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Orbán hat Soros-Hochschule im Visier

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Gesellschaft

Ungarns rechtskonservative Regierung plant ein Hochschulgesetz, wonach eine ausländische Universität auch im Herkunftsland aktiv sein muss. Die vom US-Milliardär George Soros gegründete CEU in Budapest erfüllt als einzige Hochschule diese Bedingung nicht. Premier Orbán serviert seinen Anhängern neues Futter, urteilen Journalisten. Andere wünschen sich klare Ansagen seitens der EU.

Magyar Nemzet: Neue Nahrung für rechtsradikale Sympathisanten; Ungarn

Der Regierung Orbán geht es in der Causa CEU vor allem darum, ihren Wählern in ein neues Feindbild zu servieren, erklärt die regierungskritische Tageszeitung Magyar Nemzet: „Die Kommunikation der Regierung in Sachen CEU ist wirr. Zum einen redet sie das von ihr hervorgerufene Problem klein, indem sie sagt, die CEU möge bloß die Regeln einhalten, dann geschehe ihr auch nichts. Zum anderen schießt sie übers Ziel hinaus, indem sie von 'Scheinuniversiät' und 'Scheindiplomen' spricht. Was sich hier eigentlich beobachten lässt, ist das altbewährte Handlungsmuster der Regierung: Sie gibt ihren radikalen rechten Sympathisanten neue Nahrung, um sie bei der Stange zu halten. Diese haben mitsamt den Regierungsmedien wieder die Gelegenheit, sich lautstark und vulgär auf ein Thema zu stürzen. Die Regierung schürt einmal mehr negative Emotionen, die mit der Sache, in diesem Fall der CEU, nichts zu tun haben.“

Die Welt: EU nimmt Demokratiedefizite klaglos hin; Deutschland

Die EU verhält sich gegenüber Ungarn viel zu milde, kritisiert Die Welt: „Brüssel findet keinen Weg, die legalistischen Tricks des ungarischen Premiers auszuhebeln. Die EU hielt schon die Provokation aus, die darin bestand, dass Viktor Orbán zum Auftakt der ungarischen Ratspräsidentschaft im Jahr 2011 die Pressezensur einführte. In der EU werden Haushaltsdefizite bestraft, aber Demokratiedefizite hingenommen. Der Brexit reizt die Brüsseler Bürokraten dazu, über Strafmaßnahmen gegen das 'perfide Albion' nachzudenken, die Entrüstung über Recep Tayyip Erdoğan ist groß. In der EU aber hält sich die Entrüstung über den wachsenden Demokratieabbau in ihrer Mitte in Grenzen. Schüchtern beschwört man gegenüber dem Autokraten Orbán die Werte, die Europa angeblich zusammenhalten. Damit sollte man aufhören. Werte, die man nur beschwört, für die man aber nicht kämpft, sind nichts wert.“

hvg: Angriffe auf Hochschulwesen haben System; Ungarn

Das Vorgehen gegen die CEU setzt nur den Feldzug fort, den die Regierung Orbán schon vor langem gegen das unliebsame geisteswissenschaftliche Hochschulwesen begonnen hat, erinnert die linksliberale Wochenzeitung hvg: „Diese Gangster haben die staatlichen Universitäten und Hochschulen bereits ihrer Autonomie beraubt, nun wollen sie die letzte akademische Bastion, die CEU, zu Fall bringen. Freie wissenschaftliche Arbeit und Lehre ist in Ungarn immer spärlicher gesät, vor allem in Wissenschaftsfeldern, die mit gesellschaftlich höchst relevanten Themen zu tun haben. So wurden jene geisteswissenschaftlichen Zweige systematisch zurückgestutzt, die sich einerseits mit Problemen befassen, die mit der Flüchtlingskrise einhergehen, und die andererseits beim Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen eine Orientierung geben: etwa die Kulturanthropologie oder die interkulturelle Psychologie. Ganz zu schweigen von der Medienbildung. Deshalb gibt es heute nur noch den staatlich zensierten Einheitsbrei.“

Süddeutsche Zeitung: Ungarn wird hohen Preis zahlen; Deutschland

Unglaublich, dass die ungarische Regierung sich nun auch noch die renommierte CEU vorgenommen hat, stöhnt die Süddeutsche Zeitung: „Fast hat man den Eindruck, als provoziere die Regierung in Budapest absichtlich so viel Empörung mit ihren Angriffen auf Flüchtlinge, Hilfsorganisationen, ausländische Universitäten und die internationale Gemeinde im Land, damit Viktor Orbán beweisen kann: Ich nehme es mit wirklich allen auf. Vorige Woche wurden die Nichtregierungsorganisationen mit Drohungen in Angst und Schrecken versetzt - eine Attacke gegen die Zivilgesellschaft. Anfang dieser Woche folgte der Tabubruch, die Menschenrechtskonvention infrage zu stellen - eine Attacke gegen die EU. Am Mittwoch dann der lange erwartete Schlag gegen die von Orbáns Intimfeind George Soros gestiftete CEU. Vielleicht hat sich Orbán diesmal aber übernommen. Er mag auf die Unterstützung des antiliberalen US-Präsidenten Donald Trump hoffen. Aber für den Angriff auf ein so renommiertes Mitglied der akademischen Welt wird Ungarn einen hohen Preis zahlen.“

Die Presse: Parallelen zu den 1930er Jahren; Österreich

Wie in den 1930er Jahren stehen erneut liberale Ideen einem Modell gegenüber, das Minderheiten feindselig begegnet und kosmopolitische Eliten verabscheut, warnt Ian Buruma, Professor für Demokratie und Menschenrechte am Berliner Bard College, in Die Presse: „Tatsächlich könnte man Soros als Personifizierung des 'Westens' bezeichnen. Er ist all das, was Nativisten und Antisemiten hassen: reich, kosmopolitisch, jüdisch und Verfechter einer liberalen, 'offenen Gesellschaft', wie sie von Karl Popper - einem weiteren jüdischstämmigen Spross der österreichisch-ungarischen Monarchie - benannt wurde. Als die Feinde der offenen Gesellschaft in den 1930er Jahren Europa bedrohten, bestand zumindest ein starkes Gegenmodell in Großbritannien und in den USA. Die Opfer des kontinentaleuropäischen Totalitarismus konnten in diesem 'Westen' immer noch Zuflucht finden. Und sogar diejenigen, denen das nicht gelang, wussten, dass die Faschisten und Nazis in London und Washington mächtige Feinde hatten. Heute leben wir in einer anderen Welt.“

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Translated from Thousands rally in support of CEU University in Budapest