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Papademos und Monti: Super Mario Bros. gegen die Märkte

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Politik

Trotz wachsenden Drucks der Finanzmärkte hat Griechenland keine Alternative zum Euro, sagte der neue parteilose Premier Lucas Papademos am Montag in seiner ersten Regierungserklärung. In Italien drängt unterdessen der ebenfalls parteilose Wirtschaftsexperte Mario Monti auf eine schnelle Regierungsbildung.

Nur parteilos zu sein, ist noch kein Erfolgsrezept gegen die Krise, meinen Kommentatoren und verlangen von den Technokraten Papademos und Monti entschlossenes Handeln.

Corriere del Ticino: Gefahr für Italien - Ausverkauf des Tafelsilbers; Schweiz

Es führt nicht zwangsläufig zum Erfolg, Griechenland und Italien von parteilosen Politikern führen zu lassen, denn gegen die drohende Rezession in Europa können auch Technokraten nur wenig unternehmen, meint die liberale Tageszeitung Corriere del Ticino: "Die Wirkung solcher Maßnahmen kann sich nicht kurzfristig, sondern nur mittel- und langfristig abzeichnen. Das ist das große Problem, denn Italien und dem Euro bleiben nicht mehr viel Zeit übrig. Strenge Sparpolitik hat rezessive Folgen, die ihrerseits von der Rezession der Eurozone und dem weltweit schwachen Wirtschaftswachstum noch verstärkt werden. Eine deflationistische Spirale, mit einer generellen Verarmung des Landes setzt ein, die möglicherweise gar den Ausverkauf des Tafelsilbers fordert. Das ist die wahre Gefahr, die Italien mit der Regierung Monti droht und eine Realität, mit der sich auch Griechenland, Portugal und Spanien auseinandersetzen müssen." (15.11.2011) 

NRC Handelsblad: Standhaft bleiben, wenn die Sparmaßnahmen weh tun und die Euphorie vorbei ist; Niederlande

Auf die Machtwechsel in Athen und Rom ist international erleichtert reagiert worden. Doch die neuen Regierungen haben kaum Spielraum, warnt die liberale Tageszeitung NRC Handelsblad: "Die Finanzmärkte, der IWF, die Europäische Kommission und Regierungschefs diktieren faktisch die Politik, die Länder mit einer zu hohen Schuldenlast ausführen müssen. Und das läuft auf Reformen und unpopuläre Sparmaßnahmen hinaus. Es ist gut, dass der italienische Senat und das Abgeordnetenhaus dem Rettungspaket im Umfang von 60 Milliarden Euro zugestimmt haben. Aber bald wird es darauf ankommen, standhaft zu bleiben, wenn die Sparmaßnahmen weh tun und die Euphorie vorbei ist. Der Ausgangspunkt ist für Italien, anders als bei Griechenland, nicht so schlecht. Das Land hat zwar eine zu große Schuldenlast, hat aber im Kern eine gesunde Ökonomie. In Italien ist es deutlich, dass die notwendigen Reformen keine Frage des Könnens, sondern des Wollens sind." (15.11.2011) 

Le Figaro: Frage, wie Entscheidungsfindung in Europa demokratisch kontrolliert werden kann; Frankreich

Mit Lucas Papademos und Mario Monti sind ohne Neuwahlen zwei Finanzexperten an die Spitze europäischer Staaten gelangt. Das ist heikel für die Demokratie, meint die konservative Tageszeitung Le Figaro: "Das Ausmaß und die Dauer des Mandats der beiden Politiker müssen so bemessen sein, dass sie effizient arbeiten können. Aber in beiden Fällen muss es ein Limit geben, um eine Rückkehr zur demokratischen Legitimität unter optimalen Bedingungen zu garantieren. Niemand soll sagen können, dass die Politik in Europa auf dem Rücken der Europäer gemacht wird. Verantwortlich dafür ist Giorgos Papandreou. Er hat mit einem Referendum gedroht, um den Verpflichtungen, die ihm beim Brüsseler Gipfeltreffen auferlegt wurden, zu entgehen. Seitdem ist die Frage auf dem Tisch, wie die Entscheidungsfindung in Europa demokratisch kontrolliert werden kann. Mann wird sich ihr nicht entziehen können, wenn es darum geht, eine wirkliche europäische Wirtschaftsregierung zu schaffen." (15.11.2011)

Expansión: Märkte lassen sich schon lange nicht mehr durch die Sirenen-Gesänge der EU betören; Spanien

Trotz der neuen Regierungen in Italien und Griechenland hat sich die Lage des europäischen Markts für Staatsanleihen am Montag weiter verschärft. So kletterte der Risikoaufschlag für zehnjährige Staatsanleihen aus Spanien wieder über die Marke von 6,0 Prozent. Die liberale Wirtschaftszeitung Expansión verlangt deshalb von den Regierungen in Italien und Griechenland Fakten und keine leeren Versprechen: "Denn die Märkte lassen sich schon lange nicht mehr durch die Sirenen-Gesänge der europäischen Institutionen betören, auch wenn sie noch so großartig klingen. Die Geldgeber wollen konkrete Fakten sehen, keine weiteren Versprechen, um wieder in Europa zu vertrauen; in die EU, als unfertiges Projekt auf tönernen Füßen, und konkret in die Mitgliedsstaaten, die ihre Hausaufgaben bei der Haushaltsplanung nicht gemacht oder zu spät und langsam damit angefangen haben." (15.11.2011)

La Stampa: Reine Männerregierung würde Italien wieder in den Bereich der Anomalie und Unreife verbannen; Italien

Italiens designierter Premier Mario Monti hat am Montag mit mehreren Parteien Gespräche über eine Regierungsbildung aufgenommen. Der parteilose Wirtschaftsfachmann will sich spätestens am Freitag mit einem kleinen Kabinett von Experten der Vertrauensabstimmung im Parlament stellen. Die liberale Tageszeitung La Stampa warnt davor, dass seinem Technokraten-Kabinett nur Männer angehören: "Eine reine Männerregierung würde Italien wieder in den Bereich der Anomalie und Unreife verbannen. In einer Welt, in der Angela Merkel, Christine Lagarde und Hillary Clinton mit den Ton angeben, hängt unsere Glaubwürdigkeit auch von der Anerkennung der wahrlich nicht zweitrangigen Rolle weiblicher Kompetenzen ab. Das Bild der Vereidigung von zwölf Herren in Anzug und Krawatte wäre für viele Frauen unerträglich, und nicht nur in Italien. Eine Technokraten-Regierung muss frei von politischen Machtkämpfen sein, doch darf sie die Orientierung der Zivilgesellschaft, das heißt, der Politik im höheren Sinn des Wortes, nicht außer Acht lassen." (15.11.2011)

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Illustrationen: (cc)mario.nintendo.com; Video: (cc)euronewsde/YouTube

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