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Österreich wählt (nochmal) seinen Präsidenten

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Wien

[Kommentar] Am 2. Oktober findet nach der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof die Wiederholung der Stichwahl zum österreichischen Bundespräsidenten statt. Nach einem hitzigen Wahlkampf im ersten Durchgang darf auch diesmal beim Kopf-an-Kopf Rennen ums „höchste Amt im Staat“ ein intensives Rittern um die Stimmen durch die beiden Kandidaten erwartet werden.

Bevor Anfang September die offiziellen Auftaktveranstaltungen zu den Kampagnen des unabhängigen Alexander Van der Bellen (ehemals Grüner Nationalratsmandatar) und des blauen Norbert Hofer (stellvertretender Parteiobmann der rechten Freiheitlichen Partei Österreich, kurz: FPÖ) begangen werden, lässt Cafébabel Wien den bisherigen Wahlkampf kurz vor dem Hintergrund psychologischer Überlegungen Revue passieren.

Der Mensch ist ein emotionales Wesen. Schon lange ist sich die psychologische Forschung einig, dass es fünf Grundbedürfnisse gibt: Sicherheit, wirtschaftliches Wohlergehen, Zugehörigkeitsgefühl, Anerkennung und Kontrolle über das eigene Leben. Es gilt, wenn diese nicht befriedigt werden, setzt der Mensch alles daran, diesen Zustand schnell zu ändern. Auch wenn diese Bedürfnisse in Wirklichkeit nicht gefährdet sind hilft objektives Argumentieren mit klaren Fakten und Statistiken hier nicht weiter. Denn für die Erfüllung der Grundbedürfnisse ist bloß die subjektive Wahrheit entscheidend. Bei einer genauen Betrachtung lässt sich erkennen, dass jeder dieser genannten Faktoren im bisherigen Wahlkampf eine Rolle gespielt hat:

Vor dem Hintergrund der derzeitigen erhöhten Zuwanderungszahlen sieht man an Diskussionen in sozialen Online-Netzwerken wie Facebook, dass viele Menschen in Österreich derzeit eine Gefährdung dieser Grundbedürfnisse wahrnehmen und gleichzeitg, dass objektives Argumentieren mit Fakten, die zeigen sollen, das eine Gefährdung dieser Werte nicht vorliegt, einen Großteil der Öffentlichkeit nicht berühren. So dementierten Anfang August die österreichische Elektrohandelskette Hartlauer und die Caritas zum wiederholten Mal, dass Flüchtlinge bloß mit einem Anruf bei der Caritas ein Smartphone im Wert von Euro 900 bei Hartlauer erhalten würden: Stichwort wirtschaftliches Wohlergehen. Gleiches gilt für angebliche Übergriffe durch männliche Flüchtlinge, die sich schnell als erfunden und falsch herausstellten aber in sozialen Online-Netzwerken und Stammtischdiskussionen hartnäckig hängen blieben, als Beispiel dafür, dass die Sicherheit gefährdet sei.

Gerade die Werbung, so lernt man in jedem Marketing-Grundkurs, macht sich diese emotionalen Grundbedürfnisse zu nutze. Gutes Marketing beherrscht es auch meisterhaft die mangelhafte Bedürfnisbefriedigung erst zu suggerieren: ein Verlangen erst zu wecken, um im selben Moment die Befriedigung mittels des beworbenen Produkts anzubieten. Und die Wahlwerbung ist keine Ausnahme.

Die Bundespräsidentenwahlkampf ist in Österreich klassischerweise keine Parteien-, sondern eine Persönlichkeitswahl und beide Kandidaten präsentierten sich zuerst grundsätzlich als Kandidaten der Mitte. Das erklärt wohl auch, wieso die Kandidaten interessanterweise im bisherigen offiziellen Plakatwahlkampf auf ähnliche Bedürfnisse und dabei vor allem auf das Zugehörigkeitsgefühl abzielten und Schlagworte wie „Heimat“ und „Österreich“ in den Mittelpunkt stellen (klar, denn es ist ein bundesweiter Wahlkampf und nur Staatsbürger sind wahlberechtigt).

Der Begriff „Gemeinsam“ fand sich dabei sogar auf zweien der Plakatsujets von Van der Bellen, ganz ähnlich wird auf einem anderen mit dem Wort „Zusammenhalt“ auf das nationale Gemeinschaftsgefühl abgestellt. Dabei appellierte die bisherige Kampagne von Hofer jedoch zusätzlich an das Bedürfnis nach „Kontrolle über das eigene Leben“, indem er den Wähler oder die Wählerin direkt mit Slogans wie: „Deine Heimat braucht Dich“ und „Das Recht geht vom Volk aus“ ansprach.

Am 23. August präsentierte Alexander Van der Bellen seine neue Plakatserie, in der er sich nun staatstragend vor der österreichischen Flagge zeigt und an zusätzliche Emotionen appelliert: Indem er „Für das Ansehen Österreichs“ eintritt, spricht er diejenigen an, die ihre Anerkennung im Ausland gefährdet sehen. Im Gegensatz dazu werden wohl Wähler „Vernünftig entscheiden“, die nicht aus einem emotionalen Bauchgefühl, sondern wohlüberlegt ihr Kreuzerl machen.

Mit leichter Verspätung enthüllte auch die FPÖ am darauffolgenden Tag die neuen Sujets ihres Präsidentschaftskandidaten und man sieht, wieder werden mit „Österreich braucht Sicherheit“ und „Macht braucht Kontrolle“ direkt die Grundbedürfnisse angesprochen. Diesmal: Sicherheit. Damit bietet Hofer mit sich selbst als Bundespräsident direkt die „Lösung“ für die angeblichen erhöhten Sicherheitsprobleme an, die seine Unterstützer seit Monaten auf sozialen Medien suggerierten. Übrigens hat letzteren Slogan in Österreich der frühere Bundespräsident Thomas Klestil bei seinem ersten Antreten als Kandidat der österreichischen Volkspartei 1992 „geboren“, man findet ihn aber auch bei SPD-Wahlwerbung und auch die FPÖ hat ihn bereits für ihren Bundesländerwahlkampf in Niederösterreich plakatiert.

Die Präsentation der Plakate ist der Vorbote des nun kurz bevorstehenden Wahlkampfauftakts im September zur Wiederholung der Stichwahl zum Bundespräsidenten zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer. Damit steht nun abermals ein Monat bevor, der das ganze Land mit Wahlwerbung zupflastert. Cafébabel Wien wird gespannt weiter beobachten und über den Verlauf berichten.