Muslime in Polen: Streit um den Bau der Warschauer Moschee
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Margarethe PadyszNur schätzungsweise 25.000 Muslime leben in Polen - aber diese kleine Gemeinde zieht momentan die Aufmerksamkeit auf sich: im Warschauer Viertel „Ochoc “ entsteht eine neue Moschee, die von einem saudischen Sponsor finanziert wird. Das stößt auf Widerstand, auch wenn das zukünftige muslimische Kulturzentrum, samt Moschee, für einen gemäßigten Islam stehen soll.
Polnische Muslime stellen nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung dar, das heißt zwischen 30.000 und 40.000 Menschen. Eine offizielle Statistik gibt es allerdings nicht. Im heutigen Polen hat man sich immer noch nicht an eine multikulturelle oder gar an eine multikonfessionnelle Gesellschaft gewöhnt. Bei Volkszählungen fragt niemand nach der religiösen Zugehörigkeit. Diese Frage wird erst in der Volkszählung für das Jahr 2011 auftauchen.
Die Muslimische Religionsvereinigung Polens (Muzułmański Związek Religijny) schätzt die Zahl der Muslime, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg hier niedergelassen haben, auf 25.000. Die Meisten von ihnen kamen als Studenten, angelockt durch günstige Studiengebühren – ein Resultat der Abkommen zwischen den Ländern des Warschauer Paktes und muslimischen Ländern. Ihr Diplom in der Tasche, gründeten diese ehemaligen Studenten Familien in Polen und blieben dann für immer. Mit dem EU-Beitritt Polens 2004 kam noch eine dritte Immigrantengruppe hinzu, in den Nachbarländern bereits bekannt: Arbeitsmigranten, die meist im Handelssektor oder in der Gastronomie tätig sind. Beobachter sprechen von einer fortschreitenden Angleichung zwischen Polen und anderen westlichen Staaten.
Der Islam und Europa: null Toleranz
Doch nach und nach haben immer mehr europäische Staaten aus Angst vor einer unkontrollierbaren Ausbreitung muslimischer Kultur damit begonnen, die Freiheit von Muslimen auf ihrem Staatsgebiet zu beschneiden. In der Schweiz sprachen sich im November 2009 ganze 57,7% der Bevölkerung per Referendum für ein Verbot des Minarettbaus im Land aus. Das belgische Parlament hat in diesem Frühjahr ein Gesetz verabschiedet, welches das Tragen des Ganzkörperschleiers Burka in öffentlichen Räumen untersagt. Und auch in Frankreich wurde ein ähnliches Gesetz von der Nationalversammlung mit großer Mehrheit durchgewunken. Bereits 2008 hat die italienische rechts-populistische Partei Liga Nord gefordert, dass Moscheen mindestens einen Kilometer von anderen Kirchen entfernt stehen müssen. Zwar ist das entsprechende Gesetz nie in Kraft getreten. Trotzdem bleibt es in Italien schwierig, eine Baugenehmigung für Moscheen zu erhalten. Orte des muslimischen Glaubens, inmitten von historischen italienischen Städten, umgeben von christlicher Kultur – das passt für viele nicht zusammen.
Auch in Polen hat die Diskussion über Muslime an Schärfe gewonnen. Grund dafür ist ein Bauprojekt in Warschau: Dort soll ein muslimisches Kulturzentrum entstehen, welches neben einer Bibliothek und einem Mediensaal auch eine Kunstgalerie, Geschäfte, sowie einen Gebetssaal beherbergt. Die Entscheidung für den Bau des Zentrums, ebenfalls ausgestattet mit einem Minarett, fiel bereits im September 2009. Aber erst im vergangenen März gingen die Diskussionen richtig los, nachdem die Gesellschaft für die Zukunft Europas eine Demonstration auf dem zukünftigen Baugrund organisiert hatte. „Nein zur Moschee in Polen“, „Toleranz statt Naivität“ – so die Parolen der 150 Demonstranten.
„Der Protest ist auf jeden Fall berechtigt. In Polen gibt es nicht viele Moscheen und wenn es welche gibt, sind sie schon seit hunderten von Jahren da. Und jetzt baut eine muslimische Organisation plötzlich eine neue Kultstätte? Versuchen die Muslime dadurch nicht im Grunde genommen, Ungläubige zum Islam zu bekehren?“, fragt sich Tomek, einer der Demonstranten.
Bislang gab es in Polen lediglich drei frei stehende Moscheen: zwei alte Kultstätten in der Region Podlasien, beide älter als 150 Jahre, in Kruszyn und in Bohoniki, sowie eine Moschee in Danzig, die 1990 erbaut wurde. In Warschau hingegen wurde eine Reihe von Gebäuden zu einer Moschee umgebaut. Dieses letzte Projekt ging auf die Initiative der Muslimischen Bildungsgesellschaft (Muzułmańskie Stowarzyszenie Kształtowania Kulturalnego) und der Muslimischen Liga der Republik Polen (Liga Muzułmańska RP) zurück, ein seit 2004 bestehender Verein muslimischen Glaubens. Sein Präsident, Samir Ismail, versichert den polnischen Medien, dass es sich bei dem neuen Zentrum um einen Ort des Gebets handeln würde, er repräsentiere einen gemäßigten Islam.
Zwischen Islamismus und Extremismus
"Nicht alle, die sich an eine wörtliche Auslegung der Tradition halten, sind Extremisten."
„Die Muslime der Mitte, also die große Mehrheit der muslimischen Gesellschaft, wünscht sich ein Leben in Frieden mit den anderen Religionen – will dabei aber natürlich trotzdem ihre eigene Identität bewahren“, erklärt der Vorsitzende des Rates der Imame der Muslimischen Liga (Rady Imamów Ligii Muzułmańskiej), Ali Abi Issa. „Für uns ist der Dschihad ein Instrument der Verteidigung, für die Extremisten hingegen ein Mittel der religiösen Expansion. Außerdem interpretiert der gemäßigte Teil des Islams die Tradition des Propheten anders: Für uns geht es dabei um alle Bereiche, die eine gesetzliche Bedeutung haben. Für bestimmte Islamisten hingegen geht es um das gesamte Verhalten des Propheten, wie der Kleidungsstil oder die Art zu essen … Trotzdem sind nicht gleich alle, die sich an eine wörtliche Auslegung der Tradition halten, Extremisten.“
Aneta, Studentin der Universität Warschau, stellt fest: „Ich bin tolerant und habe nichts gegen andere Religionen. Muslime haben ein Recht, in Polen zu leben, genau wie überall sonst auch. Ich denke nicht, dass es ihnen jemals gelingen wird, unser Land zu islamisieren. Unsere Mentalität lässt das gar nicht zu. In Europa sagt man den Polen nach, dass sie die katholischste Nation des Kontinents sind. Deshalb verstehe ich die Proteste gegen den Moscheebau im Warschauer Ochoc-Viertel nicht.“
Offizielle Zahlen belegen Anetas Einschätzung: nach Nach Angaben des Bildungs- und Kulturzentrums in im niederschlesischen Breslau in Niederschlesien fanden seit der Entstehung des Zentrums vor 20 Jahren insgesamt 28 Konvertierungen statt – - eine Islamisierung Polens sieht anders aus.
Dialog, warum nicht?
Das polnische Meinungsforschungsinstitut CBOS führte 2007 eine Umfrage durch, der zufolge 46% der Polen daran glauben, dass ein Dialog zwischen westlichen und islamischen Kulturen möglich ist., 34% der Befragten äußerten wollten sich nicht zum Thema äußern. Der Moscheebau wird im Spätsommer, spätestens im Frühherbst 2010 abgeschlossen sein. Nach einer Flut von Veröffentlichungen in der Frühjahrspresse sind die Proteste mittlerweile abgeflaut. „Wir hatten auch nicht mit Problemen bei der Fortführung des Projektes gerechnet“, so Ali Abi Issa. „Die Polen stellen sich immer auf die Seite des Schwächeren, das gehört schon fast zu ihrer Identität. Daher verwundert es uns nicht, dass die Proteste einiger extremer Gruppierungen weder Anklang in der Gesellschaft, noch in der Regierung gefunden haben.“
Fotos: Jedynka ©Frerieke/flickr; ©meczet w Kruszynianach ©Polimerek/Wikipedia; meczet w Warszawie ©WikipediaWikimedia
Translated from Polscy muzułmanie