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NSU-Film über Beate Zschäpe: Hass ist ihre Attitüde

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BerlinKultur

Wie wurde aus einem ostdeutschen Durchschnittsmädchen die Rechtsextremistin Beate Zschäpe? Die ARD sucht in einem Film nach Antworten - und ist empathisch, ohne um Verständnis zu werben. 

„Ich hab nichts gegen ein paar Fremde, wenn sie sich benehmen“, sagt Uwe M. Aber „die Asylanten“ würden eben alles „in den Arsch geblasen“ bekommen. Beate nickt, Uwe M. grinst und schon wälzt das junge Paar sich verliebt im Bett. Hass scheint ein starkes Aphrodisiakum zu sein. Hass, und die Vorliebe für Hitler, Hakenkreuze und Deutschtum.

Denn Beate und Uwe M. sind kein normales verliebtes Paar. Oder vielleicht sind sie genau das und das macht die ganze Sache umso schwieriger. Uwe M. ist tot, zusammen mit seinem Kumpel Uwe B. hat er sich am 4. November in einem Wohnmobil das Leben genommen. Und Beate steht vor Gericht, seit dem 6. Mai 2013 wird ihr Fall vor dem Oberlandesgericht München verhandelt. Die beiden Uwes und Beate, das sind Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, die sich als Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) jahrelang unentdeckt durch Deutschland mordeten. In einem ambitionierten Projekt will die ARD das Geschehene nun aufarbeiten: Die Miniserie Mitten in Deutschland: NSU erzählt in drei Filmen aus der Perspektive der Täter, der Opfer und der Ermittler.

Unaufdringlich und eindrucksvoll

Teil eins Die Täter – Heute ist nicht aller Tage zeigt die Entstehungsgeschichte des NSU bis zum Gang in den Untergrund 1998. Er zeigt vor allem, wie aus einem recht unauffälligen ostdeutschen Mädchen eine überzeugte Rechtsextremistin wurde, die gemeinsam mit ihren zwei Freunden Anschläge plante und ausführte. Aber: Hat sie? Diese Frage wird momentan vor Gericht noch verhandelt, Zschäpes Rolle beim NSU ist bisher nicht eindeutig geklärt. So flackert denn auch am Anfang eine Schrift über den Bildschirm: „Das tatsächliche historische Geschehen ist noch nicht vollständig aufgearbeitet“. Der Film enthalte „fiktionale Elemente“. Eine Tatsache, die das TV-Projekt einerseits umso spannender macht – Wie eng hält es sich an die Realität, wo füllt es Lücken selbstständig auf? - andererseits auch problematisch: Ist es sinnvoll, einen solchen Film zu drehen, wenn der dazugehörige Prozess noch läuft?

Diese Fragen lassen sich jetzt schwer beantworten. Was aber gesagt werden kann: Christian Schwochows Serien-Auftakt Die Täter nähert sich behutsam Zschäpe, Mundlos und Bönhardt an, ist empathisch, ohne um Verständnis zu werben. Er entschuldigt nichts. Es ist ein unaufdringlicher, aber eindrucksvoller Film geworden, der sich vor allem auf Zschäpe konzentriert. Das macht Sinn, schließlich ist sie die einzige Überlebende des NSU, steht vor Gericht - und schweigt dort die meiste Zeit. Deutschland rätselt: Wer ist diese Frau? Eine kaltblütige Rechtsextremistin? Eine Mitläuferin?

Liebe in Zeiten der Wende

Beate Zschäpe (Anna Maria Mühe) wächst im Jenaer Plattenbauviertel Winzerla auf, die Mutter ist alleinerziehend, ihren Vater - vermutlich ein rumänischer Ex-Kommilitone ihrer Mutter - lernt sie nie kennen. 1991 verlässt Zschäpe mit 16 die Schule, arbeitet erst als Malergehilfin und macht später eine Lehre. In einem Jugendzentrum lernt sie Uwe Mundlos (Albrecht Schuch) kennen - in trauter Zweisamkeit pinseln sie eine Deutschlandkarte an die Wand, eine von 1937. Nazis in Love. Im Fernsehen verspricht Bundeskanzler Helmut Kohl „blühende Landschaften“ in Deutschlands Osten, in Jena allerdings ist davon nichts zu spüren. Grau in Grau.

Immerhin Uwe M. bringt ein bisschen Farbe in Beates Leben. Er marschiert mit anderen Skinheads durch die Straßen: „Wir haben euch was mitgebracht: Hass, Hass, Hass!“. Beate steht dabei und guckt verliebt. Dass sie klaut, findet Uwe allerdings „scheiße“, weil „irgendwie undeutsch.“ 1992 lernt Beate Uwe „Böhni“ Böhnhardt (Sebastian Urzendowsky) kennen, der sie fröhlich mit „Heil Hitler“ grüßt. Flirten auf Nationalsozialistisch. Während Uwe M. beim Bund ist, wird aus Beate und Uwe B. ein Paar. Trotzdem bleiben die drei ein Team, feilen gemeinsam an immer radikaleren Plänen. Demonstrationen, Hetzjagden auf linke Jugendliche, dann soll es ein Bombenanschlag werden. Doch das Trio fliegt auf: Im Januar 1998 werden ihre Wohnungen durchsucht, in einer von Zschäpe angemieteten Garage werden Rohrbomben und Sprengstoff gefunden. Bevor Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt festgenommen werden können, tauchen sie ab. Hier endet der Film.

Die Täter - Heute ist nicht aller Tage ist ein unbequemer Film, der keine eindeutigen Antworten gibt. Wie könnte er auch. Interessant ist vor allem der Kontrast zwischen Beate Zschäpe und ihrer Schulfreundin Sandra: Warum rutscht die eine ins Neonazi-Milieu ab, während die Andere gegen die „Faschos“ demonstriert? Sandra macht eine Ausbildung, heiratet und bekommt ein Kind. Warum nicht auch Zschäpe? Beide Frauen sind in der DDR aufgewachsen, haben die Wende erlebt, sind ähnlich sozialisiert worden - und könnten trotzdem unterschiedlicher nicht sein. Warum einige sich radikalisieren und andere nicht, das ist auch im Deutschland 2016 noch bzw. wieder eine wichtige und aktuelle Frage.