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Nikolina Dimitrova: Fernsehfrau mit Europa-Mission

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Die bulgarische Fernsehjournalistin Nikolina Dimitrova baut in ihrer Sendung „Fernglas“ eine solide Brücke zu Europa und dem Rest der Welt.

Die kleine Villa an der Schwarzmeerküste, in der mich Nikolina Dimitrova erwartet, liegt über einer malerischen Bucht, unweit von Albena, einer bulgarischen Tourismushochburg. Wir sitzen im Obstgarten vor dem schmucken Ferienhaus, den Blick auf Weinberge und das grünblaue Meer. Die Luft riecht nach Algen, Miesmuscheln und heißem Kalkstein.

Nikolina Dimitrova, eine grazile Frau mit Porzellanteint, vermischt ihren Jogurt mit Walderdbeeren, die der Nachbar in aller Frühe vorbeigebracht hat. Sie spricht mit warmer, leiser Stimme; enthusiastisch, aber nicht verbissen. Die frühere Nachrichtensprecherin vom Zweiten Kanal des Bulgarischen Fernsehens produziert seit fünf Jahren eine der erfolgreichsten Sendungen in Bulgarien: Dalekogled, das Fernglas.

Dreimal die Woche durchs Fernglas schauen

Die Fernsehfrau spricht mit Ausländern, die nach 1989 nach Bulgarien gekommen und länger geblieben sind. Daraus schneidet sie fünfminütige Monologe, die eine heitere oder nachdenkliche Geschichte erzählen. Arbeiter, Studenten, Beamte, Botschafter; Araber, Amerikaner, Afrikaner, vor allem aber Europäer – viele haben auf dem berühmten roten Stuhl, Symbol der Sendung, gesessen und in sympathischem, oft fehlerhaften Bulgarisch ihre Eindrücke von Land und Leuten mitgeteilt. „Wir Bulgaren haben 45 Jahre lang Zwangs-Augenklappen aufgehabt und kaum was von der Welt mitbekommen. Umso größer ist unser Bedürfnis, ein Fernglas in die Hand zu nehmen und zu erfahren, wie die anderen denken, wie sie uns wahrnehmen.“

Für die meisten Gäste der Sendung war Bulgarien ein unbekanntes Land, bevor sie sich in dem Balkanstaat niederließen. Deutsche zum Beispiel erzählen oft, dass sie früher Bulgarien mit Rumänien verwechselt haben. Viele erzählen, dass sie von der Herzlichkeit, von der hohen Bildung ihrer bulgarischen Kollegen und Freunde, von der Leichtigkeit, mit der die Leute ihren beschwerlichen Alltag hinnehmen und trotz verbreiteter Armut oft und ausgiebig feiern, völlig überrascht waren.

„Der Bulgare ist neugierig, offen und erfinderisch – das höre ich am häufigsten“, sagt Nikolina Dimitrova. Sie erinnert sich an einen Schweden, der von der Fahrt in einem Schrottkarren auf einer mit Schlaglöchern übersäten Straße berichtet hat. Plötzlich sei ein Riemen gerissen und das Auto habe sich nicht mehr von der Stelle gerührt. Der bulgarische Fahrer habe seine Frau gebeten, ihre Strumpfhose auszuziehen und das gute Stück als Ersatzteil benutzt. Danach könnte die Reise weitergehen.

Viele der inzwischen fast 700 Gäste aus fremden Ländern erzählten aber auch, dass sie die Unordnung, der Dreck, die Diebstähle, der fehlende Sinn der Bulgaren für Umweltschutz stört. Sie kritisieren, tun das aber so liebevoll, sachlich und konstruktiv, dass Bulgaren oft nach der Ausstrahlung in der Produktionsfirma anrufen und sich für die gut gemeinten Vorschläge bedanken.

Working-Girl und Mutter

Frau Dimitrova kocht Mokka für uns. Die persönlichen Fragen, die ich stelle, beantwortet sie nur knapp. Sie ist in der kleinen bulgarischen Stadt Dobritch geboren und besuchte das Fremdsprachengymnasium, damals noch eine Eliteschule. Nach einem ausgezeichneten Abschluss besteht sie die harten Aufnahmeprüfungen an St. Kliment Ochridski, der traditionsreichsten bulgarischen Universität. Nach dem Studium arbeitet sie für das Fernsehen und im PR-Bereich. Zurzeit hat sie zwei Jobs, wie viele Bulgarinnen und Bulgaren auch, die Monat für Monat ums Überleben kämpfen müssen.

„Das Wertvollste, was ich im Leben gemacht habe, ist mein kleiner Sohn Ivan“, sagt Nikolina mit einem für Bulgaren untypischen Understatement. „Es ist verdammt schwierig, Kind und Beruf zu verbinden. Als er geboren wurde, musste ich ihn überall mitnehmen und die Interviews unterbrechen, um ihn zu wickeln und zu stillen...“.

Neues Konzept

Nach der Wende zog ein Achtel der bulgarischen Bevölkerung ins Ausland - eine schockierende Zahl, wenn man bedenkt, dass vor allem junge und gebildete Leute gegangen sind. Das Land blutete regelrecht aus. Doch Nikolina Dimitrova erzählt, dass immer mehr Bulgaren in ihre Heimat zurückkehren. Diese Tendenz hat sie dazu bewegt, Anfang 2005 das Konzept ihrer Sendung zu ändern. Die Sendezeit gehört jetzt den Rückkehrern. Meistens stellt sie Leute vor, die in Europa studiert oder ein Unternehmen gegründet haben und zurück kommen, um ihre neuen Kenntnisse und Erfahrungen weiter zu geben. „Sie bringen den europäischen Rhythmus nach Hause, sie befruchten das bulgarische Temperament mit westlicher Arbeitsweise und Ordnungssinn“. Die Rückkehrer sind die Multiplikatoren der europäischen Idee, sie werden Bulgarien ein europäisches Gesicht geben, ist die Journalistin überzeugt.

Für die Zukunft plant Nikolina Dimitrova einen Dokumentarfilm, in dem Europäer, die schon lange in Bulgarien leben, ihren Landsleuten das kleine Balkanland aus ihrer eigenen Perspektive vorstellen. Eine zarte Frau stellt sich der großen Aufgabe, eine Brücke zwischen ihrer Heimat und Europa zu schlagen.