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Problem der Anrede: Madame? Oder soll ich Mademoiselle sagen?

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Andrea Schindel

Gesellschaft

Ma­dame? Ma­de­moi­sel­le? Frau? Fräu­lein? Viele eu­ro­päi­sche Spra­chen bie­ten meh­re­re An­re­den für Damen. Keine davon ist neu­tral. Die Aus­drü­cke tra­gen zu­sätz­li­che Be­deu­tun­gen, die Klar­heit über Macht­be­zie­hun­gen, Alter oder Hei­rat schaf­fen. An­re­den hel­fen uns, unser Ge­gen­über ge­sell­schaft­lich ein­ord­nen zu kön­nen.

Beim Mit­tag­es­sen in Paris, ver­schlang ich die Ap­pe­tit­häpp­chen, als würde das Haupt­ge­richt jeden Mo­ment ge­bracht wer­den. Meine Freun­din be­rich­te­te mir auf­ge­regt davon, dass sie nun of­fi­zi­el­le Be­sit­ze­rin einer Ei­gen­tums­woh­nung sei. Ich hörte ge­bannt zu und war be­geis­tert für ihre Er­run­gen­schaft. Doch ich konn­te nicht umhin und muss­te sie un­ter­bre­chen: Ich brauch­te schar­fe Sauce.

„Ich frag‘ mal“, sagte sie. Nicht, dass ich kein Fran­zö­sisch kann, aber wir wis­sen ja alle, dass Kell­ner lie­ber Ih­res­glei­chen ant­wor­ten als Ame­ri­ka­ne­rin­nen, die stän­dig alle mög­li­chen Sau­cen zum Essen haben wol­len.

Voilà, ma­dame.“

Meine Freun­din stock­te.

 „Was ist los?“

„Er hat mich ma­dame ge­nannt!“

„Ja, und?“

„Sehe ich schon so alt aus?“

„Quatsch! Wieso? Ich werde auch immer ma­dame ge­nannt.“

Nach die­sem kur­zen Zwi­schen­fall war ich neu­gie­rig, was meine Freun­din über An­re­den und ge­sell­schaft­li­che Sta­tus von Frau­en dach­te. Ich war über­rascht, als ich her­aus­fand, dass sie durch­aus glei­che An­re­den für Män­ner und Frau­en be­für­wor­tet und eben­so für eine Ver­ban­nung des ma­de­moi­sel­le plä­diert.

Dies er­scheint je­doch eher wi­der­sprüch­lich. Eben war sie noch sauer ge­we­sen, dass sie nicht ma­de­moi­sel­le ge­nannt wurde. Aber ich will sie nicht ver­ur­tei­len.

Viele Frau­en wol­len nicht als ver­hei­ra­tet oder un­ver­hei­ra­tet vor­ge­stellt wer­den. Aber seit­dem es die An­re­de ma­de­moi­sel­le gibt, wird sie in Ver­bin­dung mit dem Alter ge­bracht. Junge Fran­zö­sin­nen wer­den noch heute so an­ge­spro­chen, wo­hin­ge­gen äl­te­re (oder älter aus­se­hen­de) Frau­en mit ma­dame an­ge­re­det wer­den. Zwar hat der ehe­ma­li­ge Pre­mier­mi­nis­ter François Fil­lon An­fang 2012 das ma­de­moi­sel­le in Be­hör­den­for­mu­la­ren ver­bo­ten, den­noch trifft man es im fran­zö­si­schen All­tag häu­fig an. Vor allem im pri­va­ten Be­reich wie auf Ver­si­che­rungs- und Te­le­fon­rech­nun­gen oder Wer­be­tex­ten.

Das deut­sche Fräu­lein wurde be­reits 1972 aus der Be­hör­den­spra­che ver­bannt und seit den 80ern gilt die An­re­de als kul­tu­rel­les Ta­bu­wort, das als dis­kri­mi­nie­rend emp­fun­den wird. In den USA und den meis­ten an­de­ren eng­lisch­spra­chi­gen Län­dern kön­nen Frau­en auch die An­re­de Ms (also ver­hei­ra­tet oder un­ver­hei­ra­tet) wäh­len. Dies be­wahrt vor einer „Eti­ket­tie­rung“ des ge­sell­schaft­li­chen Sta­tus. Es gibt auch noch madam oder ma’m, eher alt­mo­di­sche Aus­drü­cke, die aber von gro­ßem Re­spekt zeu­gen kön­nen. Das Eu­ro­päi­sche Par­la­ment hat so­wohl Miss als auch Mrs aus ihren Pa­pie­ren ver­bannt, gegen Se­xis­mus und für eine „all­ge­mein neu­tra­le“ Spra­che.

Um zu ver­ste­hen, wie man in Frank­reich über sol­che Ver­än­de­run­gen denkt, sprach ich mit einer Hand­voll Män­ner und Frau­en. Ihre Po­si­tio­nen  gehen aus­ein­an­der.

Man­che Frau­en glau­ben, dass man mit ma­de­moi­sel­le jun­gen Frau­en schmei­chelt. Eine End­zwan­zi­ge­rin spricht sich dafür aus, dass diese An­re­de auf Si­tua­tio­nen des Ver­füh­rens be­grenzt wer­den solle. Den­noch möch­te sie nicht, dass ir­gend­wer über ihr Alter oder Hei­rats­stand Be­scheid weiß. Meine Freun­din, die sich be­schwer­te ma­dame ge­nannt wor­den zu sein, glaubt, dass viele Ver­än­de­run­gen von Ge­set­zen an­ge­regt wer­den und dass es eine Weile dau­ert bis dies in der Ge­sell­schaft an­kommt. Viele der Män­ner könn­ten nicht ver­ste­hen, warum junge Frau­en mit ma­dame an­ge­spro­chen wer­den wol­len. Ei­ni­ge fordern sogar eine gleichwertige Anrede, eine männliche Version von ma­de­moi­sel­le. Mög­li­che Be­zeich­nun­gen wären da­mo­i­seau und mon­da­mo­i­seau (dt. ‚Herr­lein‘), al­ter­tüm­li­che Aus­drü­cke für junge, un­ver­hei­ra­te­te Män­ner, die nie einen of­fi­zi­el­len Stand er­reicht haben. Heute wird au­ßer­dem jeune homme (dt. ‚jun­ger Mann‘) be­nutzt.

Frank­reich ist nicht das ein­zi­ge Land, in dem junge Frau­en nach­ wie ­vor tra­di­tio­nell an­ge­re­det wer­den. Die Ita­lie­ner spre­chen junge Damen mit si­gno­ri­na an und die Spa­ni­er mit señorita. Diese For­men wer­den wie das fran­zö­si­sche ma­de­moi­sel­le zum Schmei­cheln oder Ken­nen­ler­nen ge­braucht.

Dar­aus las­sen sich zwei Schlüs­se zie­hen: Ent­we­der wird in Län­dern wie Frank­reich oder Spa­ni­en un­glaub­lich viel ge­flir­tet, oder sie sind auf ihre Wei­sen sehr tra­di­tio­nell ge­blie­ben. Es könn­te auch eine Mi­schung dar­aus sein. Viel­leicht soll­te das ge­än­dert wer­den?

Translated from Battle of the Sexes: Madame? Or should I say, Mademoiselle?