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Samische Minderheit in Finnland: Kultur ja, Wirtschaft nein

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kfluegge

Gesellschaft

Jahrelang waren die Sprache und die vom Schamanismus geprägte Kultur der Samen in Finnland verboten. Jetzt gewinnt das Volk langsam an Anerkennung. 2012 soll in Inarit ein samisches Kulturzentrum eröffnet werden. Wenn es allerdings um Bodenrechte geht, muss die samische Minderheit immer noch darum kämpfen, gehört zu werden. Im Vorfeld der finnischen Parlamentswahlen am 17.

April sprechen wir mit Tanja Joona, Wissenschaftlerin am Northern Institute for Environmental and Minority Law (Nordisches Institut für Umwelt- und Minderheitenrechte) über eine ewige Hassliebe.

Cafebabel.com: Wer sind die Samen eigentlich? Kann man in der multikulturellen Gesellschaft von heute überhaupt noch definieren, was es bedeutet, samisch zu sein?

Tanja Joona: Die Samen sind ein Urvolk Fennoskandinaviens (die Halbinsel, die Norwegen, Schweden, Finnland und Lappland umfasst) und Russlands. Im finnischen Recht ist festgelegt, was ein Same ist. Es wird vom samischen Parlament (das Repräsentativorgan der Samen) angewandt, damit sich Personen, die sich als Samen identifizieren, für dessen Wahl registrieren lassen müssen. In Finnland wird diese Bedingung dazu genutzt, um die Bevölkerung der Samen regelmäßig zahlenmäßig zu erfassen. Im Moment gibt es etwa 9200 Samen. Das Problem dabei ist, dass nicht genau festgestellt werden kann, ob alle Samen in diesem eng definierten Rahmen erfasst werden. In Schweden und Norwegen beispielsweise liegt die Schätzung der Gesamtzahl der Samen über der Zahl der Wählerregistrierungen. Die Definition der samischen Identität ist eine schwierige und schon lange kontrovers diskutierte Frage.

Cafebabel.com: Die Geschichte der Finnen und der Samen ist komplex und von Schmerz geprägt. Wie ist die aktuelle Situation der Samen in der finnischen Gesellschaft?

Tanja Joona: Die Lebensumstände der Samen unterscheiden sich nicht mehr so sehr vom Rest der Gesellschaft. Im Norden Finnlands sind die sozialen Bedingungen und die Arbeitsmarktsituation für alle Einwohner gleich. Einige Samen verfolgen immer noch einen traditionellen Lebensstil, der auf Rentierzucht, Fischerei und Jagd basiert. So ist es aber auch bei anderen Einwohnern Lapplands. Mehr als die Hälfte der 9200 Samen lebt außerhalb des samischen Territoriums, in welchem den Samen kulturelle Autonomie garantiert wird. Große samische Gemeinden sind auch in den Städten Südfinnlands - Rovaniemi, Oulu und Helsinki - zu finden. Dort leben die Samen im selben sozialen und beruflichen Umfeld wie die Finnen. Die Kinder können dort in den Krippen und an den Schulen Samisch-Unterricht erhalten.

Cafebabel.com: Finnland hat zahlreiche Konventionen unterzeichnet, die die Grundrechte der Samen anerkennen. Trotzdem scheint die Konvention Nr.169 ein größeres Problem zu sein. Am 1. Januar 2011 stimmte das finnische Parlament gegen seine Ratifizierung. Warum eine solche Blockade?

Tanja Joona: Artikel 14 der ILO-Konvention bestimmt, dass der Staat dazu verpflichtet ist, „die Eigentums- und Besitzrechte der betreffenden Völker an dem von ihnen von Alters her besiedelten Land [...] anzuerkennen“. Die Debatte in Finnland dreht sich darum, ob der Artikel tatsächlich „Eigentum“ meint und nicht etwa „Verwaltung“. Auch die Nutzungsberechtigung für die Rentierzüchter spielt eine wichtige Rolle. Für den Staat hat das Eigentumsrecht eine sehr große Bedeutung und es ist daher nicht leicht, einen so großen Teil des wirtschaftlichen Einkommens an eine Minderheit abzutreten.

Cafebabel.com: Finnland hat im Ausland das Image eines liberalen, modernen und demokratischen Landes. Wie erklären Sie sich, dass Norwegen diese Konvention hinsichtlich seiner samischen Minderheit schon 1990 ratifiziert hat, während Finnland und Schweden immer noch zögern?

Tanja Joona: Die norwegische Tradition ist ein wenig anders als in Finnland. Die Ratifikation der ILO-Konvention mag bei ihnen schneller gewesen sein, aber ihre Umsetzung war anschließend eine echte Herausforderung. In Finnland ist die Situation anders. Wir versuchen, unsere Gesetzgebung so zu ändern, dass sie die Anforderungen der Konvention schon im Voraus erfüllt. Danach werden der Ratifikations- und der Umsetzungsprozess viel einfacher sein. Aber im Prinzip wissen wir eigentlich nur sehr wenig darüber, welche Folgen solche internationalen Konventionen für Grundrechte in der Praxis haben, sei es für die Politik oder die Justiz.

Cafebabel.com: Den Medien zufolge ist die finnische Zentrumspartei für das Scheitern verantwortlich, da sie die Vorarbeit des Justizministeriums nicht weiterverfolgt hat. Ist das aktuelle Problem also politischer Natur?

Tanja Joona: Die Ratifikation solcher Konventionen hat natürlich immer eine politische Seite. Aber in diesem Fall erfordert sie auch ein gewisses Maß an Sachverstand, weil sie bedeutende Gesetzesänderungen mit sich bringt. Der Großteil der Parteien ist gegen die Ratifizierung und auch innerhalb der Parteien gibt es Meinungsverschiedenheiten. Die Grünen sind für die Ratifizierung, da ihnen der Justizminister angehört. Viele Parteien unterstützen den Erhalt der samischen Kultur und Sprache, aber sobald es um Bodenrechte geht, möchte niemand Verantwortung übernehmen. Mit den Parlamentswahlen am 17. April wird es vielleicht zu einer Auflösung dieser Blockade kommen.

Cafebabel.com: Handelt es sich hier nur um ein wirtschaftliches Problem, das mit der Nutzung der Gebiete im Norden Fennoskandinaviens im Allgemeinen verbunden ist?

Tanja Joona: Wenn wir von diesem Territorium sprechen, das ein Drittel der Gesamtfläche Finnlands ausmacht und das als „Eigentum“ der Samen anerkannt werden soll, dann geht es natürlich um wirtschaftliche Interessen. Dieses Gebiet gehörte ursprünglich den Samen. Und es handelt sich auch nicht nur um den Norden Finnlands, der als „Heimat der Samen“ gilt. In Schweden ist die Fläche samischen Territoriums ungefähr gleich.

Fotos: Homepage (cc)youngrobv (Rob&Ale)/flickr ; Finnischer Grund und Boden (cc)Jacopo O./flickr; Flagge (cc)christopher.forster/flickr

Translated from Finlande : les Samis entre droits culturels et non-droits économiques