Russisch Roulette in Nikosia: Zypern gegen Zwangsabgaben
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Das zyprische Parlament hat gestern mit großer Mehrheit gegen die umstrittene Zwangsabgabe für Bankkunden gestimmt. Damit ist die Voraussetzung für das am Samstag beschlossene Rettungspaket nicht erfüllt. Die Reaktionen der europäischen Presse: Einige Kommentatoren warnen, dass sich Zypern nun von Russland retten lassen wird.
Andere betonen, dass eine Bankenunion der EU den Schlamassel erspart hätte.
Il Sole 24 Ore: Schuss auf Russland geht nach hinten los (Italien)
Dass Brüssel mit der nun gescheiterten Zwangsabgabe nicht die zyprischen Sparer, sondern russische Bankkunden treffen wollte, erwies sich als Bumerang, schimpft die liberal-konservative Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore: "Wie immer will es jetzt keiner gewesen sein. [...] Das Verwirrspiel der Verantwortung rührt von der Unausgewogenheit der Entscheidungsprozesse her, die die letzten Jahre der EU-Krise gekennzeichnet haben. [...] Das Verhältnis Europas zu Russland ist von großen Interessen und nicht minder großem Argwohn geprägt. Vor allem Deutschland will Zypern zwingen, den Finanzkanal mit Moskau zu schließen. Die Frage ist von einer solchen Tragweite, dass sie wohl kaum von Finanzministern hätte in Angriff genommen werden dürfen, sondern von den Regierungschefs oder den Außenministern. Aber Europa hat keine wahre gemeinschaftliche Außenpolitik, und noch weniger besitzt es eine solche auf der Ebene der Währungsunion. Mit dem Ergebnis, dass Zypern sich nun Hilfe suchend Moskau zuwenden wird." (20.03.2013)
Expansión: EU treibt Nikosia in die Arme Moskaus (Spanien)
Weil der ursprüngliche Plan zur Beteiligung Zyperns an seiner eigenen Rettung nun vom Tisch ist, bleibt dem Land kaum etwas anderes übrig, als sich hilfesuchend nach Russland zu wenden, warnt die konservative Tageszeitung Expansión: "Zypern hat kaum Alternativen, die 5,8 Milliarden Euro aufzubringen, die Brüssel als Gegenleistung für die Rettung verlangt. Die jährlichen Steuereinnahmen liegen unterhalb dieser Summe. Und es weigert sich, große Spareinlagen mit mehr als zehn Prozent zu belasten. Rund ein Viertel dieser Großanleger sind Russen, von denen die maroden und überdimensionierten Banken zu einem großen Teil abhängen. Aber selbst die gestern vom Parlament abgelehnte Maßnahme, niedrigere Spareinlagen von unter 20.000 Euro mit in die Zwangsabgabe einzubeziehen, würde nicht ausreichen, die Forderungen aus Brüssel zu erfüllen. Die zyprische Regierung befindet sich in einer ausweglosen Situation, die es wieder in die Arme Russlands treiben könnte, das die Abgabe vehement ablehnt. Und sei es nur, um seine europäischen Partner unter Druck zu setzen." (20.03.2013)
Blog Pitsirikos: Rettung der Euro-Zone liegt in Russland (Griechenland)
Zyperns Präsident Nikos Anastasiadis hat nach der Ablehnung des Rettungspakets durch das zyprische Parlament Gespräche mit Russlands Staatschef Wladimir Putin begonnen. Russland kann nicht nur Zypern, sondern der ganzen EU helfen, meint der Blogger Pitsirikos: "Zypern hat eine gute Entscheidung getroffen. [..]. Die EU muss Zypern folgen und sich an Russland wenden. Es ist offensichtlich, dass die EU seit Jahren schwer krank ist und bald zusammenbrechen wird. Wir sollten uns nicht täuschen. Die EU braucht Russland und Russland braucht die EU. Wir sollen uns an Charles de Gaulles Vision erinnern, der von einem Europa vom Atlantik bis zum Ural träumte. [...] Russland sollte Mitglied der EU werden, damit die EU nicht zusammenbricht. [...] Das würde Europa die nötige Energie-Autonomie gewährleisten und ein riesiges, unglaublich dynamisches Potenzial in der Euro-Zone schaffen. Eine unbesiegbare Kombination. [...] Die Europäische Union Deutschlands hat keine Gegenwart und keine Zukunft." (20.03.2013)
Financial Times: Bankenunion kommt für Zypern zu spät (Großbritannien)
Verhandlungsführer des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten haben sich am Dienstag auf die gesetzliche Grundlage einer gemeinsamen Bankenaufsicht als erste Stufe zum Aufbau einer Bankenunion geeinigt. Gäbe es die Bankenunion schon, hätten die Probleme, die die Rettung Zyperns Europa nun bereitet, vermieden werden können, glaubt die wirtschaftsliberale Tageszeitung Financial Times: "Gibt es keine Alternative zur Beteiligung der Gläubiger an einer Rettungsaktion? Doch, gibt es: Eine direkte Rekapitalisierung der Banken durch die Euro-Zone, für die auch insgesamt weniger Geld aufgewendet werden müsste. Würde die Bankenunion bereits existieren und funktionieren, wäre diese Alternative auch gewählt worden. Aber die Bankenunion gibt es noch nicht, wahrscheinlich weil die Kernländer der EU keine mangelhaften Bankensysteme retten wollen, wie das zyprische Bankensystem als Schlupfloch und Steueroase für russisches Kapital eines ist. [...] Eine potenzielle Gefahr sind Banken überall. Aber in der Euro-Zone bedrohen sie deren Überleben. Das muss sich ändern - und zwar schnell." (20.03.2013)
De Volkskrant: Späte Quittung für Zyperns Aufnahme in die EU (Niederlande)
Wegen der geplanten Zwangsabgabe für Sparer in Zypern ist der Euro-Gruppen-Chef und niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem in seinem Land unter Beschuss geraten. Die Kritik ist ungerecht, meint die linksliberale Tageszeitung De Volkskrant: "Als ob es der arme Dijsselbloem war, der sich von der griechischen Mischpoke erpressen ließ, um ein Inselchen in die EU zu lassen, das als Geldwaschmaschine für zwielichtige Personen bekannt war. Zudem ein geteiltes Inselchen. Ein finanzielles und diplomatisches Wespennest, das niemand, der einigermaßen bei Sinnen ist, jemals in die EU gelassen hätte. [...] Zypern versprach ein Ende der Geldwäsche. Zypern versprach, einer Föderation des griechischen und türkischen Teils der Insel zuzustimmen. [...] Die Geldwäsche verschwand auf dem Papier, doch das Geld der russischen Mafia liegt noch immer auf der Bank. Und das Inselchen ist immer noch geteilt. [...] So betrachtet wäre der 'Diebstahl' an zypriotischen und vielen russischen Bankkunden kein Fehler, sondern eine späte Quittung für einen noch viel größeren Fehler der Vergangenheit." (20.03.2013)
Illustrationen: Teaserbild (cc)Tax Credits/Flickr ; Im Text: (cc)European People's Party EEP/Flickr