Politik-Bloggerinnen: "Ellenbogen, klappern, laut sein, 'hier' schreien"
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Frauen bloggen über Mode, Stricken und das Mutterdasein. Für Politik interessieren sie sich kaum und überlassen dieses Thema den männlichen Bloggern. Ein Eindruck, der sich zumindest beim Blick auf Blogrankings ergibt. Bloggen Frauen tatsächlich weniger über Politik? Bloggen sie „schlechter“ über Politik? Spurensuche in der deutschen und französischen Bloggerszene.
Netzpolitik, Spreeblick, Bildblog und Sascha Lobo: Die ersten Plätze in der Rubrik Politik des Informationsportals Wikio belegen Deutschlands männliche „Alpha Blogger“. Erst auf Platz sieben folgt Anne Roth, die seit 2007 über Innenpolitik und Terrorismus bloggt - und zunehmend auch über den digitalen Graben zwischen Männern und Frauen: „Als relevant wahrgenommen werden fast durchgängig Männer. Das sagt aber mehr über die Relevanz-Kriterien aus als über die Blogs. Und über das Selbstbewusstsein der Männer, die weniger Schwierigkeiten damit haben, sich wichtig zu nehmen.“
Eine Einschätzung, die auch von der französischen Bloggerin Europasionaria geteilt wird. Sie schreibt über europapolitische Themen und findet: „Frauen fühlen sich weniger als Männer dazu berechtigt, ihre Meinung zu äußern. Bei Debatten und Konferenzen sind die Männer immer die Ersten, die sich zu Wort melden.“ Sind Frauen also selber Schuld, wenn ihre Politik-Blogs als weniger relevant wahrgenommen werden? Mitnichten. „Frauen bloggen wenig über Politik oder, wenn sie es tun, dann als eines von vielen Themen“, erklärt die Französin CC Bah. „Deswegen sind sie als politische Bloggerinnen in Rankings oft nicht deutlich erkenn- und klassifizierbar.“
"Männer nehmen Männer als wichtig wahr"
Tatsächlich hängt die Position eines Blogs im Wikio-Ranking davon ab, wie oft der entsprechende Blog verlinkt wurde und von wem - eingehende Links der Alpha-Blogs werden höher gewertet. Anne Roth schreibt dazu: „Die Blogosphäre (…) reproduziert sich selbst. Bemerkt wird, was andere bemerken, also verlinken.“ Und das bedeute allzu oft: „Frauen nehmen Männer (und Frauen) als wichtig wahr, Männer nehmen Männer als wichtig wahr.“ Sie stellt außerdem fest, dass „zumindest in Deutschland bestimmte Themen als wichtiger wahr genommen werden: Technik, Medien, Netzpolitik. Es gibt verhältnismäßig wenig Frauen und viele Männer, die über diese Themen schreiben.“ Was wiederum damit in Zusammenhang steht, dass Frauen im Bereich des politischen Bloggens weniger oft ihre Meinung äußern als Männer und ihre Blogs häufig nicht eindeutig als politisch identifizierbar sind. Generell haben viele Bloggerinnen auch eine andere Einstellung zu Rankings als ihre männlichen Kollegen. Vera Bunse glaubt „dass Frauen andere Prioritäten setzen als Männer, andere Dinge wichtiger finden als das Ranking ihres Blogs.“ Anne Roth bemerkt: „Sicher gibt es viele, die überzeugt von sich sagen können, dass es ihnen nicht darum geht, bekannt zu werden. Dass es aber bei den Frauen so viele sind, sollte uns zu denken geben.“
Im Ranking der Mode-Blogs haben Frauen dafür die Nase vorne. „Solche Themen sind sehr viel rentabler als Politik“, erklärt CC Bah. Das sieht auch Olympe so, die den feministischen Blog Le Plafond de Verre (Gläserne Decke) betreibt: „Besonders in der ‚weiblichen‘ Blogosphäre existiert eine richtige Wirtschaft. Gesponserte Eintrittskarten, eine Einladung zum Thalasso-Wochenende … Eine pragmatische Entscheidung.“ Laut CC Bah ist die Themenwahl auch oft eine Frage der Zeit: „Kochen oder Kosmetik sind Alltagsaktivitäten der Frau. Um diese in Blogform umzusetzen, ist wenig zusätzlicher Zeitaufwand nötig.“ Manu, die auf Französisch über alles mögliche und nicht unbedingt über Politik bloggt, weist jedoch darauf hin: „Auch wenn Mode- und Beautyblogs der sichtbarste Teil der weiblichen Blogosphäre sind, bilden sie auf keinen Fall die Mehrheit.“
"Ladies, fangt an zu bloggen!"
Europasionaria setzt sich auch außerhalb der virtuellen Welt für eine bessere Vernetzung von politischen Bloggerinnen ein. Mit Gleichgesinnten hat sie table607.com und die EU Girl Geeks gegründet: „Ein Netz von Frauen, die begeistert von sozialen Medien und Europa sind und die sich regelmäßig treffen.“ Auch Olympe hat den Versuch gestartet, die Männerdomäne Politikblogs aufzumischen: „Anfang 2009 habe ich mit anderen politischen Bloggerinnen einen gemeinsamen Blog gegründet, um im Ranking nach oben zu klettern. Wir haben uns verlinkt, wurden wahrgenommen. Innerhalb einiger Monate haben wir fast eine Gleichstellung im Wikio-Politik-Ranking erreicht.“ Die meisten der Bloggerinnen würden nun aber nicht mehr oder nur wenig schreiben.
Vera Bunse empfiehlt Bloggerinnen „Ellenbogen, klappern, laut sein, ‚hier‘ schreien. Und Vernetzung.“ Anne Roth betont, dass Frauen die eigene Meinung wichtiger nehmen und dafür sorgen sollten, dass sie bekannt wird. Netzwerken und gegenseitiges Verlinken sei essentiell. So haben zum Beispiel die Bloggerinnen der Mädchenmannschaft die Girls on Web Society auf Facebook gegründet.
Da Rankings schwerlich als repräsentativ für die politische Bloggerszene gelten können stellt sich die Frage, ob eine gute Platzierung überhaupt erstrebenswert ist. Antje Schruppbezweifelt in ihrem Blog „dass Frauen unbedingt dorthin wollen, wo die Männer schon sind, und dass sie nur von den äußeren Umständen (wenn nicht gar von ihrer eigenen Blödheit) daran gehindert werden.“ Laurence findet: „Frauen sind keine Männer. Sie tragen etwas anderes bei, was nicht zwangsweise in einem Raum der öffentlichen Debatte anerkannt wird.“
Die Blogosphäre: "Offen, partizipativ und unhierarchisch"?
Fakt ist, dass Autorinnen von Politik-Blogs nicht die gleiche Anerkennung zuteil wird wie männlichen Autoren. Anne Roth fordert deswegen eine „selbstkritische Betrachtung der Blogosphäre insgesamt, die ja ein Image kultiviert, das ich für sehr unrealistisch halte, nämlich sehr offen, partizipativ, unhierarchisch, frei von althergebrachten Machtverhältnissen zu sein.“
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