Rif - Paradies des Kiff
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Daniela Berger-RiedeSo lautet der touristische Slogan von Chefchaouen, einer Stadt im nordmarokkanischen Gebirge. Der Ort ist bekannt für seine blau getünchte Medina und seine Haschischfelder. Von da aus geht tonnenweise Hanf nach Europa.
„Zum ersten Mal in Chefchaouen? Willkommen, mein Freund. Willst du was rauchen?“ Kaum angekommen und schon umworben. Das Rif, eine bergige Region im Norden Marokkos, lebt im Rhythmus der Trommeln, die eher den Takt angeben, um die Hanfpflanzen zu schlagen und das Harz aus ihnen zu gewinnen, als die Region musikalisch zu beleben. 2006 ist Marokko vom Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung zum Hauptproduzenten und -exporteur von Haschisch erklärt worden. Chefchaouen ist das spanische „Amsterdam“ geworden. Dort ist der Europäer per definitionem treuer Konsument. Hier hat der Haschischanbau Tradition.
Die Hanf-Ernten haben sich innerhalb von zwei Jahrzehnten vervierzigfacht.
Die Phönizier nutzten den Hanf, um sich zu kleiden, bevor sie seine euphorisierende Wirkung entdeckten. Noch heute rauchen die Bewohner des Rifgebirges ihn als Haschisch in einer Pfeife mit zwei Dritteln Marihuana und einem Drittel schwarzem Tabak. Aber die Nachfrage aus Europa in den siebziger Jahren hat den Anbau radikal verändert und industrialisiert, die Ernten haben sich innerhalb von zwei Jahrzehnten verdreißig-, ja vervierzigfacht, gibt das Geopolitische Observatorium für Drogen (OGD) bekannt.
Schwierige Lage der Bauern
Durch sein bergiges Relief, seine geringe Bevölkerungsrate und die Isolation von Marokko ist das Rif eine sehr arme Region, der es an Ausstattung und Entwicklungshilfe mangelt. Zur Zeit des französisch-spanischen Protektorats hatte lediglich der unter der Kontrolle des Hexagons stehende Teil den Anbau der Droge verboten. Ende der fünfziger Jahre war es der Regierung nicht gelungen, die Hauptkämpfer abzuwehren, die die Unabhängigkeit Marokkos ermöglichten.
Die Dörfer organisieren sich und legen ihre Plantagen terrassenförmig an, da das unebene Relief die Landwirtschaft nicht begünstigt. Die Cannabisfelder finden sich inmitten einer wasserarmen Landschaft oder in den Wäldern, die in atemberaubender Geschwindigkeit an Fläche verlieren. Innerhalb von zwanzig Jahren mussten im Ketama-Tal 20.000 Hektar Wald Cannabisfeldern weichen. Die Tendenz zur Monokultur hat die Gesellschaft des Rif zerstört.
Beni Maala ist ein kleines Dorf zwischen Bergen und Meer im Umland von Chefchaouen. Die Nähe zu den euro-afrikanischen Küsten begünstigt den Haschischhandel. Das Cannabis wächst auf der einen Seite des Berges und wird auf der anderen Seite nach Europa verschifft. Es gibt zwei Arten von Plantagen. Die ein Meter hohen bringen eine hervorragende Qualität. Die drei Meter hohen werden beispielsweise nach Amsterdam geschickt. Lediglich die Männer kümmern sich um die Produktion. Den Frauen bleibt die Hausarbeit. Sie schleppen riesige Holzbündel, kochen und unterhalten den Hof. Ihr Leben bleibt schwierig. Die Familien verdienen fast nichts, gerade mal 1 bis 5% des Marktwertes des Hasch, das sind 10.000 bis 70.000 Dirham (900 bis 3600 Euro) pro Jahr. Viele hoffen, den gleichen Weg nehmen zu können wie die Droge. Die Meerenge zu überwinden und ihre Arbeitskraft in Europa zu verkaufen.
In Spanien gefasst
Die Mafia, die sich um den Transport kümmert, macht dabei Millionen-, sogar Milliardengewinne. Das Gold des Rif reist in Barkassen oder in Mägen. Die Schmuggler schlucken in Zellophan eingewickelte „Bonbons“. Portionen, die man auch Touristen verkauft, um die Grenze zu passieren. 2004 kamen 80% des in Europa sichergestellten Haschisch aus Marokko, davon wurde die Hälfte in Spanien abgefangen. Das füllt die Spalten der iberischen Boulevardpresse. Die Droge ist nicht das einzige Leitmotiv der Mafiakreise. Das Rif ist ein Durchgangsgebiet für illegale Einwanderer. Auf den Pfaden sind Taue befestigt, die sie des Nachts nutzen. Die Grotten beherbergen eine überquellende Parallelwelt.
Seit 2005 werden immer wieder Cannabisfelder verwüstet, um sie endgültig zu zerstören. In diesem Zusammenhang ist auch die Region Larache im Süden von Tanger wird oft im Gespräch. Nach Auskunft des Internationalen Suchtstoffkontrollrates (INCB) hat Marokko seine Plantagenfläche zwischen 2004 und 2005 um 40% reduziert. Rabat möchte es bis 2018 schaffen, mit dem Haschisch Schluss zu machen. Nationalparks und touristische Einrichtungen sollen her. Alternative Entwicklung ist angesagt. In Partnerschaft mit europäischen Finanzierungsprogrammen hat man Projekte auf die Beine gestellt, um den Haschisch gegen alternative Kulturen oder grünen Tourismus, der Trekkingfans anlocken soll, auszutauschen.
Solange Bedarf besteht, müssen wir weiter produzieren.
Aber wie kann man die Bauern davon überzeugen, von den Cannabiskulturen zur Gerste zu wechseln, die finanziell gesehen zwölf bis sechzehn Mal weniger einbringt? Um Chefchaouen herum bleiben die Bauern optimistisch. Der Ausdruck „kif“ kommt von dem arabischen Wort „kef“, was soviel wie „Vergnügen“bedeutet. „Wir sind die Hauptanbieter von Vergnügen in Europa, übersetzt Amine, ein Bergführer. Solange Bedarf besteht, müssen wir weiter produzieren.“
Translated from Du Maroc en Espagne, des estomacs pleins de haschich