Ohrkaugummi
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Klebrig-kriechende Ausdrücke für die nervigen Songattacken des Ohrwurms in Europa.
I just can`t get you out of my head sang schon Kylie Minogue. Damit meinte die australische Sängerin und Schauspielerin zwar nicht ihren eingängigen Pop-Song, aber der ging Millionen von Menschen weltweit trotzdem nicht mehr aus dem Kopf. Sie alle hatten sich mit demselben Virus infiziert: dem Ohrwurm. Betroffene dieser Krankheit klagen über Konzentrationsschwäche, Frustration sowie unkontrollierte Mitsing- und Mitsumm-Attacken. Besonders letzteres Symptom wirkt extrem ansteckend und trägt daher wesentlich zur Verbreitung des gemeinen Ohrwurms bei.
Früher bezeichneten die Deutschen eine schmeichlerische Person auch als Ohrwurm. Heute steht der Ohrwurm als Sinnbild für Musik, die wie ein Wurm in den Gehörgang kriecht und sich dort einnistet. Zu dieser Entwicklung trug wohl auch das Fluginsekt Dermaptera bei. Entgegen allgemeiner Auffassungen ist dieser tierische Ohrwurm für den Menschen aber vollkommen ungefährlich.
Ganz im Gegensatz zum musikalischen Ohrwurm: Der verbreitet sich so schnell wie die Casting-Grippe 'Popstars'. Als wortwörtliche Übersetzung erreichte der earworm die britischen Inseln. Spanier kennen den Ohrwurm eher als 'Klebelied' (canción pegadiza). Ebenso die Portugiesen, deren 'Ohrkaugummi' (chiclete na orelha) spielt auf das lange Durchhaltevermögen des Ohrwurms an. Der kann sich schon mal einige Stunden, wenn nicht sogar Tage, im Ohr festsetzen.
Die Italiener und Franzosen verraten mit ihrer Bezeichnung für den Ohrwurm auch gleich, was sie von dem lästigen Eindringling halten: 'betäubende Musik', die nicht mehr aus dem Kopf geht (musique entêtante), finden die Franzosen und ein 'nerviges Lied' (canzone tormentone) die Italiener. Ob die Vereinten Nationen Dauermusik deswegen 1997 als Foltermethode anerkannten, ist nicht überliefert. Doch wie werde ich die 'Melodie, die in meinem Kopf umherläuft' (chodzi mi po glowie), wie die Polen sagen, endlich wieder los? Entweder selbst ein Lied singen oder andere Musik auflegen, raten Musikwissenschaftler.