"Niqabitches": Kritik in Kopftuch und Hotpants
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Monika SchreiberObenrum tragen sie ein Niqab und untenrum Hotpants. Zwei "seltsame Mädels" sind im September vor mehreren Denkmälern der französischen Macht herumspaziert, bis sie schließlich vor dem Ministerium für Immigration und Nationale Identität landeten. Sie nennen sich "Niqabitches" und wollen das Web nutzen, um gegen das Gesetz zu kämpfen, das die Burka in der Öffentlichkeit verbietet.
Unterhaltung "unter dem Deckmantel" der Anonymität.
cafebabel.com: Für wen habt ihr beschlossen "Niqabitches" zu werden?
N: Für die Franzosen (Lachen). Eigentlich haben wir das ganz spontan gemacht und uns gar nicht so viele Fragen gestellt. Wir waren ganz und gar nicht auf das gefasst, was anschließend passierte.
cafebabel.com: Und doch hat eure Aktion in Frankreich weniger Furore gemacht als anderswo...
B: Das stimmt, entweder hat die Presse sich nicht dafür interessiert oder aber unsere Aktion wurde kritisiert. Als wir unser Video gedreht haben, haben wir einen französischen Journalisten getroffen. Anstatt sich dafür zu interessieren, riet er uns dazu, angelsächsische Journalisten zu kontaktieren; sie interessieren sich für solche Themen.
cafebabel.com: Und warum gerade Angelsachsen?
N: Weil das Verhältnis zwischen Religion und Staat dort anders ist, toleranter. In Frankreich haben viele Leute gesagt, wir wollten nur Wirbel machen. Für mich ist es ein gutes Mittel, um sich des Themas zu entledigen. Wahrscheinlich sind wir zu jung, und in Frankreich hört man nicht auf die jungen Leute; man findet sie unglaubwürdig. Aber ich finde es wirklich schade, dass nur die Politiker sich zur Burkafrage geäußert haben, denn im Gegensatz zu unserer Generation sind sie nicht mit Moslems aufgewachsen.
Wenn man uns aber nicht zu Wort kommen lässt, äußern wir uns eben anderweitig, z.B. im Netz, und dann übertönen wir sie. Das ist wahre Demokratie. Wenn die Leute das Wort nicht ergreifen, dann nicht, weil das Gesetz es ihnen verbietet; sie zensieren sich selbst. Uns ist das egal! Wir werden nicht um eine Anhörung betteln. Wenn unser Video junge Leute zum Nachmachen inspiriert, ist das genial!
cafebabel.com: Was ist eure Aussage?
B: Nun, der Niqab reizt uns ganz und gar nicht, aber nichtsdestotrotz haben sich viele Frauen dazu entschlossen ihn zu tragen. Wir haben eine Nachricht von einer Frau bekommen, die einen Niqab trägt und deren Ehemann uns auf der Straße gesehen hat. Sie hat uns im Internet gefunden, uns erklärt, dass sie sich selbst entschlossen hat, den Niqab zu tragen und uns vorgeschlagen, auf unsere Fragen zu antworten. Unserer Meinung nach ist das Gesetz gegen den Niqab ziemlich hart, weil es die Frauen die ganz normale Bürgerinnen sind, dazu zwingt, sich zuhause einzusperren... Außerdem ist dieses Gesetz nicht verfassungskonform.
Auf cafebabel.com: Überblick über die Gesetze zum Ganzkörperschleier in Europa
N: Das ist wie das Gesetz zum Schutz von Frauen, die geschlagen werden. Man wird geschlagenen Frauen ja nicht eine Geldstrafe aufbrummen.
B: Es stimmt, der Anblick einer Frau mit Niqab kann schockieren. Aber die Regierung entledigt sich mit diesem Gesetz nur der Bilder, sie versteckt sich hinter der Idee des Schutzes der Frau. Man müsste eher langfristig in den Milieus arbeiten, wo die Frauen gezwungen werden, den Niqab zu tragen.
cafebabel.com: In eurem Manifest auf der französischen Webseite Rue 89 habt ihr gesagt, dass die Regierung nicht die Art der Kleidung vorschreiben dürfte. Der Niqab ist aber nicht nur ein Kleidungsstück, er hat eine symbolische Bedeutung. Letztens war ich in einer türkischen Moschee, in der es einen Betraum für Frauen gab, der durch eine Art Gitter vom Rest abgetrennt war. Ich habe dabei an das Gesichtsgitter des Niqabs denken müssen.
N: Ja, aber die Idee, Frauen und Männer zu trennen, hat es überall gegeben. Erst seit ziemlich kurzer Zeit dürfen die Frauen in Frankreich Hosen tragen, und da will man uns glauben machen, dass die Moslems die einzigen "Machos" sind? Auch wenn es eine Botschaft hinter dem Niqab gibt, dürfte das die Leute nicht zum Hass inspirieren.
cafebabel.com: Gab es in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Reaktionen auf eure Performance?
N: Ja, jedes Land hat seinen eigenen Hintergrund. Einige haben uns gesagt: "Vergesst nicht, dass z.B. in Saudi-Arabien die Frauen gezwungen werden, den Niqab zu tragen". Ja, aber wir sind hier in Frankreich, in einem anderen Kontext. Außerdem sind wir nicht für den Niqab, wir wollten eher eine Debatte entfachen. Andere hingegen haben uns sehr gut verstanden: Deutsche, Belgier, Holländer und auch Engländer.
B: Die meisten Orientalen haben positiv reagiert. Aber die muslimischen Extremisten haben es natürlich negativ aufgefasst. Man hat uns sogar vorgeworfen, Pornographie zu betreiben. Hinter unserem Video steckt natürlich auch eine Botschaft... Es stimmt, es gibt so viele Spannungen zwischen den Gemeinschaften in Frankreich, dass die Leute gleich an Provokation und mangelnden Respekt denken. Aber Hotpants mit Pornograpie zu assoziieren - daran hätte ich niemals gedacht.
cafebabel.com: Seid ihr Feministinnen?
N: Ja, aber wir haben vielleicht eine eigene Sicht auf die Dinge. Wir sind Feministinnen im Jahr 2010. Gut, eine Feministin hat uns trotzdem gesagt, die wahre Revolution wäre, wenn wir uns nicht rasieren würden und dem westlichen Mann nicht diese Vision der begehrenswerten orientalischen Frau präsentieren würden, indem wir ihm unsere Beine zeigen. Mit diesem feministischen Modell sind wir aber nicht einverstanden. Wir verteidigen eine andere Freiheit der Frau, die ihr erlaubt, ihren Körper zu behandeln, wie sie das möchte.
B: Wenn Frauen ihren Körper zeigen wollen, haben sie das Recht ihn zu zeigen, wenn sie ihn verstecken wollen, haben sie das Recht ihn zu verstecken. Wir verstehen nicht, dass Feministinnen weder das eine noch das andere akzeptieren. Es stört sie beides, was soll man also ihrer Meinung nach machen? Wir werden ja nicht wieder zu dem Frauenbild der 1960er Jahre ohne BH zurückkehren?
N: Indem wir uns mit Niqab und Hotpants kleiden, zeigen wir, dass eine Frau im Niqab und eine Frau in Hotpants durchaus in der gleichen Gesellschaft miteinander leben können.
* Die "Niqabitches" möchten in diesem Interview nicht namentlich genannt werden
Foto: Video ©Niqabitches beim Spaziergang in Paris/ You Tube; Graffiti (cc)biphop/flickr
Translated from « Niqabitch » : l'entretien LOL qui dénonce