihre Website wirbt sie mit bürgerschaftlichem Engagement und über den Dialog für Europa. Mehr Informationen findet ihr auf ihrer Facebook-Seite.
Translated from IVG : Vers une Europe pro-vie?