Polens Jerzy Buzek: Zeichen für Europa
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Auf seiner konstituierenden Sitzung hat das neue EU-Parlament den früheren polnischen Ministerpräsidenten Jerzy Buzek mit großer Mehrheit zu seinem Vorsitzenden gewählt. Buzek ist der erste osteuropäische Vertreter in einem Spitzenamt der EU.
Luxemburger Wort; Luxemburg: 'In Geremeks Fußstapfen'
Die oder der Vorsitzende des Europaparlaments - der einzigen multinationalen gesetzgebenden Volksvertretung der Welt - sollte mehr sein als nur Technokrat, meint die Tageszeitung Luxemburger Wort: "[Jerzy] Buzek hat sich als Solidarnosc-Aktivist für die friedliche Überwindung des kommunistischen Totalitarismus und für Freiheit und Menschenrechte eingesetzt. Gleichzeitig hat er in den vergangenen fünf Jahren als Europaabgeordneter seinen politischen Instinkt und seinen Kompromisswillen unter Beweis gestellt. Trotzdem kann Buzek nicht aus dem Schatten [Bronisław] Geremeks treten: Zu sehr symbolisiert der am 13. Juli 2008 bei einem Autounfall verstorbene frankophile jüdische Pole, der die Grauen des Zweiten Weltkrieges überlebte, später den roten Terror der Stalin-Zeit erfuhr, um schließlich erfolgreich an der Überwindung des Eisernen Vorhangs mitzuarbeiten, das beste an der europäischen Idee. Buzek als besonnener Pragmatiker ist gerade deshalb eine gelungene Wahl."
(Artikel vom 15.07.2009)
El País; Spanien: „Weder Ferrari noch Biscúter der Politik“
Für die linksliberale Tageszeitung El País steht der neue EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek vor schwierigen Aufgaben: "Dieser Reiter [Jerzy Buzek] ist kein Ferrari der Politik, aber auch kein Biscúter [spanischer Kleinstwagen]. Vielleicht ein in die Jahre gekommener Seat. Er sagt, dass er die Begeisterung der Bürger für die europäischen Dinge wiedererlangen möchte. Eine schwierige Aufgabe, wenn man bedenkt, dass die Wahlbeteiligung für das Parlament in Straßburg Wahl für Wahl abgenommen hat. Er sagt, dass man den Euroskeptikern zuhören muss, von denen es unter den neuen Mitgliedern so viele gibt. Und zuhören ist immer gut - sofern man sich nicht von ihnen einspannen lässt."
(Artikel vom 15.07.2009)
Savon Sanomat; Finnland: „West und Ost haben geistig zusammen gefunden“
Für die Tageszeitung Savon Sanomat ist die Wahl Jerzy Buzeks zum Präsidenten des EU-Parlaments historisch. "Seit dem Fall der Berliner Mauer und der Befreiung der osteuropäischen Staaten aus der sowjetischen Abhängigkeit sind jetzt zwei Jahrzehnte vergangen und nun steigt ein Pole zum Richtungsweisenden des westlichen Europas auf. Die früher zum Ostblock gehörenden neuen EU-Mitgliedsstaaten liegen wirtschaftlich noch klar hinter dem Westen. Der innere Zusammenhalt der EU wurde in den vergangenen Jahren stark bezweifelt. Die Wahl vom Dienstag hat aber gezeigt, dass West und Ost geistig schon zusammen gefunden haben. [...] Die Unterstützung der alten Mitgliedsländer für die Wahl von Jerzy Buzek beweist, dass man nicht an die Vergangenheit denkt. Auch in Deutschland wird der Wahlausgang wohl kaum als Autoritätsverlust empfunden, denn gerade Deutschland hatte sich ja für die Erweiterung der Union nach Osten eingesetzt."
(Artikel vom 15.07.2009)
Ouest France; Frankreich: „Unsichtbarer Eiserner Vorhang“
Die Wahl Jerzy Buzeks zum Präsidenten des EU-Parlaments ist symbolisch, schreibt die Tageszeitung Ouest-France. "Ein Pole an der Spitze der Europaabgeordneten - beim sommerlichen Dämmerschlaf könnte die Nachricht unbeachtet bleiben. Jedoch steckt eine große Symbolik hinter der breiten Wahl Buzeks durch das Europäische Parlament. [...] Vor knapp zwanzig Jahren nahm Polen den Berliner Mauerfall um einige Monate vorweg und führte die ersten freien Wahlen durch. [...] Keiner hätte gedacht, dass ein Pole so schnell eine der drei zentralen Positionen Europas einnehmen würde. Seit gestern ist dies passiert. Jerzy Buzek ist der erste Politiker aus einem der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten, dem solche Verantwortung zugetraut wird. Er mag daran erinnern, dass die echte Integration mehr Zeit kostet als die Erweiterung selbst. Als ob ein unsichtbarer Eiserner Vorhang Europa weiterhin aufteilen würde. Ohne das Gewicht seiner Funktion zu überschätzen, darf man annehmen, dass seine Wahl es erlauben wird, dass der Beitrag der Länder Mittel- und Osteuropas zum europäischen Projekt alltäglich wird."
(Artikel vom 15.07.2009)
Rzeczpospolita; Polen: „Kein vereintes Europa - niemals!“
Die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita bewertet die Wahl des Polen Jerzy Buzek zum Vorsitzenden des Europarlamentes kritisch: “Die Wahl eines Polen auf den Chefposten des Europäischen Parlamentes sollte beweisen, dass Europa nun noch mehr vereinigt ist und dass die Teilung zwischen Ost und West zu Ende ist. Es reicht jedoch aus, auf die Form und die Symbolik zu schauen, die in der [...] Rede von Jerzy Buzek in Straßburg aufgetaucht sind, um festzustellen, dass es kein vereintes Europa gibt und es ein solches niemals geben wird. Der ehemalige Premier der RP [Republik Polen] hat in einem Atemzug [den ehemaligen Papst] Johannes Paul II. mit Simone Veil - der Vorsitzendenden des Europarlamentes zwischen 1979 und 1982 - genannt. Und zwar als Persönlichkeiten, die sich um den alten Kontinent verdient gemacht haben: Hier der Papst [...] und dort eine Frau, deren Hauptziel die Legalisierung der Abtreibung in Frankreich gewesen ist. Buzek überreichte seinem Vorgänger eine kleine Statue der Heiligen Barbara und gleichzeitig [...] beruft er sich auf die Französische Revolution, die zur Religion zumindest ein zwiespältiges Verhältnis hatte."
(Artikel vom 15.07.2009)