Palästina: Im Trippelschritt zur Demokratie
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Die Präsidentschaftswahlen sind nur der erste Schritt. Für die Demokratisierung Palästinas müssen die Fatah zu einer demokratischen Partei und die Radikalen ins politische System integriert werden.
Nach der Flutkatastrophe gehen nun wieder erfreulichere Bilder um die Welt. In den Medien wird mit dem Namen Mahmud Abbas (alias Abu Mazen) der Sieger der palästinensischen Präsidentschaftswahlen und mit ihm auch gleich die Demokratisierung Palästinas gefeiert. Dabei ist noch nicht abzusehen, ob die Reformen in Palästina mit einer Stärkung der Demokratie einhergehen werden. Ihr Erfolg wird davon abhängen, ob die Fatah, die größte und stärkste Bewegung innerhalb der Palästinensischen Befreiungsorganisation (Palestinian Liberation Organisation, PLO) in eine demokratische Partei umgewandelt werden kann, und ob die radikalen Bewegungen Hamas und Islamischer Dschihad in das neue politische System integriert werden können.
Als sich am Sonntag, den 9. Januar 2005 fast eine Millionen Palästinenser auf den Weg zu den Wahlurnen machten, um den Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde zu wählen, waren mehr als 20 000 Wahlbeobachter im Einsatz. Unter ihnen befand sich auch Michel Rocard, ehemaliger französischer Ministerpräsident und Chef der EU-Wahlbeobachterkommission, der schon im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen auf Probleme bei der Beschaffung von Reisegenehmigungen für Kandidaten als Hindernis für die Wahlen hinwies. Im Gegensatz zu dem ersten Teil der Gemeindewahlen vom 23. Dezember 2004, bei denen israelischen Soldaten Verhaftungen von Hamas-Kandidaten vorgehalten wurden, hielten sich diesmal die Vorwürfe gegen die Besatzungsmacht in Grenzen.
Keine Wahl bei der Wahl
Der eigentliche Schwachpunkt der Wahlen war, dass Machmud Abbas der einzige Kandidat der führenden Fatah-Bewegung war und diesem auch noch fast die gesamte Medienaufmerksamkeit galt. Da ist es nicht verwunderlich, wenn viele Palästinenser bei der Wahl den Eindruck hatten, sie hätten nicht die Wahl gehabt. Marwan Barghuti, der einzige Kandidat, der Abbas (selbst aus dem israelischen Gefängnis heraus, in dem er sitzt) hätte herausfordern können, hatte seine Kandidatur auf Druck der Fatah zurückgezogen. Barghuti wollte auf die autoritäre Nominierung von Abbas als Fatah-Kandidaten hinweisen, was ihm nach Einschätzung von Hatem Abdul Qader, Fatah-Politiker in Jerusalem und – wie Barghuti – Teil der „jungen Garde“, auch gelungen ist. Die Herausforderung für die neue Generation in der Fatah sei jedoch nicht die Präsidentenwahl gewesen, sondern der nächste Parteitag der Fatah: „Wir müssen ein demokratisches System in der Bewegung etablieren und einen neuen Stil, eine neue Vision, neues Denken und neue Konzepte entwerfen.“
Es war jedoch wichtig, auf Abbas möglichst viele Stimmen zu vereinen, um ihm innerhalb der Fatah zu der Legitimation zu verhelfen, die er für zukünftige Reformen brauchen wird. Doch nun muss die alte Garde den Jüngeren Verantwortung abgeben, Vetternwirtschaft und Korruption müssen aufhören. Bis zu den Parlamentswahlen im Frühjahr muss sich die Fatah in eine echte demokratische Partei wandeln.
Waffenstillstand an allen Fronten
Für den langfristigen Erfolg der Demokratie in Palestina ist es entscheidend, ob sich Hamas und Islamischer Dschihad, die die Präsidentschaftswahlen boykottiert hatten, in das politische System integrieren. Zunächst muss Abbas jedoch die Radikalen von seinem Kurs der sanften Diplomatie überzeugen. Um Abbas den nötigen Rückhalt zu geben, will Israel palästinensische Gefangene freilassen und Blockaden im Westjordanland und Gaza-Streifen lockern. Doch damit der neue Präsident seinem Volk schmerzliche Zugeständnisse an Israel vermitteln kann, muss sich die Gründung eines palästinensischen Staats abzeichnen.
Bei den Gemeinderatswahlen hat die Hamas gezeigt, dass sie durchaus bereit ist für ein demokratisches Palästina. Die Umwandlung der radikalen Bewegungen in politische Parteien bis zu den Parlamentswahlen und ihre Integration ins politische System würde dem militanten Flügel den Wind aus den Segeln nehmen. Hamas und Islamischer Dschihad könnten von der nordirischen IRA und ihrem politischen Arm Sinn Fein lernen – und von der PLO selbst, die sich von einer kämpfenden Untergrundorganisation zu einer staatstragenden Bewegung gewandelt hat.