Robert Thalheims 'Westwind': Frische Brise Geschichte im deutschen Kino
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Christina HeuschenWestwind, der dritte Film des Regisseurs Robert Thalheim, eröffnete am 19. November das Festival du Cinéma Allemand im Pariser Kino L’Arlequin in Paris. 1974 in Westberlin geboren, ist Thalheim ein weiterer , der die Geschichte des geteilten Deutschlands aufrollt. Dabei schiebt er allerdings Klischees beiseite und konzentriert sich auf Zwischenmenschliches.
Wir schreiben das Jahr 1988. Ein Jahr vor dem Fall der Mauer fahren die Zwillinge Doreen (Friederike Becht) und Isabel (Luise Heyer) in ein Trainingscamp am Rande des Balatons in Ungarn. Sie hoffen in das Ruderteam der DDR aufgenommen zu werden. Am Plattensee treffen die zwei Frauen zwei junge Deutsche aus Hamburg, und trotz der Regeln des Camps können sie der Versuchung nicht widerstehen, das Nachtleben in allen Zügen auszukosten.
Bis über beide Ohren verliebt, setzt Doreen plötzlich neue Prioritäten. Hin und her gerissen zwischen ihrer Schwester, der konzentrierten Teilnahme an den Trainingseinheiten und ihrer persönlichen Geschichte, muss sie eine Entscheidung treffen, die das einende Band der Zwillinge gefährden könnte. Vor der Kulisse eines durch seine schwerwiegende Geschichte zerrissenen Deutschlands erzählt uns der Westwind-Regisseur Robert Thalheim eine wahre Geschichte, die die Produzentin des Films tatsächlich erlebt hat.
Thalheim war damals 15 Jahre alt, als die Mauer gebaut wurde. Der Filmemacher ist vom Leben in Ostdeutschland und vom Osten Europas fasziniert. „Ich habe eine andere Welt entdeckt. Alles schien neu. Das war faszinierend. Ich wurde erwachsen. Wir sind alle zusammen in den Osten gereist, wir haben neue Leute getroffen und zusammen gefeiert. Ich bin in der Vorstadt groß geworden: Dort hat sich von meiner Kindheit bis jetzt kaum etwas verändert. Ostberlin erlebte im Gegenteil tiefgreifende Veränderungen. Das war phänomenal. Danach begann ich mich auch für Polen und Osteuropa zu interessieren.“
Die Episode des geteilten Deutschlands wirft immer wieder neue Fragen auf und ist au der großen Leinwand unerschöpflich. Die Geschichte zwischen Ost und West hat schon einige Regisseure vor Thalheim inspiriert. Es wimmelt nur so an Filmen über die Nazi- und die Wendezeit im modernen deutschen und international populären Kino. Komödien oder Dramen wie Goodbye Lenin (2002) oder Das Leben der Anderen (2006) waren auch außerhalb Deutschlands ein großer Erfolg.
Robert Thalheim möchte vor allem Klischees ausräumen: „Im Kino wird immer wieder die Frage nach der Stasi-Vergangenheit gestellt. Die DDR wird wie ein grauer Bunker dargestellt oder man macht sich über die Bürger, ihre Kleidung und ihre Musik lächerlich. Viele Ostdeutsche mögen Das Leben der Anderen nicht, weil es nicht die erlebten Erfahrungen der Bürger der DDR darstellt. Die Menschen lebten nicht in einer solch sentimentalen Agonie, sie hatten natürlich auch ein Leben. In den Ferien waren sie häufig in Ferienkolonien und erlebten auch schöne Dinge in der DDR.“
Robert Thalheim ist in Westwind nach Ungarn zurückgekehrt, an die sonnigen Ufer des Balaton. Die visuelle Kulisse des Films ist weit von der stalinistischen Einöde der DDR entfernt. In Ungarn hatten Menschen aus Ost- und Westdeutschland die Möglichkeit, sich in einer idyllischen Umgebung zu treffen. „Für Ostdeutschland war es ein Wunschort. Der Plattensee war für die exotisch, die nicht ans Mittelmeer oder den Atlantik konnten. Für Westdeutschland war es der ideale Ort, um günstig Urlaub zu machen. Eine besondere Gegend: Auf der einen Seite gab es Coca Cola und auf der anderen die Stasi, die versuchte Kontakte zwischen Urlaubern aus Ost und West zu verhindern.“
Auch heute, 20 Jahre nach dem Fall der Mauer, ist die Wiedervereinigung noch immer nicht abgeschlossen. „Ich komme aus Westberlin und meine Frau aus Ostberlin", erzählt Thalheim. "Wir singen unseren Kindern nicht die gleichen Lieder vor, denn wir kennen ganz einfach nicht dieselben.“ Der Regisseur betont außerdem, dass die für Westwind gecasteten Schauspieler erst nach dem Mauerfall geboren sind. Thalheim weiß trotzdem so gut wie immer, ob sie aus dem Westen oder Osten kommen.
In Westwind behält Robert Thalheim den Erzählstoff seiner zwei vorherigen Filme Netto (2005) und Am Ende kommen die Touristen (2007) bei: Deutschlands düstere Geschichte des letzten Jahrhunderts. Ob er Vergangenheitsbewältigung betreiben wolle? „Nein“, antwortet er. „Ich beschäftige mich mit der Geschichte und jedes Mal fesselt mich ihr Einfluss auf Folgegenerationen. Ich habe meinen Zivildienst in Auschwitz gemacht und habe dort festgestellt, dass gewisse Punkte der Geschichte unsere Beziehungen beeinflussen können. Die Vergangenheit ist niemals vergangen. Und das möchte ich in meinen Filmen erzählen.“
Für die Zukunft plane Thalheim zwei weitere Filme, die aber dieses Mal nicht von der deutschen Geschichte erzählen sollen, vertraut er uns lachend an. Die Komödien sollen vom Familienalltag und der Schwierigkeit Arbeit und Kindererziehung in Einklang zu bringen handeln.
Illustrationen: Homepage ©Beta film; Robert Thalheim ©Noblesse Oblige Distribution; Videos: Westwind (cc) Kino/YouTube; Am Ende kommen die Touristen (cc)filmportal.de/YouTube
Translated from Westwind : Robert Thalheim et les vents contraires du cinéma allemand