Nicolas Sarkozy will die Einwanderung europäisch regeln
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Martin SchneiderDer französische Innenminister hat in Madrid vorgeschlagen, die Asylpolitik „vollständig“ in die Hände der EU zu legen.
Als er am 29. September aus Madrid zurückkam, schien Nicolas Sarkozy zu triumphieren. Zu Recht. Bei einem Treffen zwischen den acht Ländern Südeuropas zum Thema illegale Einwanderung hatte der französische Innenminister seinen spanischen Gastgebern die Schau gestohlen. Mit napoleonischem Selbstbewusstsein erklärte er in Madrid, dass seine Ideen zum Thema Einwanderung „gerade Europa erobern“.
Europäische Konsulate
Was hat er vorgeschlagen? Sarkozy, den die französische Rechte wahrscheinlich zu ihrem Kanidaten für die Präsidentschaftswahlen 2007 küren wird, hat durchblicken lassen, dass er mehr anstrebe als die minimale „Koordination“, die derzeit in der EU stattfindet.
Sarkozys Äußerungen kommen zum passenden Zeitpunkt. Seit Beginn des Jahres sind 16 000 Einwanderer illegal nach Italien eingewandert, 24 000 waren es in Spanien. Nun schlägt Sarkozy eine „Europäisierung“ der Einwanderungspolitik vor, den die Tageszeitung Le Monde „radikal“ nennt. Sarkozy will die Asylpolitik komplett in die Hände der EU legen; er schlägt „Europäische Konsulate“ vor, die außerhalb der EU begrenzte Aufenthaltsgenehmigungen ausstellen könnten. Und schließlich will er eine EU-Behörde einrichten, die illegale Einwanderung europaweit bekämpft.
Ein „Wahlkampfmanöver“
Dass Sarkozy die Einwanderung jetzt europaweit steuern will, ist erstaunlich. Denn er ist Chef der konservativ-gaullistischen Partei UMP und sprach in Madrid als Vertreter eines Landes, dem seine nationale Souveränität heilig ist. „Die Einwanderungspolitik ist Teil der nationalen Souveränität“, betont etwa der 70-jährige George Sarre, Generalsekretär der linksnationalen Partei MRC. „Frankreich kann nicht akzeptieren, dass eine anti-demokratische EU beschließt, Einwanderer ins Land zu holen“.
Hat sich Sarkozy nun in einen pragmatischen europäischen Föderalisten verwandelt? „Sein Vorschlag zielt eher darauf, die Verantwortung nach Europa zu schieben“, wendet die niederländische Europaabgeordnete Jeanine Hennis-Plasschaert ein. „Die nationalen Regierungen sollten erst einmal ihren Verpflichtungen nachkommen. Der EU-Grenzbehörde FRONTEX sollte mehr Geld gegeben werden. Und dann müssten sie das Verfahren für Asylsuchende bis zum Jahr 2010 vereinheitlichen“, so die Abgeordnete. „Sarkozys Ideen sind eher ein Manöver im französischen Präsidentschaftswahlkamf“.
Das Gespenst der Verfassung
Trotzdem schmiedet Sarkozy nun Allianzen mit Vertretern anderer konservativer Parteien in Europa. In Madrid traf er Mariano Rajoy, den Chef der der spanischen Partido Popular. Die beiden einigten sich darauf, „innerhalb der Europäischen Volkspartei (EVP) daran zu arbeiten, eine gemeinsame Einwanderungspolitik zu verfolgen“. Bereits am 15. Juli letzten Jahres besuchte er in Rom den Chef der Alleanza Nazionale, Gianfranco Fini. Auch hier herrschte Einigkeit: „Die Antworten, die die Globalisierung fordert, können nicht mehr von den Nationen gegeben werden“.
Denselben Ton schlug in Madrid der sozialistische spanische Außenminister Angel Moratinos an: „Wir sprechen hier nicht über die spanische Mittelmeerküste, sondern über die Grenze Europas“. Erobern Sarkozys Ideen tatsächlich Europa?
Im Grunde genommen schlägt der französische Innenminister vor, jegliche massive „Regularisierung“ von illegalen Einwanderern zu verbieten. Sein spanischer Amtskollege Antonio Camacho erklärte sofort, dass Sarkozys Vorschlag „angenommen wurde“. Damit stellte er zugleich die Politik seiner eigenen Regierung in Frage, die letztes Jahr den Status von 600 000 Einwanderern legalisierte.
Die Europäisierung der Asylpolitik wird auch in den Fluren des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates diskutiert. Dort denkt man darüber nach, das Vetorecht in diesem Bereich abzuschaffen. Deutschland sträubt sich dagegen und verweist darauf, dass diese Maßnahme in der Europäischen Verfassung vorgeschlagen werde. Wenn Sarkozy nächstes Jahr tatsächlich an die Macht kommt, müsste er vielleicht genau da ansetzen. Die Ergebnisse der Innenministerkonferenz von Madrid werden jedenfalls dem Europäischen Rat am 20. Oktober in Lahti präsentiert werden.
In Zusammenarbeit mit Lorenzo Morselli in Brüssel
Translated from Nicolas Sarkozy veut européaniser la gestion de l’immigration