Sarkozy meets YouTube 3.0 - futuristisches Kino aus Bologna
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Katha KlossTreppchen, Starrummel und Blitzgewitter waren auf dem 10. Future Film Festival im italienischen Bologna fehl am Platz. Tastatur, Maus und die richtige Softwareausrüstung bestimmen das Kino von morgen.
Seit zehn Jahren überschreitet das Future Film Festival die Grenzen der Filmanimation und präsentiert die neuesten Tendenzen der digitalen Kinolandschaft. Hier im italienischen Bologna wird die Zukunft des digitalen Kinos jedes Jahr neu definiert und in Frage gestellt. Vicki Dobbes Beck, Marketingdirektorin bei Industrial Light & Magic, Matt Aitken, Verantwortlicher der digitalen Animation bei Weta Digital, und der Science Fiction Autor Bruce Sterling begutachten die neuesten Evolutionen auf dem digitalen Kinomarkt.
Aus welchen Zutaten wird das Kino der Zukunft gemacht? Zweifellos werden Filmproduktionen früher oder später weniger kosten. Neue Technologien werden den Markt überfluten und ein unbegrenztes Potenzial an Kreativität freilegen. "Vor nur zehn Jahren habe ich Gollum in der Herr der Ringe-Trilogie Leben eingehaucht. Das kommt mir nun unheimlich weit weg vor!", sagt Matt Aitken gleich zu Beginn. Filme wie Titanic, Jurassic Park oder Men in Black sind 1997 auf Grundlage der neuesten Technik entstanden und haben alle Rekorde gebrochen. Für Aitken sind die Schwierigkeiten von damals mit Bravour überwunden worden: "Wir mussten dafür sorgen, das Haut natürlich aussieht, dass Wasser und Lichteffekte echt wirken. Aber mit einem enormen rechnerischen Aufwand und der Fähigkeit zunehmend mehr Daten verarbeiten zu können, sind wir einen Riesenschritt vorangekommen!"
Vom Bildschirm zur Konsole
Die nächste Herausforderung? Die so genannte "virtual cinematography", die die Technik der "Motion Capture" (Bewegungserfassung) http://de.wikipedia.org/wiki/Motion_Capture zukünftig noch verfeinern soll. Die neue virtuelle Technologie ermöglicht dem Filmemacher, die Bewegungsabläufe der Schauspieler in Direktzeit auf seinem Bildschirm mitzuverfolgen und zu bearbeiten. Eine Art Photoshop für die Kinowelt.
Demnächst sollen auch Videospiele für die Konsole entwickelt werden. Jeder kann darin zum Protagonisten werden. Die Special Effect-Gurus bestätigen diese Neuerung ohne sonderlich beeindruckt zu sein: "Der Zuschauer wird bald nach der Kinovorstellung nach Hause gehen und den Film auf der Konsole nachempfinden."
Vicki Beck eröffnet zudem, dass ihr Arbeitgeber, Industrial Light & Magic - unter anderem für die Effekte des Blockbusterfilms Fluch der Karibik bekannt - bereits einen Arbeitsbereich zu Videospielen ins Leben gerufen hat und auf dem Weg ist, beide Medienformen enger zu vernetzen. Videospiele werden in Zukunft wahrhaftige Scripts haben, betont Beck, an denen wir momentan arbeiten.
(Foto: ©Emanuele Grifoni)
Auch Makoto Shinkai, dessen Film Byousoku 5 centimeters auf dem Festival ausgezeichnet wurde, hat seine Karriere in einer Firma für Videospiele gestartet. Der Science Fiction Autor Bruce Sterling befürchtet andererseits den "Pokemon-Effekt", wie er selbst sagt: die technisch innovativen Filme könnten zu simplen Ketten-Produkten einer ausgefeilten Marketing-Strategie werden, in der ein Zuschauer von der Tasse Kaffee ins Kino und von dort zur Spielkonsole und neuen Handy-Klingeltönen gelotst wird.
Das "Sarko-Renaissance Kino"
In dieser Art von 'Marketing Melting Pot' haben Kreativität und neue Einfälle zunehmend weniger Stellenwert. "Wir leben in einer Dienstleistungsgesellschaft und erfüllen Aufträge", unterstreicht Vicki Beck. "Jede technische Lösung, die wir anbieten, ist aber auf jeden Fall zum Vorteil des Regisseurs. Die Neuerungen ermöglichen ihm einen größeren Handlungsspielraum in seinem Schaffungsprozess." Die Zeichen stehen also auf Perfektionierung der digitalen Filmtechnologie.
Eine glänzende Zukunft stehe demnach in Aussicht. Sterling lächelt: "Warum nicht eine Zukunft à la Bollywood anstreben, eine Mischung aus Anarchie und Technologie? Bollywood ist momentan die größte Filmindustrie weltweit. Und das europäische Kino? Mit wenig technologischem Firlefanz und vielen Subventionen vom Staat, wird dieser "Sarkozy-Renaissance" Stil und die häufig dargestellten Zivilmissionen vielleicht Einfluss auf uns nehmen", schmunzelt er.
Mit immer neuen Techniken kündigt sich auch die Ära YouTube 3.0. an, ein Netzwerk der Zukunft mit zusätzlichen Funktionen, in dem jeder User sich auch als Schauspieler und Regisseur versuchen kann. Laut Sterling könnte "die Welt zu einer großen Filmhochschule werden, in der sowohl Profis als auch Laien ein und ausgehen und mit den neuesten Techniken hantieren. Es wird keine wirklichen Filme, sonder nur noch Filmsequenzen geben. Und bald wird man sich fragen, wo die großen Meister der Filmkunst geblieben sind. Allerdings: wenn alles nur von unseren Prophezeiungen abhinge, würde Japan wahrscheinlich schon seit 20 Jahren den Kinomarkt dominieren", fügt er lächelnd hinzu.
Japan-Superstar beim Future Film Festival in Bologna
Auf dem Future Film Festival wurden vom 15. bis zum 20. Januar 186 Filmkreationen 30.000 Zuschauern vorgestellt. In der Gruppe "Spielfilme" wurde Makoto Shinkais Film Byousoku 5 centimeters mit dem Lancia Platinum Grand Prize ausgezeichent. Der Film wurde auf dem Festival voraufgeführt, bevor er demnächst in europäischen Kinos anläuft. Shinkai erzählt die Freundschaft von Takaki und Akari, deren Wege sich immer weiter trennen. Ein weiterer japanischer Film, Amer béton von Michael Arias, beschreibt Liebe, Freundschaft und Güte als Gefühle, die aus der heutigen korrumpierten Gesellschaft nahezu verbannt worden seien: "Themen, die im Film ohne Rhetorik und Banalität angegangen werden", resümierte Jury-Mitglied Enzo Alò.
Fotos: ©Emanuele Grifoni)
Translated from «Sarkozy o YouTube 3.0?», il futuro del cinema in scena a Bologna