Russlands Journalismus: Der Untergrund lebt
Published on
Translation by:
Dinah AzizAuf dem internationalen Ranking für Pressefreiheit ist Russland auf Platz 148 von 179. Auch wenn die Arbeitsbedingungen von Journalisten nicht leicht sind, haben die Journalisten Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Drei Journalisten berichten von ihren Erfahrungen in Putins Russland.
Drei russische Journalisten sprachen über die Schwierigkeit ihren Beruf auszuüben und über den Druck, der in ihrem Land auf sie ausgeübt wird: Alexei Polukhin, Journalist der unabhängigen Tageszeitung Novaïa Gazeta, Abdulla Duduev, Herausgeber des Magazins Dosh in Tschetschenien, und Alekseï Sidorenko, Blogger und Social Media Experte. Sie sprechen von der Veränderung, die derzeit im Land stattfindet.
EIN BERUF, DER ZU GEFÄHRLICH IST
Seit der Rückkehr Vladimir Putins im Mai 2012 wurden neue, repressive Gesetze verabschiedet. Themen wie Religion oder LGTB können nicht ohne Gefahr angesprochen werden. „Die Beleidigung des Patriotismus steht unter Strafe“, erklärt Alekseï Sidorenko. Die Regierung wollte sogar Wikipedia wegen eines Artikels über Marihuana blockieren.
Nur das Fernsehen scheint von diesen Eingriffen der Regierung verschont zu werden, da alle Fernsehkanäle ohnehin vom Kreml kontrolliert werden. Die Exekutive versucht die wenigen unabhängigen Zeitungen zu blockieren, indem sie ihnen die Finanzierung verweigert. „Die Aktieninhaber sind gezwungen, ihre finanzielle Hilfe wegen Regierungskontrollen auszusetzen“ gesteht Alexei Polukhin, dessen Zeitung seit über 20 Jahren Korruptionsaffären und Menschenrechtsverletzungen aufklärt. Doch ohne finanzielle Unterstützung kann die Presse ihre Reportagen nicht machen. Konfrontiert mit diesen Zwängen, wenden sich viele junge Menschen vom Journalismus ab. „Der Beruf ist zu gefährlich, sie suchen nach sichereren Berufen“, so Alekseï Sidorenko.
„EIN KALTER BÜRGERKRIEG“
Doch die Situation ist nicht festgefahren. Im Oktober 2011 gab es Demonstrationen. „Heute findet in Russland ein kalter Bürgerkrieg zwischen der Regierung und dem Volk statt“, beteuert Alexei Polukhin. Obwohl Veränderungen in der Führungsetage der russischen Medien brutal herbeigeführt wurden, haben die Redaktionen keine Rückschritte gemacht. Im Gegenteil. „Bei den unabhängigen Journalisten steigt das Interesse an Politik“, beobachtet Alexei Polukhin. Kritische Themen werden anonym publiziert. Der investigative Journalismus schreibt aus dem Untergrund weiter. Es wird sogar ein Preis vergeben.
Die Aussagen der drei Redner zeigen, dass Journalisten in diesem großen Land mit 143 Millionen Einwohnern nicht komplett mundtot gemacht werden können. Abdulla Duduev kommt auf die Gründung seiner Zeitung 2003 zurück: „Der Name unserer Zeitschrift „Dosh“ bedeutet „Songtext“ auf tschetschenisch. Im Fernsehen gab es zu diesem Zeitpunkt nur anti-tschetschenische Propaganda. Unter diesen Bedingungen wurde die Zeitschrift als Aufschrei gegründet, um zu sagen, was wirklich in der Region passiert.“ Duduev kämpft also dafür, dass die Wahrheit gehört wird, obwohl Journalisten im Kaukasus physische Bedrohungen hinnehmen müssen und einige ihrer Artikel nicht unterschreiben können. Doch die Bedrohten zeigen sich immer häufiger: Demonstrationen von Journalisten nehmen zu. Die letzte Demonstration fand letzten Oktober statt und forderte die Befreiung des Greenpeace Photographen Denis Sinyakov.
„Das Internet hat gezeigt, welche Möglichkeiten es Bürgern eröffnet“, erklärt Alekseï Sidorenko. Der Blogger freut sich, dass die Suchmaschine Yandex mehr Menschen erreicht, als das offizielle Fernsehen. Soziale Medien bieten immer mehr Möglichkeiten zu kommunizieren und seine Meinung kund zu tun. „Ohne sie, könnten die Journalisten ihre Aufgaben nicht erfüllen“, bekennt er. Trotzdem gibt es ein Überwachungssystem für das Internet, das es zu umgehen gilt. Am Ende kann man dem harten Kurs von Putin doch etwas Positives abgewinnen, denn, „je repressiver und idiotischer die Gesetze sind, desto schneller wird es zu Veränderungen kommen.“
Aussagen zusammengetragen anlässlich einer Diskussion, die in Straßburg im Rahmen des „Forum Mondial Pour la Démocratie“ (Weltweites Forum für Demokratie) stattfand.
Translated from Sotchi : le journalisme comme terrain de Jeux