« Pop-Porn »: Sex selbstgemacht im Netz
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Katha Kloss"Because Internet is for porn", lautet ein Liedchen, das seit einigen Jahren die Runde im Netz macht. Das Gegenteil zu behaupten ist schwierig. Spontan fragt man sich wie ein manchmal lächerlich manchmal faszinierendes Produkt, das mit so wenig Aufwand hergestellt wird, so viele Menschen begeistern kann. Manchmal so gar so sehr, dass sie auf die andere Seite der Kamera wechseln.
„Es ist nicht nur eine Frage des Geldes“, sagen Mark und Evan über YouPorn. „Was wir am meisten mögen, ist die Auswahl und die Natürlichkeit im Netz.“ Natürlichkeit und Porno scheinen auf den ersten Blick ein ziemlich missratenes Wortpaar. Aber die Jungs sind nicht die einzigen, die so denken. „Irgendwann nervt es einfach, immer die gleichen Sachen zu sehen“, denkt Simona. Für Roberto ist es eher die Möglichkeit das schauen zu können, was man aussucht, ohne sich über Preise bestimmter Rubriken sorgen zu müssen: „Außerdem: wenn ich schon für CyberSex bezahle, dann möchte habe ich wenigstens kein Déjà-Vu Gefühl. Ich will damit jetzt nicht sagen, dass Wert auf Dialoge gelegt wird, aber es gibt auf jeden Fall mehr Interaktion.“
Alle befragten erwähnen - auch wenn nur unterschwellig - den Fakt, dass der Porno im Netz gratis ist. Geld ist im Großen und Ganzen der gemeinsame Nenner, der Kunde und Anbieter am anderen Ende der Webcam zusammenbringt. Es reicht eine HD-Kamera, eine brauchbare Internet-Verbindung – und schon kann’s losgehen. Es gibt weder einen Regisseur, noch technische Pannen, Skripte oder verpatzte Szenen.
« Wenn selbst Justin Bieber es geschafft hat »
Man benötigt nur einige Minuten, um ein Filmchen herunterzuladen und hopp – schon ist die Distanz zwischen Konsument und Hobbyfilmer nichtig. Aber wenn man denen zuhört, die sich zu Hause gern mal mit der Webcam bewaffnen und nicht nur denen, die Pornos schauen, dann dann geht es nicht nur um finanzielle oder narzisstische Gründe. Auch wenn die Spanierin Gymena mit einem schelmischen Blick sagt: „Wenn es selbst Justin Bieber geschafft hat im Internet berühmt zu werden, warum nicht auch ich mit dem Körper, den ich habe?“
Misty zum Beispiel hat angefangen Videos aus Spaß an etwas Neuem auszuprobieren und zu posten. Gleichzeitig wollte sie die Beziehung mit ihrem Ehemann ein wenig aufzupeppen, der auch ‚Hobbydarsteller‘ ist. Sie präsentieren sich als freies Paar, das keine Probleme hatte, dieses neue Terrain zu betreten. Dabei seien sie eher von der Neugierde als von materiellen Bedürfnissen getrieben worden.
Auch Kitty sei das Geld egal gewesen. „Als Model brauche ich eigentlich keine Extras. Aber ich habe es einfach versucht, weil ich meinen Körper in meinem Job irgendwann gehasst habe. Dieser ewige Blick wie ein Roboter in den Spiegel… Wenn ich jetzt mit anderen Leuten ‚in Dialog trete‘, bekomme ich haufenweise Komplimente; vielleicht nicht immer sehr poetische, aber dafür zumindest ehrliche.“ Eine Art gesunder Exhibitionismus also, aber was ist, wenn Grenzen überschritten werden, wenn von der anderen Seite zu intime Dinge verlangt werden? „Dann sage ich nein. Man kann sich amüsieren, aber dabei sollte man nicht den Respekt vor sich selber verlieren. Mein Sexleben gehört mir, ich bin niemandens Spielzeug.“
Der Porno im Netz hat demnach eine befreiende Funktion? Es gibt da jene, die vor der Kamera jegliche Hemmungen des Alltags abstreifen, andere wiederum behalten klare Ideen bei. Schließlich sind es ja nicht die anderen, die bestimmen, was sie mit ihren Körpern zu tun und zu lassen hätten. Doch das kann natürlich auch Probleme mit sich bringen. „Die raren Leute, die Stars im Web werden, können sich in der Situation wiederfinden, dass sie ihr Berufsleben nicht mehr unter Kontrolle haben“, erzählt Diego aus Brasilien. „Meine Frau und ich haben etwas dilettantisch angefangen; aber nach ein wenig Zeit sind wir berühmt geworden. Irgendwann haben wir aufgehört, da unsere Privatsphäre komplett dahin war. Manche Erwartungen haben den Spaß einfach nicht mehr aufwogen.“ Misty ist anderer Meinung. Es sei heuchlerisch, seine sexuelle Freiheit nur zur Hälfte auszuleben. Für den richtigen Preis würde sie deshalb fast alles machen. Aber eben nur ‚fast‘ alles.
Geld ist nicht das Wichtigste
„Das Netz ist eine prima Spielwiese, um die natürlichste Sache der Welt auszuleben“, sagt Attika aus Schweden. „Wo liegt eigentlich der Unterschied, im Club auf die Suche nach Sexualpartnern zu gehen oder eben hier? Ich finde es sogar besser. Denn du kannst erstmal mit den Leuten sprechen, verstehen wie sie drauf sind. In der Wohnung muss man oft einen besoffenen Proll wachrütteln, der auf einem eingeschlafen ist. Was ich gutmache? Ich spare mir die teuren Getränke. Aber von dem, was ich mit den Videos verdiene, kann ich nicht mal mein neues Rad bezahlen.
Die meisten sehen es aber nicht so locker wie Attika. Die meisten Konsumenten wollen sicher gehen, dass ihr kleines Hobby nicht zu sehr mit der Realität verschwimmt. Viele Leute haben Gespräche direkt abgebrochen, sobald sie herausfanden, dass ich Blogger bin. „Vielleicht ist das Leben eines Homosexuellen in Deutschland nicht allzu schwierig und ich habe das Glück, dass sogar meine ukrainische Familie meine sexuelle Orientierung akzeptiert “, sagt Yuri, „aber mein Sexleben soll eben auch keine Staatsangelegenheit werden.“
„Es ist nicht weiter verwunderlich, dass die Leute sich abschätzig über uns äußern“, fügt Tika hinzu. „Ich selbst habe aus Neugier geantwortet. Ich hab genug davon, ständig beurteilt zu werden. Da fehlt es nur noch, dass ein Journalist mich aushorcht und mich anschließend als kranke Satansbraut beschreibt. Es scheint, dass auch in Osteuropa längst wieder kräftig moralisiert wird.“ Igor allerdings findet, dass er, seit er sich auf der Seite eingeschrieben hat, beliebter ist. „Die Leute sind sehr viel offener als sie vorgeben. Einige informieren sich äußerst gründlich, auch wenn sie danach aus irgendwelchen Grüdnen doch Schiss haben.“
Das sieht auch das neueste Porno-Web-Wunder aus Italien - Martina P. - ähnlich, die offenherzig « Ich f…e wie mir das gefällt“ im Netz herumposaunt und damit Bekanntheit erlangte. Schade nur – und vor allem illegal - dass die junge Dame minderjährig ist. An der Debatte, ob der Körper Ware sein darf, scheiden sich immer noch die liberalen und konservativen Geister. „Es gibt ein Wort, mit dem man den Verkauf seines Körpers definieren kann: Prostitution!, ist in Blogs zu lesen. „Und die ist in vielen zivilisierten Ländern legal, also denkt mal drüber nach!“, so Igor.
Illustrationen: Teaser ©xenotrope/flickr; Im Text (cc)hampton/flickr; Videos (cc)snustad/YouTube, (cc)foxtv/YouTube.
Translated from Noi, che i film porno li facciamo in casa