Peter von Poehl: „Musik muss man mit anderen teilen“
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markus heffnerPeter von Poehl, schwedischer Sänger mit adligem Namen und melancholischer Sanftmut, hat ein bemerkenswertes Album veröffentlicht: Going to where the tea-trees are.
Blond und schön: Peter Von Poehl erinnert an einen auf dem alten Kontinent umherstreifenden Wikinger – und wirkt doch zerbrechlich. Der Schwede ist in Österreich aufgewachsen, hat einen russischen Großvater, polnische Wurzeln, singt auf Englisch und lebt zwischen Berlin und Malmö. Seine Musik, beträufelt mit watteweichen Tönen und Katzengesang, steht für ein neues Genre der Popmusik: das „Cocooning“.
Ausgestattet mit einem Stipendium der Europäischen Gemeinschaft und einem Abschluss in Musikwissenschaften bricht von Poehl 1998 nach Paris auf. Während eines Pratikums beim Label Tricatel, einer unabhängigen Plattenfirma mit eindeutigem Schwerpunkt auf den Swinging Sixties, entdeckt er die musikalische Avantgarde Frankreichs, alternativ und vielschichtig. Nach Zusammenarbeit mit Bertrand Burgalat, dem Gründer von Tricatel, dem Schriftsteller Michel Houllebecq und der Gruppe AS Dragon, emanzipiert sich von Poehl: er gründet sein eigenes Label in Berlin mit dem Österreicher Florian Horwarth und produziert das aktuelle Album des jungen französischen Chanson-Stars Vincent Delerm, Les piqûres d’araignées.
Sowohl Ihre Herkunft als auch Ihr Lebensweg sind international: Fühlen Sie sich Schwedisch oder Europäisch?
Ich bin zuallererst Schwede, auch wenn ich in Bezug auf mein Geburtsland einige Komplexe hege. Meine Beziehung zu Schweden ist etwas seltsam: Ich lebe dort zwar nicht, bin aber einmal im Monat da und kenne das Land sehr gut. Und dennoch kommt es mir fremd vor. Obwohl auch alle Texte meines Albums davon handeln, mag ich Reisen eigentlich nicht sonderlich. Ich habe versucht, meiner CD eine nordische Stimmung zu geben: Man hört Chöre der Heilsarmee, ein Harmonium oder traditionelle schwedische Weihnachtsgesänge. Ich mag es, wenn Menschen und Dinge nicht homogen sind.
Ihre Melodien klingen ziemlich sanft. Was sind Ihre Inspirationsquellen?
Ich begann zunächst an einer Musikschule in London, danach studierte ich Musikwissenschaft. Aber ich war nie jemand der viel Musik gehört hat: meine Freunde kannten im Vergleich zu mir massig Bands und ich bin diesbezüglich immer ein bisschen zurück geblieben. Musik zu machen heißt nicht automatisch, auch gute Songs zu schreiben. Mir passiert es oft, dass ich eine geniale „neue“ CD höre, die in Wahrheit schon ewig auf dem Markt sind. Da ich viel mit anderen Künstlern arbeite, hab ich mir dann eher eine lockere Einstellung angewöhnt: ich kenne nicht alles und bin immer sehr glücklich, wenn ich neue Sachen entdecken kann. Vermischen, sich beeinflussen lassen: Ich will offen bleiben.
Warum haben Sie eine Solokarriere gestartet?
Vor vier Jahren, als ich ein wenig Geld hatte, habe ich einige Songs aufgenommen. Aber ich sah nicht genug Verbindung zwischen den Stücken, um daraus ein Album zu machen. Es gibt viele wirklich gute Alben und es macht daher keinen Sinn, wenn deine Songs nicht zusammenpassen.
Deshalb hab ich mich entschlossen, zunächst für andere Sänger zu arbeiten, auch wenn mich das nicht wirklich befriedigt. Irgendwann in Berlin hab ich mir dann selbst die Pistole auf die Brust gesetzt: ich verlasse diese Wohnung erst, wenn ich ein Album aufgenommen habe. Heute ist mir klar geworden, dass es ein Luxus ist, als Solokünstler arbeiten zu dürfen und ich das Privileg habe, mich in Konzerten künstlerisch verwirklichen zu können. Auch wenn mich Studioaufnahmen immer reizen: Ich liebe die Bühne. Ich gehöre nicht zur Generation iPod, Musik muss man mit anderen teilen.
Was ist Ihre Vision der Europäischen Union?
Ich kann zwar gut über meine Lieder reden, aber nicht wirklich über Politik. Europa betrifft mich sicherlich insofern, als dass ich 1998 ein Stipendium der Europäischen Union erhielt, um nach Frankreich zu gehen. Außerdem war mein deutscher Vater Flüchtling während des Krieges, was auch nicht allzu lange her ist.
Deshalb werde ich nie vergessen, warum es die Europäische Union gibt, auch wenn die Art und Weise, wie sie gemacht wird, nicht ideal ist. Der Vertrag von Nizza zum Beispiel ist ziemlich beschissen. Auch wenn das Projekt Europa sich weiterentwickelt, so glaube ich nicht, dass das, was man im Moment hat, dem entspricht, was die Leute wollen. Man braucht gemeinsame Interessen, sonst sind den Leuten ihre Nachbarn egal.
Peter Von Poehls Album "Going to where the tea-trees are" erscheint am 30. März in Deutschland und Österreich (Herzog Records).
Konzerte führen ihn unter anderem nach England und Spanien sowie zu Auftritten beim Festival de Montreux und beim Bénicassim in Spanien. Die ausführliche Liste der Tourdaten finden sie hier.
Translated from Peter von Poehl : « Je n’ai pas l’esprit iPod »