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Schlacht um die Kommission: Kleine Morde unter Freunden

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Andrea Schindel

BrüsselPolitikEuropawahlen Spezial

Nach zahlreichen Überraschungen bei den Europawahlen stehen nun die Farben des europäischen Parlaments für die kommenden fünf Jahre fest. Ein Problem besteht aber noch: Wer wird der nächste Kommissionspräsident? Zwischen unlauteren Machenschaften, Allianzen und Betrug, hier ein paar Erklärungen.

Am wahr­schein­lichs­ten ist, dass der­je­ni­ge zum neuen Kopf der eu­ro­päi­schen Exe­ku­ti­ve wird, des­sen Par­tei am meis­ten Wäh­ler­stim­men be­kom­men hat. Doch so ein­fach ist die Eu­ro­pa­po­li­tik nicht. Si­cher ist nur: Die Ent­schei­dung dar­über wer Prä­si­dent wird, ob­liegt dem Eu­ro­päi­schen Rat (eu­ro­päi­sche Staats- und Re­gie­rungs­chefs). Es ist un­wahr­schein­lich, dass die Wahl auf je­man­den fällt, der nicht dem Wil­len der Wäh­ler ent­spricht. Trotz­dem be­steht diese Mög­lich­keit. Denk­bar wäre auch, dass der nächs­te Prä­si­dent nicht unter den sechs Kan­di­da­ten für das Amt des Kom­mis­si­ons-Prä­si­den­ten ist. Ein Spiel, das sich in den kom­men­den Wo­chen ent­schei­den wird.

Eu­ro­pa in einer Par­tie „Ri­si­ko“

Ner­ven­kit­zel birgt auch die Frage: Wer von den Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten könn­te es wer­den? Die kon­ser­va­ti­ve EVP (Eu­ro­päi­sche Volks­par­tei) hat kei­nen über­ra­gen­den Sieg er­run­gen, auf den sie sich nun stüt­zen könn­te. An­ders als an­de­re Par­tei­en hat sie deut­lich we­ni­ger Sitze als 2009 er­hal­ten. Der EVP- Spit­zen­kan­di­dat Jean-Clau­de Juncker wird nicht ohne Ko­ali­tio­nen mit an­de­ren Par­tei­nen eine Mehr­heit fin­den.

Des­halb ist klar, dass der Kom­mis­si­ons­prä­si­dent nicht aus einer ein­zi­gen po­li­ti­schen Fa­mi­lie kom­men kann. Die Par­tei­en müs­sen Ko­ali­tio­nen bil­den, um eine Mehr­heit zu be­kom­men, mit wel­cher der Prä­si­dent ge­wählt wer­den kann. Ma­chen wir uns auf eine Po­li­ti­sie­rung die­ses The­mas ge­fasst. In den nächs­ten Wo­chen wer­den die eu­ro­päi­schen Bür­ger viele Ver­bün­dungs­spiel­chen und -stra­te­gi­en zwi­schen den Par­tei­en zu sehen be­kom­men. Wie bei einer Par­tie „Ri­si­ko“ wird Eu­ro­pa zum Thea­ter der Macht­kämp­fe und har­ten Ver­hand­lun­gen. In der Po­li­tik ist es nie ein­fach Kon­sen­s und Kom­pro­mis­se zu fin­den. Zumal weil am Wahl­abend kein ein­zi­ger Kan­di­dat im Ple­nar­saal des eu­ro­päi­schen Par­la­ments be­reit war, seine Kan­di­da­tur auf­zu­ge­ben.

Jean-Clau­de Juncker for­dert den Pos­ten des Kom­mis­si­ons­prä­si­den­ten für sich. Er be­ton­te in sei­ner Rede, dass er „nicht vor der so­zi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei in die Knie gehen wird“. Mar­tin Schulz, ak­tu­el­ler Prä­si­dent des EU-Par­la­ments, hat hin­ge­gen er­klärt „guter Hoff­nung“ zu sein die Stel­le zu be­kom­men. Ska Kel­ler tritt Ver­hand­lun­gen ge­gen­über nicht ab­ge­neigt auf. Die Grü­nen „wün­schen sich in jedem Fall Ge­sprä­che mit Jean-Clau­de Juncker“, dem Kan­di­da­ten der Eu­ro­päi­schen Volks­par­tei (EVP). Be­stimmt fügte sie hinzu: „Wir, die Grü­nen, wäh­len aber nur für einen Kan­di­da­ten, der auch grüne Prio­ri­tä­ten hat.“

Die Reden wie­der­ho­len sich und bis jetzt hat nie­mand Lust sei­nen Platz einem dem an­de­ren zu über­ge­ben. Das wird sich in den nächs­ten Tagen und Wo­chen ab­spie­len. Mit allen Ar­gu­men­ten die mög­lich sind, wird jeder Kan­di­dat ver­su­chen sich Vor­tei­le zu ver­schaf­fen. Die größ­te Her­aus­for­de­rung wird es sein, eine Mehr­heit im EU-Par­la­ment zu bil­den, die den er­nann­ten Prä­si­den­ten in der Ab­stim­mung le­gi­ti­miert. In den Um­fra­gen zeig­te sich, dass eine Ko­ali­ti­on zwi­schen So­zi­al­de­mo­kra­ten, Li­be­ra­len, Grü­nen und dem Links­bünd­nis, die für Mar­tin Schulz stim­men könn­te, nur wenig Chan­ce hat, zu­stan­de zu kom­men. Mo­men­tan scheint eine Ko­ali­ti­on, die auf min­des­tens 376 Ab­ge­ord­ne­te kommt (die nötig sind, um den Kom­mis­si­ons­prä­si­den­ten vor dem EU-Par­la­ment zu be­stä­ti­gen), eher für den Wahl­sie­ger mög­lich: Jean-Clau­de Juncker.

Ein kurz­fris­ti­ger Ter­min könn­te die Ver­hand­lun­gen durch­ein­an­der ge­bracht haben. Am 27. Mai haben die EU-Staats­chefs sich in Brüs­sel ge­trof­fen, um über die Prä­si­dent­schaft der Eu­ro­päi­schen Kom­mis­si­on zu dis­ku­tie­ren. Dort wurde die Schlacht um die Kom­mis­si­on er­öff­net. Nun gilt es noch einen Monat zu war­ten, bis der Eu­ro­päi­sche Rat den Prä­si­den­ten der Eu­ro­päi­schen Kom­mis­si­on end­lich er­nen­nen wird.

Das biss­chen De­mo­kra­tie, das die EU er­langt hat, könn­te wie­der zer­stört wer­den, wenn ein „Outs­ider“-Kan­di­dat no­mi­niert wer­den soll­te. Soll­ten bei­spiels­wei­se Chris­ti­ne La­g­ar­de (ge­schäfts­füh­ren­de Di­rek­to­rin des In­ter­na­tio­na­len Wäh­rungs­fonds) oder Pas­cal Lamy (ehe­ma­li­ger Ge­ne­ral­di­rek­tor der Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­ti­on) als neue Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten aus den Ge­sprä­chen re­sul­tie­ren, wäre dies ein Schlag vor den Kopf für die eu­ro­päi­sche De­mo­kra­tie. 

Translated from Bataille pour la Commission : Petits meurtres entre amis